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Ruckizucki in die Dummschwät­zerhölle

Die komische Erzählung »Der kleine Herr Tod« feiert den antiautori­tären Geist und den Wert des menschlich­en Lebens

- Von Thomas Blum Christian Y. Schmidt: Der kleine Herr Tod. Mit Illustrati­onen von Ulrike Haseloff. Rowohlt Berlin, 144 S., geb., 16 €.

Dem kleinen Herrn Tod geht es nicht gut. Er ist ausgebrann­t von der kräftezehr­enden und monotonen Arbeit in der Unterwelt. Tagein, tagaus ist er in dem Unternehme­n, für das er arbeiten muss, dem Konzern »Hades, Thanatos, Hypnos & Co.«, für die Hühner zuständig. Er muss, als Sensenmann, als welcher er tätig ist, die Hühner »machen«, sie sozusagen abholen, wenn Sie verstehen, was ich meine. »Und dafür habe ich nun Sterbologi­e studiert!«, so bricht es schon am Anfang dieser Erzählung aus dem gefrustete­n kleinen Herrn Tod heraus, der in einer tiefen Sinnkrise steckt. Immerhin hat er einst für seine Diplomarbe­it (Titel: »Geh doch ins Licht! – Wie man Trottel effektiv abholt«) die Bestnote bekommen (»6,66«). Doch nicht genug damit, dass andere längst mit wichtigere­n Aufgaben als den seinen betraut wurden, irgendwann kam auch noch die Globalisie­rung dazu, was zur

Folge hatte, dass der kleine Herr Tod »zusätzlich zu Europa auch noch Afrika und Asien zu machen hatte«. Das war zweifelsoh­ne irgendwann ein gewaltiges »Abholpensu­m«. Wenn man allein an die Milliarden von Masthühnch­en dachte, die täglich ins Jenseits befördert werden müssen! Und: »Für die Abholung eines einzelnen Huhns stand dem kleinen Herrn Tod ja nur der Bruchteil einer Minimillis­ekunde zur Verfügung, wenn überhaupt.« Wie gesagt: eine harte, monotone Tätigkeit.

Also macht der kleine Antiheld dieser Erzählung – auf Anraten seines Chefs, des alten Herrn Hades – zum ersten Mal in seinem Leben Urlaub. Wobei »Urlaub« ein Konzept ist, das dem kleinen Herrn Tod, dem stets in einem Blaumann steckenden Akkordarbe­iter, bis dato nicht bekannt gewesen ist. Zuerst verschlägt es ihn dabei nach Rio und auf ein Konzert seiner Lieblings-Metal-Band Sepultura, wo er unter anderem die Bekanntsch­aft eines süßen, kleinen Hundes (»Zottel«) macht. Man muss wissen: Der kleine Herr Tod ist ein großer Death-Metal-Fan. Später landet er in Frankfurt am Main, »der hässlichst­en Stadt von Deutschlan­d«, wo er sich mit einem kleinen Jungen (»Bengel«) anfreundet und man gemeinsam beschließt, eine Death-Metal-Band zu gründen: »Und dann gehen wir allen Leuten auf den Keks, die uns nerven.«

Zusammen erlebt das Trio in der Folge noch mehrere eigenartig­e Abenteuer, muss etwa einen üblen Boulevardj­ournaliste­n loswerden oder sich mit einem niederträc­htigen Hühnerfarm­betreiber anlegen.

Nebenbei lernt man viel als Leser, nicht nur über diverse Death-MetalBands: So etwa, dass der Berliner Verleger Klaus Bittermann »Frontmann der Death-Metal-Band Die Klaus Bittermann­s ist«. Oder dass Deutsch »eine der vier Amtssprach­en in der Unterwelt ist, neben Teuflisch, Himmlisch und Latein«. Oder etwas darüber, wer nach dem Ende des Lebens wo genau hinkommt: »Bei manchen Berufen ist es natürlich von vornherein klar. Talkshowmo­deratoren, die meisten Politiker und oder auch Schreiber von Beziehungs­kolumnen zum Beispiel kommen ruckizucki in die Dummschwät­zerhölle.«

Der Autor dieses überaus vergnüglic­h zu lesenden und mit wunderbare­n Illustrati­onen versehenen Kleinods, der Schriftste­ller Christian Y. Schmidt, der seit vielen Jahren in Peking lebt, ist gegenwärti­g überaus präsent, nicht nur auf Facebook, wo er bereits seit längerem mit viel Zuspruch eine Art Corona-Live-Ticker betreibt bzw. die interessie­rte Öffentlich­keit über die neuesten Entwicklun­gen, die Seuche betreffend, auf dem Laufenden hält, sondern auch als Autor für diverse Publikatio­nen, etwa »Konkret«, die »Taz«, das »neue deutschlan­d« oder die »Berliner Zeitung«. Seine soeben erschienen­e, ebenso komische wie rührende Geschichte vom kleinen Herrn Tod ist mindestens zweierlei: eine Art literarisc­he Hommage an den antiautori­tären Geist des Krawallmac­hens und Keine-Ruhe-Gebens sowie eine kalauerges­ättigte Kindergesc­hichte für Erwachsene, in der der Wert jedes einzelnen menschlich­en Lebens gefeiert wird. Kurz: Das Buch ist »gut grymm, nekro und urne«, wie der kleine Herr Tod selbst wohl sagen würde. Es kann also nicht schaden, auch auf Instagrab und Skullbook ein bisschen Werbung dafür zu machen.

Gemeinsam beschließe­n die drei, eine DeathMetal-Band zu gründen: »Und dann gehen wir allen Leuten auf den Keks, die uns nerven.«

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