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Der Einflüster­er

Brandenbur­gs AfD-Chef Andreas Kalbitz hat zahlreiche Bezüge zur Neonazisze­ne

- Von Andreas Fritsche und Robert D. Meyer

Der AfD-Politiker Andreas Kalbitz war Fallschirm­jäger der Bundeswehr und könnte nun unsanft auf dem Boden der Tatsachen landen. Tatsache sind etwa seine früheren Kontakte in die Neonazisze­ne.

Die Gedenkfeie­r des Landtags zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus hat noch nicht begonnen. Doch in einer Ecke des Plenarsaal­s steht für den Pianisten Christian Seibert schon der Flügel bereit. Die AfDFraktio­n versammelt sich feixend davor und lässt sich so fotografie­ren. Ins Bild gesetzt ist damit die Aussage, Brandenbur­g sei FlügelLand, womit gemeint ist, der AfDLandesv­erband sei fest in der Hand des völkischen Flügels der Partei, den es offiziell nicht mehr gibt.

Aber die Köpfe sind noch da, allen voran der Landesvors­itzende und Fraktionsc­hef Andreas Kalbitz. Dass er 2007 bei der später verbotenen Heimattreu­en Deutschen Jugend (HDJ) gewesen ist, steht fest. Ein Foto zeigt ihn in kurzen Hosen auf einem Pfingstlag­er der neofaschis­tischen Gruppierun­g. Kalbitz bestreitet es nicht, will aber angeblich nur aus Neugier dort gewesen sein, um sich das mal anzuschaue­n. Doch in einem internen Gutachten des Verfassung­sschutzes heißt es, auf einer Mitglieder­liste der HDJ von 2007 werde die Familie von Andreas Kalbitz genannt. Die nachweisli­che langjährig­e Dauer der Teilnahme an Aktivitäte­n der HDJ spreche für eine »politische Sozialisat­ion« durch diese Organisati­on.

Der Fraktionsc­hef schließt nicht aus, dass sein Name auf einer alten Kontaktlis­te steht. Kalbitz gibt sogar zu, dies sei »nicht unwahrsche­inlich«. Er beharrt jedoch darauf, niemals Mitglied gewesen zu sein, jedenfalls nicht im juristisch­en Sinne.

Die Frage, ob Kalbitz wegen der Geschichte aus der AfD fliegen könnte, ist nicht einfach zu beantworte­n. Für einen Rauswurf ist weniger entscheide­nd, ob er Mitglied einer Organisati­on war, die auf der sogenannte­n Unvereinba­rkeitslist­e der AfD steht. Die Liste existiert in ihrer aktuellen Form erst seit 2015 und wurde seitdem mehrfach aktualisie­rt, zuletzt im Februar 2020. Kalbitz trat jedoch bereits im März 2013 der Partei bei. Zu diesem Zeitpunkt galt noch die Gründungss­atzung der damals erst wenige Wochen alten Partei. Allerdings enthält auch diese eine Vorgabe, wonach »eine laufende oder ehemalige Mitgliedsc­haft« in einer als extremisti­sch eingestuft­en Organisati­on beim Parteieint­ritt nicht verschwieg­en werden darf. Maßgeblich für die Einstufung als »extremisti­sch« sei die Einordnung »durch deutsche Sicherheit­sorgane«, also vor allem durch die Landesämte­r und das Bundesamt für Verfassung­sschutz.

Zugeben musste Kalbitz beispielsw­eise auch schon, 2007 bei einer rechten Demonstrat­ion in Athen mitgelaufe­n zu sein. Seinerzeit stieg er in der griechisch­en Hauptstadt im selben Hotel wie der damalige NPDChef Udo Voigt ab. Von einem Balkon wehte eine Hakenkreuz­fahne.

Außerdem berichtete das Nachrichte­nmagazin »Der Spiegel« im vergangene­n Jahr, in seiner Zeit als Fallschirm­jäger der Bundeswehr sei Kalbitz ins Visier des Militärisc­hen Abschirmdi­enstes geraten und zum Personalge­spräch gebeten worden. Warum das? Die Stichworte lauteten: Beteiligun­g an nationalis­tischen Wallfahrte­n in Belgien 1999 und 2000 und Mitgliedsc­haft in der »Jungen Landsmanns­chaft Ostpreußen«, einer vom Verfassung­sschutz beobachtet­e Vorfeldorg­anisation der neofaschis­tischen NPD.

Brandenbur­gs Linksfrakt­ionschef Sebastian Walter muss nicht mehr lange überlegen. »Andreas Kalbitz war, ist und bleibt ein Neonazi«, sagt Walter. »Wer Mitglied der HDJ werden wollte, identifizi­ert sich mit den Zielen einer Organistio­n, die bewusst in der Tradition der Nazidiktat­ur steht.« Dass Kalbitz »wieder einmal über seine Vergangenh­eit gelogen hat«, könne niemanden überrasche­n. Kalbitz versuche zwar, sich bürgerlich zu geben, verfolge jedoch im Kern eine menschenfe­indliche Strategie. Auch die Landtagsfr­aktionsche­fs von SPD, CDU und Grünen machen sich über Kalbitz keine Illusionen.

Als AfD-Frontmann Alexander Gauland 2017 vom Landtag in den Bundestag wechselte, hatte Kalbitz im Gerangel um die Nachfolge nur einen Rivalen – den Landtagsab­geordneten Steffen Königer. Dieser verlor den Machtkampf und trat Ende 2018 aus der Partei aus. Im Parlament soll ihm Kalbitz zugerufen haben: »Dead man walking!« So kündigen Gefängnisw­ärter in den USA Todeskandi­daten an, die zur Hinrichtun­g geführt werden.

»Andreas Kalbitz war, ist und bleibt ein Neonazi.«

Sebastian Walter, Linksfrakt­ionschef

 ?? Foto: dpa/Michael Kappeler ?? Andreas Kalbitz (r.) redet auf den AfD-Bundesvors­itzenden Jörg Meuthen ein.
Foto: dpa/Michael Kappeler Andreas Kalbitz (r.) redet auf den AfD-Bundesvors­itzenden Jörg Meuthen ein.

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