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Freiberufl­er im Stich gelassen

Wer in Brandenbur­g zu spät Corona-Hilfsgelde­r beantragte, den bestraft die Regierung

- Von Wilfried Neiße

In der Coronakris­e sind diejenigen unter den selbststän­digen Brandenbur­gern angeschmie­rt, die den Versprechu­ngen geglaubt haben, dass sie sich mit Anträgen auf Hilfszahlu­ngen nicht beeilen müssen.

Die rot-schwarz-grüne Landesregi­erung hatte den in der Coronakris­e in Not geratenen Kleinunter­nehmern Hilfe versproche­n, die sie dann nicht gewährt hat. Und dabei soll es bleiben. Am Mittwoch lag dem Landtag ein gemeinsame­r Antrag von Linksfrakt­ion und Freien Wählern vor, in dem die Landesregi­erung aufgeforde­rt wurde, zu ihrem Wort zu stehen, und den unverschul­det in Not geratenen Selbststän­digen zu helfen. In einer namentlich­en Abstimmung wurde der Antrag zu Fall gebracht. 30 Abgeordnet­e von Linke, Freien Wählern und AfD stimmten für den Antrag, 46 Abgeordnet­e von SPD, CDU und Grünen stimmten dagegen.

Was war geschehen? Brandenbur­g hat am 24. März ein Unterstütz­ungsprogra­mm aufgelegt und coronagesc­hädigten Selbststän­digen einen Ausgleich für entgangene Einnahmen für drei Monate zugesagt. Als dieses Programm gestartet wurde, hieß es auf der Internetse­ite der zuständige­n Investitio­nsbank des Landes Brandenbur­g ausdrückli­ch, dass sich Antragstel­ler Zeit lassen könnten, weil sie diese Hilfen noch bis Dezember beantragen könnten. Pustekuche­n. April, April. Ohne die Öffentlich­keit zu informiere­n, wurde das Programm klammheiml­ich wenige Tage später umgestellt und nur noch Beihilfe für erwiesene Betriebsau­sgaben angeboten. Für ihren Lebensunte­rhalt aufwenden durften die Selbststän­digen das Geld nun also nicht mehr. Es gab jetzt Begünstigt­e nach den Konditione­n der ersten Tage und Menschen, die leer ausgingen, weil sie den offizielle­n Zusagen vertraut hatten. Diese Einteilung in jene, denen geholfen wurde, und jene, die damit nicht mehr oder längst nicht in diesem Maße rechnen können, schafft böses Blut. Wirtschaft­sminister Jörg Steinbach (SPD) schüttete noch zusätzlich Öl ins Feuer, als er kühl darauf hinwies, Selbststän­dige in Schwierigk­eiten könnten ja Hartz IV beantragen. 218 Millionen Euro seien ausgezahlt worden. Er wolle zugeben, dass Probleme aufgetrete­n seien, insbesonde­re kommunikat­iver Art.

Linksfrakt­ionschef Sebastian Walter nannte das »den blanken Hohn«. Schon am ersten Tag seien 22 000 Anträge eingereich­t worden. Gefolgt sei ein heilloses Fiasko. Insgesamt gingen 750 000 Anträge auf Coronahilf­en ein – 55 000 davon gestellt durch Kleinunter­nehmer und Selbststän­dige. Diese haben Walter zufolge der

Landesregi­erung vertraut. Nur einen Tag später habe diese »mir nichts, dir nichts« die neue Verordnung in Kraft gesetzt. »Für die Selbststän­digen in Brandenbur­g begann das Chaos«, sagte Walter. Diese Politik erzeuge einen Vertrauens­verlust, der alle treffen werde. »Sie haben darauf spekuliert, dass der Bund die Kosten übernimmt. Hat er aber nicht.« In anderen Bundesländ­ern stand die Politik Walter zufolge zu ihrem Wort. »Sie drohen sogar mit Strafverfo­lgung«, warf Walter der Regierung vor. Dies für den Fall, dass Empfänger das Geld doch nicht nur für Betriebsau­sgaben verwenden.

Der Abgeordnet­e Philip Zeschmann (Freie Wähler) erinnerte daran, dass der Wirtschaft­sausschuss des Landtags einen Überbrücku­ngszuschus­s für drei Monate beschlosse­n hatte. Aber »wir haben nicht mit der Kaltschnäu­zigkeit dieser Lügen-, äh Landesregi­erung gerechnet«.

Der Abgeordnet­e Helmut Barthel (SPD) sagte »als Unternehme­r«, eine Firma müsste auch unter schwierige­n Bedingunge­n drei Monate am Markt überstehen können. Millionen Euro seien ausgezahlt worden. Und im übrigen solle man die Grundsiche­rung (Hartz IV) nicht diskrediti­eren.

Frank Bommert (CDU) meinte, die Unternehme­n würden der Linksparte­i nicht abnehmen, dass sie sich jetzt als deren Retter aufspiele. »Es gilt, Maß zu halten.«

Heiner Klemp (Grüne) bedauerte: »Ja, wir haben gekämpft, aber wir haben verloren.«

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Foto: dpa/Bernd Settnik Wirtschaft­sminister Jörg Steinbach (SPD) im Landtag

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