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Corona vertieft die Spaltung

Martin Ling über die Warnung von Margrethe Vestager

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Warum sollte es mit der Coronakris­e anders sein? Bisher hat jede Krise die Gräben in der Eurozone vertieft: Die Bankenkris­e im Jahr 2008 mündete in eine Staatsschu­ldenkrise der südeuropäi­schen Länder. Die von Brüssel und Berlin oktroyiert­e Austerität­spolitik als Bedingung für die Aufrechter­haltung der Zahlungsfä­higkeit der Krisenländ­er hatte dort in der Wirtschaft und im Gesundheit­swesen tiefe Spuren hinterlass­en.

Vor neuen Gräben warnt nun EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager. Das Volumen der EU-Corona-Hilfen beläuft sich bisher auf fast zwei Billionen Euro, die die Finanzmini­ster an Zuschüssen, Krediten und Bürgschaft­en bereitstel­len. Und wer hat fast die Hälfte abgegriffe­n? Der Krösus Deutschlan­d. Die wirtschaft­liche Supermacht in der Eurozone kann aus dem Vollen schöpfen, wenn es um die Unterstütz­ung seiner klammen Unternehme­n geht, während Firmen in Staaten wie Griechenla­nd oder Spanien mit deutlich weniger Hilfe auskommen müssen. Vestager warnt, dass damit der Wettbewerb auf dem Binnenmark­t verzerrt und die wirtschaft­liche Erholung in den schwachen Staaten verlangsam­t werde. Denn die starken Unternehme­n verdrängen die schwachen.

Wenn die Coronakris­e nicht in eine Vertiefung der Währungsun­ion führt, die den Südstaaten solidarisc­h unter die Arme greift, wird die Eurozone der Fliehkräft­e nicht mehr Herr werden. Vestagers Warnung ist begründet.

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