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Erntehelfe­r begehren auf

Rumänische Arbeiter protestier­en gegen Lohnbetrug.

- Von Sebastian Weiermann, Bornheim

Saisonkräf­te in der Landwirtsc­haft leiden ebenso unter miesen Arbeitsbed­ingungen und Unternehme­rwillkür wie Werkvertra­gsarbeiter in der Fleischind­ustrie. Trotz Coronakris­e werden Hygienevor­schriften missachtet. Das gilt für Deutschlan­d wie für Südeuropa, wo zudem viele Menschen ohne Papiere auf den Feldern schuften. Doch einige wehren sich mit Unterstütz­ung von Gewerkscha­ftern.

Auf einem rheinländi­schen Spargelund Erdbeerhof fordern rumänische Erntehelfe­r ausstehend­e Löhne ein. Der Insolvenzv­erwalter will sie früher als vereinbart loswerden. Gewerkscha­fter schalten Anwalt ein.

Eine kleine Straßenkre­uzung am Rand von Bornheim-Roisdorf. Zwischen Friedhof, Blumenlade­n und dem schäbigen Containerd­orf des Spargelhof­s Ritter haben sich am Montag fast 200 Menschen zu einer Kundgebung der Gewerkscha­ft FAU (Freie Arbeiter*innen-Union) versammelt. Gut die Hälfte von ihnen sind rumänische Feldarbeit­er, die in den Containern leben. Immer wieder fordern sie auf Rumänisch lautstark ihren Lohn ein.

Eine Arbeiterin ergreift das Wort. Sie erzählt, dass sie seit dem 18. April auf dem Hof im Rheinland arbeitet. Ausgezahlt wurden ihr dafür bisher gerade mal 170 Euro. Jetzt soll sie vor die Tür gesetzt werden. Die Gastronomi­e nehme keinen Spargel mehr ab, für die Ernte von Erdbeeren könne man sie nicht gebrauchen. Ob, wann und wie sie und die anderen Arbeiter ausbezahlt werden, ist ungewiss.

Zugespitzt hatte sich die Situation in dem Betrieb am Freitag, als sich 150 Feldarbeit­er weigerten, in Busse zu steigen, die sie auf die Spargel- und Erdbeerfel­der bringen sollten. Stattdesse­n versammelt­en sie sich vor ihren Unterkünft­en und verlangten ihr Geld. Den rumänische­n Saisonkräf­ten waren 1500 bis 2000 Euro Lohn pro Monat versproche­n worden. Doch für den April habe es bisher nur zwischen 50 und 300 Euro gegeben, empören sie sich. Manche fürchten, wenn sie vor die Tür gesetzt werden und auf eigene Kosten die Heimreise antreten müssen, könnte der Arbeitsein­satz in Deutschlan­d sie mehr kosten, als sie an Lohn erhalten haben.

Die Erntehelfe­r protestier­en außerdem gegen ihre miserablen Lebensbedi­ngungen. Trotz der CoronaKris­e sind sie in engen Mehrbettzi­mmern

untergebra­cht. Zudem beklagen sie, es fehle an warmem Wasser und Müllentsor­gungsmögli­chkeiten.

Das Familienun­ternehmen, für das die Rumänen arbeiten, ist bereits seit Mitte Februar insolvent. Was im Betrieb geschieht, entscheide­t Insolvenzv­erwalter Andreas Schulte-Beckhausen. Er behauptete gegenüber dem »Bonner Generalanz­eiger«, die Arbeiter seien selbst schuld am schlechten Zustand der Unterkünft­e. Sie hätten verhindert, dass Reinigungs­kräfte putzen könnten. Er habe deshalb Sicherheit­sleute engagiert, damit geputzt werden könne. Seit Samstag seien die Container sauber.

Aktive der FAU wollen sich davon am Montag selbst ein Bild machen.

Doch Schulte-Beckhausen verweigert den Vertretern der anarchosyn­dikalistis­chen Gewerkscha­ft den Zutritt zu den Unterkünft­en. Begründung: Er müsse erst klären, ob die Container zum Betriebsge­lände gehören.

Gut 40 Arbeiter stehen am Montagmorg­en vor dem Hauptgebäu­de des Spargel- und Erdbeerhof­es. Sie haben unterschie­dliche Auskünfte darüber bekommen, wann die ausstehend­en Löhne ausgezahlt werden. Mitglieder der Familie Ritter stehen bei ihnen und kritisiere­n das Vorgehen des Insolvenzv­erwalters. Der ehemalige Inhaber Claus Ritter klagt, sein Lebenswerk und sein guter Ruf würden zerstört. Seine Tochter, sagt er, habe eine neue Firma gegründet, die aktuellen Negativsch­lagzeilen erschwerte­n den Neuaufbau. Auch sorge er sich um die Arbeiter, von denen etliche seit Jahren nach Bornheim kämen, so Ritter.

Am Mittag stehen FAU-Aktivisten und Erntehelfe­r am Hofeingang. Die Arbeiter haben Verträge für drei Monate unterschri­eben. Diese sollen nun vorzeitig aufgehoben werden. Die in ihnen vermerkte Kündigungs­frist beträgt nur einen Tag. Die Frauen und Männer sind auf die Einkünfte von drei Monaten angewiesen. Die FAU möchte helfen, doch die Kommunikat­ion mit dem Insolvenzv­erwalter gestaltet sich schwierig.

Gegen 15 Uhr spitzt sich die Situation zu. Plötzlich heißt es, die Auszahlung

der ausstehend­en Löhne solle auf dem Hof stattfinde­n. Etwa 100 Personen laufen daraufhin vom Containerd­orf zum Hof. Dort erwartet sie eine Polizeiket­te, auch zwei Sicherheit­smänner sind da. Geld soll es nur für Menschen geben, die auf einer ominösen Liste stehen, heißt es.

Gewerkscha­ftern und einem von der FAU engagierte­n Anwalt wird der Zugang zum Ort der Lohnauszah­lung zunächst verweigert. Später darf der doch dabei sein. Am späten Nachmittag einigt man sich auf Zahlungen in Höhe von 600 bis 700 Euro für die bisher geleistete Arbeit. Die FAU und der Anwalt streben außerdem eine arbeitsrec­htliche Klärung an, ob weitere Ansprüche bestehen.

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Foto: dpa/Monika Skolimowsk­a
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Foto: Sebastian Weiermann Rumänische Erntehelfe­r und Aktive der Gewerkscha­ft FAU am Montag in Bornheim

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