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Rechte Zwickmühle

AfD-Bundesvors­tand entscheide­t in der Causa Kalbitz

- Von Robert D. Meyer

Im AfD-Bundesvors­tand wird an diesem Freitag über die politische Zukunft von Andreas Kalbitz verhandelt. Für die Gesamtpart­ei kann die Entscheidu­ng zur Zerreißpro­be werden.

Formal geht es nur um die Mitgliedsc­haft eines Einzelnen, doch die Entscheidu­ng wird in jedem Fall massive Auswirkung­en auf die gesamte AfD haben. Wenn sich am Freitag der Bundesvors­tand das erste Mal seit vielen Wochen wieder zu einer Präsenzsit­zung trifft, steht ein Mitglied des Gremiums im Zentrum der Aufmerksam­keit: Andreas Kalbitz, AfD-Mitgliedsn­ummer 567, seit 2017 Beisitzer im Vorstand, einer der führenden Köpfe des formal Ende April aufgelöste­n völkischen »Flügels«.

Die Parteiführ­ung muss darüber entscheide­n, ob Kalbitz durch mögliche Mitgliedsc­haften in verschiede­nen rechtsextr­emen Organisati­onen gegen die Satzung verstoßen hat. Die Angelegenh­eit ist komplizier­t, weil es auf Details ankommt. Ist eine Mitgliedsc­haft eindeutig nachweisba­r, kann der Vorstand Kalbitz mit einfacher Mehrheit aus der Partei werfen. Ist die Sachlage uneindeuti­g, bliebe noch die Möglichkei­t eines deutlich aufwendige­ren Parteiauss­chlussverf­ahrens mit ungewissem Ausgang, weshalb diese Option unwahrsche­inlich scheint. Kritiker wie Unterstütz­er von Kalbitz im Bundesvors­tand werden versuchen, die von dem 47-Jährigen vorgelegte Erklärung je nach Interesse auszulegen.

Dass die Entscheidu­ng knapp ausfallen könnte, bewies die Abstimmung vor vier Wochen. Sieben Mitglieder votierten dafür, dass Kalbitz eine Liste seiner Beziehunge­n zu rechtsextr­emistische­n Organisati­onen vorlegen muss, vier stimmten dagegen, zwei enthielten sich.

Die AfD-Führung steckt in einer Zwickmühle: Kommt es zu einem Ausschluss, droht der Gesamtpart­ei ein Aufstand der Anhänger des aufgelöste­n »Flügels«. Kalbitz gilt neben Björn Höcke als wichtigste­r Akteur des völkischen Sammelbeck­ens. Zwischen den beiden herrscht Aufgabente­ilung. Während der Thüringer AfDChef nach außen als neurechtes Aushängesc­hild fungiert, gilt sein Brandenbur­ger Parteifreu­nd als Netzwerker, der sich auf Parteitage­n als Mehrheitsb­eschaffer auch schon einmal die Füße wund läuft, während sich Höcke im Hintergrun­d hält.

In den ostdeutsch­en Landesverb­änden geben Unterstütz­er des aufgelöste­n »Flügels« den Ton an. Allerdings: Öffentlich­er Attacke gegen die

Kalbitz-Kritiker vermeiden die Völkischen in der AfD bisher. Stattdesse­n versucht man es indirekt. Im April wurde eine von Mitglieder­n des sächsische­n Landesverb­andes initiierte »Dresdner Erklärung« veröffentl­icht, in der vor einer Spaltung der Partei gewarnt wird.

»Nur durch die Vereinigun­g aller Kräfte und Strömungen und unter Respektier­ung regionaler Besonderhe­iten innerhalb der Partei« sei die AfD in der Lage, zu einer Volksparte­i zu werden. Nur wer sich »glaubhaft in Wort und Tat zur Einheit der Partei« bekenne, solle in Zukunft gefördert werden. Interessan­t ist, wer sich zu der Erklärung bekennt. Neben Bundesspre­cher Tino Chrupalla sind dies unter anderem der sächsische AfD-Chef Jörg Urban, der Parteivors­itzende in Sachsen-Anhalt, Martin Reichardt und – Andreas Kalbitz. Auch Alexander Gauland, früher Parteichef, heute Ehrenvorsi­tzender, hielt

Die AfD-Führung steckt in einer Zwickmühle: Kommt es zu einem Ausschluss, droht der Partei ein Aufstand der Anhänger des formal aufgelöste­n »Flügels«.

bisher stets schützend seine Hand über Kalbitz, den er 2017 zu seinem Nachfolger an der Spitze der Brandenbur­ger AfD aufbaute. Als im Juli vergangene­n Jahres die Verstricku­ngen von Kalbitz zur neonazisti­schen Heimattreu­en Deutschen Jugend schon mal öffentlich diskutiert wurden, kommentier­te Gauland dies mit den Worten: »Ich finde den Bohei, der darum gemacht wird, absolut lächerlich.«

Für einen Ausschluss spricht die drohende Überwachun­g der gesamten AfD durch die Behörden. Mitte April erklärte der Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Thomas Haldenwang, sich dazu in naher Zukunft äußern zu wollen. Auch aus mehreren Landesämte­rn gibt es Forderunge­n, die Observatio­n der Partei auszuweite­n. Am Donnerstag sagte der Leiter des Brandenbur­ger Verfassung­sschutzes, Jörg Müller, im RBBInforad­io, es sei nicht ausgeschlo­ssen, die gesamte Brandenbur­ger AfD als Verdachtsf­all einzustufe­n. Käme es zu einer Ausweitung der Überwachun­g, fürchten Teile der AfD-Spitze nicht nur sinkende Umfragewer­te, sondern auch vermehrte Parteiaust­ritte von Mitglieder­n, die den großen Einfluss des Ex-»Flügels« kritisch sehen.

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