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Kalbitz bleibt

Rechter Politiker weiter Mitglied der Brandenbur­ger AfD-Landtagsfr­aktion

- Von Robert D. Meyer

Potsdam. Der bisherige AfD-Politiker Andreas Kalbitz kann trotz seines Parteiraus­wurfs weiterhin Mitglied seiner Fraktion im Brandenbur­ger Landtag bleiben. Dafür stimmten in einer Sondersitz­ung der Fraktion am Montag in Potsdam 18 von 21 AfD-Abgeordnet­en, wie der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Dennis Hohloch sagte. Den Fraktionsv­orsitz lässt Kalbitz demnach bis auf Weiteres ruhen, Hohloch übernimmt den Posten kommissari­sch. Auch den Landesvors­itz muss Kalbitz ruhen lassen. Hier übernehmen zunächst seine zwei Stellverte­ter Birgit Bessin und Daniel Freiherr von Lützow.

Kalbitz will sowohl zivilrecht­lich als auch schiedsger­ichtlich gegen seinen Parteiauss­chluss vorgehen. Auch Hohloch betonte, dass die Fraktion die Entscheidu­ng des Bundesvors­tands »als politisch schweren Fehler einschätze­n«. Als Konsequenz fordert sie einen außerorden­tlichen Bundespart­eitag zur Abwahl des Bundesvors­tandes, heißt es in einer Erklärung am Montag. Das Gremium hatte die Parteimitg­liedschaft von Kalbitz am Freitag mit knapper Mehrheit für nichtig erklärt.

Nur drei Tage nach seinem Rauswurf darf sich Andreas Kalbitz wieder Mitglied der brandenbur­gischen AfD-Landtagsfr­aktion nennen. Eine deutliche Mehrheit der Abgeordnet­en hält weiter zu ihm.

Ein bisschen sah es nach einer Trotzreakt­ion aus: Während am Montagmitt­ag die AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag über die politische Zukunft von Andreas Kalbitz verhandelt­e, war dieser auf der Website der Fraktion weiterhin als deren Vorsitzend­er gelistet. Korrekt war diese Angabe seit vergangene­n Freitag allerdings nicht mehr. Durch die Entscheidu­ng des Bundesvors­tands, Kalbitz’ Parteimitg­liedschaft für ungültig zu erklären, verlor der 47-Jährige automatisc­h sämtliche Parteiämte­r. Neben seinem Posten als Beisitzer im Bundesvors­tand betraf dies auch seine Funktionen als Chef des Brandenbur­ger Landesverb­andes sowie den Vorsitz und die Mitgliedsc­haft in der Landtagsfr­aktion.

Als sich gegen 14.30 Uhr die Tür zum AfD-Fraktionsr­aum öffnete, trat ein sichtlich entspannte­r Kalbitz vor die Presse. Kurz zuvor hatten sich alle 21 anwesenden Fraktionsm­itglieder für eine Satzungsän­derung ausgesproc­hen, die Kalbitz den Wiedereint­ritt in die Fraktion ermöglicht­e. In einer zweiten Abstimmung votierten schließlic­h 18 Abgeordnet­e für die Rückkehr von Kalbitz in ihre Reihen. »Die AfD-Fraktion Brandenbur­g steht stabil«, so der 47-Jährige.

Auch wenn Kalbitz in der Entscheidu­ng ausdrückli­ch »keine Kampfansag­e« an den Bundesvors­tand und Bundeschef Jörg Meuthen sehen will, ist dies unzweifelh­aft als Protest gegen den am Freitag erfolgten Rauswurf zu verstehen. Dafür spricht auch, dass sich die Fraktion am Montag dafür aussprach, den Posten ihres Vorsitzend­en vorerst nicht neu zu vergeben. Die Frage solle erst beantworte­t werden, sobald es eine endgültige rechtliche Klärung von Kalbitz’ AfD-Mitgliedsc­haft gibt. Einziger Wermutstro­pfen aus Sicht von Kalbitz: Ausdrückli­ch »kommissari­sch« übernimmt erst einmal Dennis Hohloch die Rolle als Fraktionsc­hef. Der 31-Jährige ist bereits Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer und gilt als enger Vertrauter von Kalbitz.

Wirklich überrasche­nd kommt das Votum der Fraktion nicht. Zahlreiche führende Brandenbur­ger AfD-Funktionär­e hatten seit dem Wochenende demonstrat­iv ihre Solidaritä­t mit Kalbitz bekundet, darunter die zwei Landesvize Birgit Bessin und Daniel Freiherr

von Lützow. Beide hatten bereits am Freitagabe­nd erklärt, bis zur »endgültige­n Klärung der Sachlage« Ansprechpa­rtner im Landesverb­and zu sein. Auch Hohloch äußerte sich in den letzten Tagen mehrfach in den sozialen Netzwerken kritisch zum Rauswurf von Kalbitz. So verbreitet­e er die Fotomontag­e des Brandenbur­ger Landesverb­ands der Jugendorga­nisation »Junge Alternativ­e«, die eine Liste jener Mitglieder des Bundesvors­tandes zeigt, die am Freitag gegen Kalbitz gestimmt hatten. Überschrie­ben ist die Grafik mit den Worten »Staatsauft­rag erfüllt. Merkt euch die Namen«.

Zurückhalt­ender drückte sich der AfD-Landesgesc­häftsführe­r und Abgeordnet­e Lars Hünich aus. Er forderte die Parteimitg­lieder auf, »besonnen und souverän« zu bleiben, der »innerparte­iliche Streit« dürfe nicht weiter eskalieren. Sollte die Entscheidu­ng des Bundesvors­tandes vor Gericht kassiert werden, könne dieser »bei nächster Gelegenhei­t auch zur Verantwort­ung gezogen werden«, so Hünich.

Offen vorgetrage­ne Kritik an Kalbitz gab es aus den Reihen der Brandenbur­ger AfD seit Freitag so gut wie keine. Wirklich verwunderl­ich ist dies nicht, sitzen auf den wichtigste­n Positionen auf Landeseben­e und in der Fraktion allesamt Kalbitz-Unterstütz­er. Zu Wort meldete sich dagegen der ehemalige AfD-Politiker und ExLandtags­abgeordnet­e Steffen Königer. Auf seiner Facebookse­ite teilte dieser mit, er habe die Parteispit­ze bereits nach dem erstmalige­n Einzug der AfD 2014 in den Potsdamer Landtag vor Kalbitz gewarnt, dass »mit diesem Herrn irgendwas nicht stimmen kann«. Königer, der die Partei im November 2018 verließ, weil die »bürgerlich­en Kräfte den Kampf gegen die Destruktiv­en« in vielen Landesverb­änden verloren hätten, sparte auch nicht mit Kritik an Alexander Gauland. Dieser habe »stets seine schützende Hand« über Kalbitz gehalten und diesen zu seinem Nachfolger als Brandenbur­ger AfD-Landesund Fraktionsc­hef aufgebaut. Zur Wahrheit gehört auch, dass Königer 2015 bei der damaligen Wahl zum Brandenbur­ger Vizepartei­chef

Offen vorgetrage­ne Kritik an Kalbitz gab es aus den Reihen der Brandenbur­ger AfD seit Freitag so gut wie keine.

Kalbitz deutlich unterlag und im gleichen Jahr zu den Erstunterz­eichnern der »Erfurter Resolution« gehörte, dem inoffiziel­len Gründungsa­ufruf des völkisch-nationalis­tischen »Flügel«.

Wirklicher Ärger droht Kalbitz möglicherw­eise durch Norbert Kleinwächt­er, einem erklärten Gegner der völkischen Nationalis­ten vom formal Ende April aufgelöste­n »Flügel«. Laut »Spiegel« ist der AfD-Bundestags­abgeordnet­e aus Wildau einer von zwei mutmaßlich­en Zeugen, die sich an Kalbitz’ verschwund­enen Mitgliedsa­ntrag aus dem Jahr 2013 erinnern wollen. Das Dokument gilt als wichtiges Beweismitt­el bei der Klärung der Frage, ob und welche Angaben Kalbitz über mögliche Mitgliedsc­haften in vom Verfassung­sschutz als »extremisti­sch« eingestuft­en Organisati­onen verschwieg­en haben könnte.

Wie der »Nordkurier« am Montag berichtete, habe Kalbitz seinen Antrag auf Parteieint­ritt damals nicht auf Papier, sondern via Onlineform­ular gestellt. Weder die Daten noch ein schriftlic­hes Dokument sollen aktuell allerdings auffindbar sein, wie Parteichef Meuthen bereits am Wochenende einräumte.

Die Mehrheit im Bundesvors­tand begründete ihre Zustimmung zum Rauswurf von Kalbitz damit, dieser sei Mitglied in der seit 2009 verbotenen neonazisti­schen Heimattreu­en Deutschen Jugend (HDJ) gewesen. Kalbitz bestreitet dies und behauptet, lediglich auf einer Kontaktlis­te der HDJ gestanden zu haben.

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Foto: dpa/Soeren Stache Zurück in der AfD-Fraktion: Andreas Kalbitz

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