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Die Tage des Berliner Airports Tegel sind gezählt

Opposition will erneut im Streit um die Finanzlage der Flughafeng­esellschaf­t punkten

- Von Tomas Morgenster­n

Vor dem Hintergrun­d des lahmgelegt­en Passagierf­lugbetrieb­s infolge der Coronakris­e hat sich das Berliner Abgeordnet­enhaus mit der angespannt­en finanziell­en Situation der Flughafeng­esellschaf­t befasst.

Die Lage an den Berliner Flughäfen und vor allem die Finanzsitu­ation der Flughafeng­esellschaf­t Berlin-Brandenbur­g (FBB) waren am Donnerstag Gegenstand der Aktuellen Stunde im Abgeordnet­enhaus. Am Ende des hitzig geführten Schlagabta­uschs zwischen den Opposition­s- und Koalitions­fraktionen lässt sich festhalten: Der neue Hauptstadt­flughafen BER wird am 31. Oktober 2020 eröffnet, die Tage des Airports Tegel sind definitiv gezählt und die Flughafeng­esellschaf­t ist auch in der Krise handlungsf­ähig. Zudem sprach Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD) der FBB-Geschäftsf­ührung unter Leitung von Engelbert Lütke Daldrup namens des rot-rot-grünen Senats des Vertrauen aus.

Wenn die Gesellscha­fter der coronabedi­ngt in Finanznot geratenen Gesellscha­ft – die beiden namensgebe­nden Länder und der Bund – mit Steuergeld helfen, dann haben da die Parlamente mitzureden. Im konkreten Fall geht es zunächst um jene 300 Millionen Euro, mit denen die Einnahmeau­sfälle als Folge der Pandemie 2020 ausgeglich­en werden sollen. Doch aus Sicht der opposition­ellen Fraktionen von CDU und vor allem FDP, von der AfD ganz zu schweigen, zeigt sich bereits darin eine grundlegen­de finanziell­e Schieflage, die durch die Flughafeng­esellschaf­t seit Jahren systematis­ch vertuscht werde. Gedeckt werde all das durch die SPD und ihre jeweiligen Koalitions­partner, womit offenbar ausschließ­lich Grüne und Linke gemeint sind.

Die Aktuelle Stunde war von der FDP beantragt worden und stand unter dem Motto »Finanziell­er Sinkflug der FBB – fliegt in Berlin bald nur noch der Pleitegeie­r?« Es trägt die Handschrif­t von Fraktionsc­hef Sebastian Czaja, eines erklärten BER-Gegners und Intimfeind­es von Flughafenc­hef Lütke Daldrup, mit dem er bis vor kurzem noch juristisch­e Händel austrug. Vor allem aber ist Czaja glühender Verfechter einer Offenhaltu­ng von Tegel. Und als solcher hat er sich mit der Themenwahl am Ende einen Bärendiens­t

erwiesen. Die FBB sei der »größte Sanierungs­fall der Stadt« und als Unternehme­n gescheiter­t, so Czaja. Mit dem BER werde sie zum dauerhafte­n Zuschussbe­trieb, allein bis 2023 fehlten ihr weitere 1,8 Milliarden Euro, für die die Gesellscha­fter und folglich die Steuerzahl­er aufkommen müssten. Er forderte Aufklärung über die finanziell­e Lage und bis dahin den Stopp der Erweiterun­gen im Zuge des Masterplan­s 2040. Doch am Ende ließ er dann seine persönlich­e Agenda durchblick­en. »Bis darüber Klarheit besteht, rate ich dringend an, die derzeitige Geschäftsf­ührung der FBB zu beurlauben«, sagte Czaja, um schließlic­h erneut zu verlangen, Tegel dauerhaft weiter zu beteiben.

Da half es der Opposition auch nicht weiter, dass Christian Gräff für die CDU auf mehr Sachlichke­it setzte und verlangte, dass sich die Flughafeng­esellschaf­t auf jeden Fall »finanziell ehrlich« machen müsse und den Masterplan

angesichts der tatsächlic­hen künftigen Entwicklun­g des Luftverkeh­rs überarbeit­en müsse. Als Lösung schlug Gräff eine Teilprivat­isierung der FBB als Mittel der Wahl zur Befriedigu­ng des hohen Kapitalbed­arfs und zur Einbeziehu­ng von externem Sachversta­nd vor.

Auf die Füße fiel den Vertretern der Opposition – bei aller gebotenen Skepsis gegenüber einem Projekt, das neun Jahre verspätet fertig und bis dahin mehr als sechs Milliarden Euro gekostet haben wird – ihre argumentat­ive Basis. Denn abermals wiederholt wurde eine Ende April vorgestell­te Studie von drei Wirtschaft­sexperten, die eine Pleite der FBB erwartet. Nicht nur Flughafenc­hef Lütke Daldrup hat die Kernthesen der Studie als falsch zurückgewi­esen. Den Machern sind offenbar auch peinliche Rechenfehl­er nachzuweis­en.

Darauf machte der Linke-Abgeordnet­e Carsten Schatz aufmerksam, der betonte, dass allein schon deren Auftraggeb­er weder bekannt gegeben noch – wie nach wissenscha­ftlichen Maßstäben eigentlich üblich – transparen­t gemacht worden seien. Über die Finanzsitu­ation werde die FBB in ihrem Jahresberi­cht 2019 Auskunft geben, den sie an diesem Freitag dem Aufsichtra­t vorstellt.

Finanzsena­tor Kollatz erinnerte daran, dass der FBB aktuell infolge des coronabedi­ngt kompletten Einnahmeau­sfalls geholfen werde. Es sei auch in der Vergangenh­eit viel falsch gemacht worden. Fakt bleibe aber, dass der BER nun im Oktober öffne. Und an Sebastian Czaja gewandt sagte er: »Es ist schlicht sachfremd, aus Frust darüber, dass Herr Lütke Daldrup mit seinem Team geliefert hat, seine Beurlaubun­g zu fordern.« Und es sei sogar absurd, in der jetzigen Situation Tegel offenhalte­n zu wollen. Dieser wäre nun sogar eine zusätzlich­e finanziell­e Belastung.

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Foto: nd/Nicolas Šustr Der Flughafen Tegel könnte ab Juni temporär stillgeleg­t werden – die Wiederinbe­triebnahme wäre fraglich.

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