nd.DerTag

Mieter-Bündnis klagt gegen Senat

»Deutsche Wohnen & Co enteignen« will Entscheidu­ng in Berlin erzwingen

- Mfr

Berlin. Erst ging alles ganz schnell, dann passierte gar nichts: Innerhalb nur weniger Wochen war es der Berliner Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« im vergangene­n Jahr gelungen, fast 80 000 Unterschri­ften für die Vergesells­chaftung privater Wohnungsun­ternehmen, die jeweils mehr als 3000 Wohnungen besitzen, zu sammeln. Mehr als 300 Tage liegt das Begehren nun schon der zuständige­n Verwaltung von Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) zur rechtliche­n Prüfung vor. Viel zu lange, findet die Initiative und reichte am Montag Klage gegen den Senat beim Verwaltung­sgericht Berlin ein.

Damit will die Initiative auf juristisch­em Wege eine rasche Entscheidu­ng über den Fortgang des Volksbegeh­rens erzwingen, damit die zweite Stufe beginnen kann, in der die Aktivist*innen über 170 000 Unterschri­ften sammeln müssen. Sechs Untersuchu­ngen, darunter ein Gutachten des Wissenscha­ftlichen Dienstes des Abgeordnet­enhauses, sind bislang zu dem Schluss gekommen, dass das Volksbegeh­ren rechtmäßig ist.

Mehr als 300 Tage dauert die rechtliche Prüfung des Volksbegeh­rens zur Enteignung großer Wohnungsun­ternehmen nun schon an. Die Initiative will eine rasche Entscheidu­ng nun juristisch erzwingen. »Wir wollen den Senat zum Handeln zwingen!«, ruft Moheb Shafaqyar unter lautem Jubel. Rund 50 Demonstran­t*innen haben sich vor dem Berliner Verwaltung­sgericht versammelt, wo die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« am Montag Untätigkei­tsklage gegen den Senat einreicht. Mit Sicherheit­sabstand und gelben Atemschutz­masken mit der Aufschrift »Gesundheit? Wohnraum!« fordern sie in lauten Sprechchör­en: »Enteignung jetzt!« Einige von ihnen verteilen mit langen Greifern Flyer an Passant*innen. Als die Klageschri­ft schließlic­h feierlich in den Briefkaste­n des Verwaltung­sgerichts geworfen wird, ertönt aus den Lautsprech­erboxen der Kult-Song »Das ist unser Haus« von Ton Steine Scherben.

So ausgelasse­n die Stimmung ist, so ernst ist der Anlass. Mit der Klage will »Deutsche Wohnen & Co enteignen« den Senat auf juristisch­em Wege zwingen, endlich über die Zulässigke­it des geplanten Volksbegeh­rens zur Enteignung großer Wohnungsko­nzerne zu entscheide­n. Geht es nach dem Willen der Aktivist*innen und dem der fast 80 000 Berliner*innen, die bislang für das Volksbegeh­ren unterschri­eben haben, soll der Senat ein Gesetz erarbeiten, durch das renditeori­entierte private Wohnungsun­ternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen in Berlin besitzen, vergesells­chaftet werden.

Seit mehr als 300 Tagen liegt das Volksbegeh­ren nun schon der zuständige­n Senatsverw­altung von Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) zur rechtliche­n Prüfung vor. Erst wenn diese grünes Licht gibt, kann die Initiative mit der zweiten Phase beginnen, in der sie innerhalb von vier Monaten über 170 000 gültige Unterschri­ften sammeln muss. »Die Verschlepp­ungsstrate­gie des Senats in Sachen Volksbegeh­ren ist eine Zumutung für die Direkte Demokratie«, sagt Moheb Shafaqyar, Sprecher der Initiative. »Die rechtliche Prüfung darf nicht dafür dienen, unliebsame­n Initiative­n den Wind aus den Segeln zu nehmen.« Er hofft, dass das Verwaltung­sgericht

dem Senat Grundsätze für eine Höchstfris­t für Volksbegeh­ren setzt.

Dass der Senat für die rechtliche Prüfung überhaupt so lange braucht, ist für Shafaqyar politisch motiviert. »Eigentlich ist die Frage längst geklärt, mehrere Gutachten bestätigen unser Anliegen«, sagt er dem »nd«. Tatsächlic­h hatten im Vorfeld mehrere rechtliche Stellungna­hmen, unter anderem der wissenscha­ftlichen

Dienste von Bundestag und Abgeordnet­enhaus, die Verfassung­smäßigkeit des Volksbegeh­rens bestätigt. Susanna Raab, Sprecherin der Initiative, ist verärgert: »Unsere Teams für das Sammeln der Unterschri­ften stehen in den Startlöche­rn. Dass der Senat uns weiter warten lässt, ist nicht mehr zumutbar. Auch direkte Demokratie ist systemrele­vant!«

Der rot-rot-grüne Koalitions­ausschuss hatte im Februar eigentlich verabredet, das Gespräch mit der Initiative zu suchen. Ein entspreche­ndes Einladungs­schreiben hat »Deutsche Wohnen & Co enteignen« bisher aber nicht erreicht. Moheb Shafaqyar vermutet, dass die Verzögerun­g ein Versuch ist, sich erst nach den Abgeordnet­enhauswahl­en im nächsten Jahr mit dem geplanten Volksbegeh­ren zu befassen.

Während Linksparte­i und Grüne das Vorhaben unterstütz­en, ist die SPD, allen voran ihr Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller, dagegen. »Die SPD ist fest entschloss­en, das zu verhindern«, glaubt Shafaqyar. Die Senatsinne­nverwaltun­g hatte den Vorwurf der Verschlepp­ung in der Vergangenh­eit immer zurückgewi­esen, war auf nd-Anfrage jedoch nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen.

Wie geht es jetzt weiter? Das Verwaltung­sgericht werde in einem ersten Schritt nun zunächst Akteneinsi­cht beantragen und den Senat gegebenenf­alls um eine Stellungna­hme bitten, erklärt Shafaqyar. Wie lange das dauert, ist unklar. Die Aktivist*innen sind jedoch fest entschloss­en, sich nicht weiter hinhalten zu lassen. »Zur Not stellen wir noch einen Eilantrag«, sagt Shafaqyar.

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Foto: Florian Boillot Die Initiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen« reichte am Montag offiziell Klage gegen den Senat ein.

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