Kalbitz bleibt
Rechter Politiker weiter Mitglied der Brandenburger AfD-Landtagsfraktion
Potsdam. Der bisherige AfD-Politiker Andreas Kalbitz kann trotz seines Parteirauswurfs weiterhin Mitglied seiner Fraktion im Brandenburger Landtag bleiben. Dafür stimmten in einer Sondersitzung der Fraktion am Montag in Potsdam 18 von 21 AfD-Abgeordneten, wie der parlamentarische Geschäftsführer Dennis Hohloch sagte. Den Fraktionsvorsitz lässt Kalbitz demnach bis auf Weiteres ruhen, Hohloch übernimmt den Posten kommissarisch. Auch den Landesvorsitz muss Kalbitz ruhen lassen. Hier übernehmen zunächst seine zwei Stellverteter Birgit Bessin und Daniel Freiherr von Lützow.
Kalbitz will sowohl zivilrechtlich als auch schiedsgerichtlich gegen seinen Parteiausschluss vorgehen. Auch Hohloch betonte, dass die Fraktion die Entscheidung des Bundesvorstands »als politisch schweren Fehler einschätzen«. Als Konsequenz fordert sie einen außerordentlichen Bundesparteitag zur Abwahl des Bundesvorstandes, heißt es in einer Erklärung am Montag. Das Gremium hatte die Parteimitgliedschaft von Kalbitz am Freitag mit knapper Mehrheit für nichtig erklärt.
Nur drei Tage nach seinem Rauswurf darf sich Andreas Kalbitz wieder Mitglied der brandenburgischen AfD-Landtagsfraktion nennen. Eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten hält weiter zu ihm.
Ein bisschen sah es nach einer Trotzreaktion aus: Während am Montagmittag die AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag über die politische Zukunft von Andreas Kalbitz verhandelte, war dieser auf der Website der Fraktion weiterhin als deren Vorsitzender gelistet. Korrekt war diese Angabe seit vergangenen Freitag allerdings nicht mehr. Durch die Entscheidung des Bundesvorstands, Kalbitz’ Parteimitgliedschaft für ungültig zu erklären, verlor der 47-Jährige automatisch sämtliche Parteiämter. Neben seinem Posten als Beisitzer im Bundesvorstand betraf dies auch seine Funktionen als Chef des Brandenburger Landesverbandes sowie den Vorsitz und die Mitgliedschaft in der Landtagsfraktion.
Als sich gegen 14.30 Uhr die Tür zum AfD-Fraktionsraum öffnete, trat ein sichtlich entspannter Kalbitz vor die Presse. Kurz zuvor hatten sich alle 21 anwesenden Fraktionsmitglieder für eine Satzungsänderung ausgesprochen, die Kalbitz den Wiedereintritt in die Fraktion ermöglichte. In einer zweiten Abstimmung votierten schließlich 18 Abgeordnete für die Rückkehr von Kalbitz in ihre Reihen. »Die AfD-Fraktion Brandenburg steht stabil«, so der 47-Jährige.
Auch wenn Kalbitz in der Entscheidung ausdrücklich »keine Kampfansage« an den Bundesvorstand und Bundeschef Jörg Meuthen sehen will, ist dies unzweifelhaft als Protest gegen den am Freitag erfolgten Rauswurf zu verstehen. Dafür spricht auch, dass sich die Fraktion am Montag dafür aussprach, den Posten ihres Vorsitzenden vorerst nicht neu zu vergeben. Die Frage solle erst beantwortet werden, sobald es eine endgültige rechtliche Klärung von Kalbitz’ AfD-Mitgliedschaft gibt. Einziger Wermutstropfen aus Sicht von Kalbitz: Ausdrücklich »kommissarisch« übernimmt erst einmal Dennis Hohloch die Rolle als Fraktionschef. Der 31-Jährige ist bereits Parlamentarischer Geschäftsführer und gilt als enger Vertrauter von Kalbitz.
Wirklich überraschend kommt das Votum der Fraktion nicht. Zahlreiche führende Brandenburger AfD-Funktionäre hatten seit dem Wochenende demonstrativ ihre Solidarität mit Kalbitz bekundet, darunter die zwei Landesvize Birgit Bessin und Daniel Freiherr
von Lützow. Beide hatten bereits am Freitagabend erklärt, bis zur »endgültigen Klärung der Sachlage« Ansprechpartner im Landesverband zu sein. Auch Hohloch äußerte sich in den letzten Tagen mehrfach in den sozialen Netzwerken kritisch zum Rauswurf von Kalbitz. So verbreitete er die Fotomontage des Brandenburger Landesverbands der Jugendorganisation »Junge Alternative«, die eine Liste jener Mitglieder des Bundesvorstandes zeigt, die am Freitag gegen Kalbitz gestimmt hatten. Überschrieben ist die Grafik mit den Worten »Staatsauftrag erfüllt. Merkt euch die Namen«.
Zurückhaltender drückte sich der AfD-Landesgeschäftsführer und Abgeordnete Lars Hünich aus. Er forderte die Parteimitglieder auf, »besonnen und souverän« zu bleiben, der »innerparteiliche Streit« dürfe nicht weiter eskalieren. Sollte die Entscheidung des Bundesvorstandes vor Gericht kassiert werden, könne dieser »bei nächster Gelegenheit auch zur Verantwortung gezogen werden«, so Hünich.
Offen vorgetragene Kritik an Kalbitz gab es aus den Reihen der Brandenburger AfD seit Freitag so gut wie keine. Wirklich verwunderlich ist dies nicht, sitzen auf den wichtigsten Positionen auf Landesebene und in der Fraktion allesamt Kalbitz-Unterstützer. Zu Wort meldete sich dagegen der ehemalige AfD-Politiker und ExLandtagsabgeordnete Steffen Königer. Auf seiner Facebookseite teilte dieser mit, er habe die Parteispitze bereits nach dem erstmaligen Einzug der AfD 2014 in den Potsdamer Landtag vor Kalbitz gewarnt, dass »mit diesem Herrn irgendwas nicht stimmen kann«. Königer, der die Partei im November 2018 verließ, weil die »bürgerlichen Kräfte den Kampf gegen die Destruktiven« in vielen Landesverbänden verloren hätten, sparte auch nicht mit Kritik an Alexander Gauland. Dieser habe »stets seine schützende Hand« über Kalbitz gehalten und diesen zu seinem Nachfolger als Brandenburger AfD-Landesund Fraktionschef aufgebaut. Zur Wahrheit gehört auch, dass Königer 2015 bei der damaligen Wahl zum Brandenburger Vizeparteichef
Offen vorgetragene Kritik an Kalbitz gab es aus den Reihen der Brandenburger AfD seit Freitag so gut wie keine.
Kalbitz deutlich unterlag und im gleichen Jahr zu den Erstunterzeichnern der »Erfurter Resolution« gehörte, dem inoffiziellen Gründungsaufruf des völkisch-nationalistischen »Flügel«.
Wirklicher Ärger droht Kalbitz möglicherweise durch Norbert Kleinwächter, einem erklärten Gegner der völkischen Nationalisten vom formal Ende April aufgelösten »Flügel«. Laut »Spiegel« ist der AfD-Bundestagsabgeordnete aus Wildau einer von zwei mutmaßlichen Zeugen, die sich an Kalbitz’ verschwundenen Mitgliedsantrag aus dem Jahr 2013 erinnern wollen. Das Dokument gilt als wichtiges Beweismittel bei der Klärung der Frage, ob und welche Angaben Kalbitz über mögliche Mitgliedschaften in vom Verfassungsschutz als »extremistisch« eingestuften Organisationen verschwiegen haben könnte.
Wie der »Nordkurier« am Montag berichtete, habe Kalbitz seinen Antrag auf Parteieintritt damals nicht auf Papier, sondern via Onlineformular gestellt. Weder die Daten noch ein schriftliches Dokument sollen aktuell allerdings auffindbar sein, wie Parteichef Meuthen bereits am Wochenende einräumte.
Die Mehrheit im Bundesvorstand begründete ihre Zustimmung zum Rauswurf von Kalbitz damit, dieser sei Mitglied in der seit 2009 verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) gewesen. Kalbitz bestreitet dies und behauptet, lediglich auf einer Kontaktliste der HDJ gestanden zu haben.