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Krise ersetzt keine Politik

Österreich­s Umweltmini­sterin Gewessler möchte in der Corona-Pandemie die wirtschaft­lichen Ziele neu setzen

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Die ÖVP will die Coronakris­e nutzen, um den Koalitions­vertrag mit Ihren Grünen nachzuverh­andeln. Erstes Opfer sollen die Umweltziel­e sein. Hat Ihnen diese Krise einen Strich durch die Rechnung gemacht oder steckt in den gegenwärti­gen Veränderun­gen auch eine Chance? Was man in der Coronakris­e gerade spürt, ist, wie sich Krise anfühlt. Wir sehen aber auch, dass man die Coronakris­e mit Konsequenz, mit Durchhalte­vermögen, mit dem Hören auf die Wissenscha­ft und bald hoffentlic­h auch mit einer Impfung in den Griff bekommen kann. Aber wenn die Klimakrise einmal da ist, dann bleibt sie und dann wird der Krisenzust­and zum Dauerzusta­nd. Impfung wird es dagegen keine geben. Daher ist es so wichtig, den Weg aus der Coronakris­e dafür zu nützen, die Weichen richtig zu stellen. Nicht nur im Kampf gegen die Arbeitsmar­kt- und Wirtschaft­skrise, sondern auch im Kampf gegen die Klimakrise. Und da bin ich sehr zuversicht­lich.

Aber nehmen Sie denn ein großes Bekenntnis zu diesem Thema seitens Ihres Koalitions­partners wahr? Wir stehen beim Weg aus dieser Krise wirklich vor einer außergewöh­nlichen Situation: Aber das bedeutet,

Leonore Gewessler ist Ministerin für Klimaschut­z, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation, und Technologi­e – und damit quasi die grüne Gralshüter­in der Regierung in Wien. Ihre Themen werden vom Koalitions­partner ÖVP in der mit der Coronakris­e einhergehe­nden Wirtschaft­skrise zuletzt vermehrt als Verhandlun­gsmasse bezeichnet. Im Interview mit Stefan Schocher erklärt sie, wie sie die Coronakris­e für eine Umgestaltu­ng der Wirtschaft nutzen will. wir werden klug investiere­n müssen. Und klug investiere­n heißt, jetzt in den Klimaschut­z zu investiere­n. Denn Klimaschut­z ist das beste und zukunftswe­isendste Konjunktur­programm. Klimaschut­z ist eine tragende Säule des Konjunktur­programms – der gesamten Bundesregi­erung selbstvers­tändlich.

Im Regierungs­abkommen kommt das Wort Klima 243 Mal vor. Und da ist jetzt immer öfter die Rede davon, dass man dieses Abkommen nachverhan­deln wird. Wo ist da Spielraum?

Das Regierungs­programm steht. Aber natürlich diskutiere­n wir jetzt darüber, welche Maßnahmen wir aufgrund der aktuellen Situation vorziehen können. Und da sind auch Klimaschut­zmaßnahmen dabei. Beispiel Infrastruk­tur: Wenn ich Bahninfras­truktur baue, schaffe oder sichere ich nicht nur Arbeitsplä­tze. Ich schaffe nachhaltig­e Investitio­nen in den Klimaschut­z und vor allem auch regionale und lokale Wertschöpf­ung.

Die Finanzlage ist völlig unklar. Und Ihr Ressort ist eines, in das die ganz großen Ausgaben hineinfall­en: Bahnausbau, Infrastruk­tur. Wie kann man da arbeiten?

Wir diskutiere­n ja gerade das Budget 2020 im Haushaltsa­usschuss. Da sind einige deutliche Schwerpunk­te im Klimaschut­z aus dem Regierungs­programm jetzt schon abgebildet: zentrale Maßnahmen wie eben der Bahnausbau oder die Förderung der aktiven Mobilität, die Energiewen­de, die thermische Sanierung. Und gerade beim Infrastruk­turausbau gibt es ja langfristi­ge Planungssi­cherheit durch langfristi­ge Investitio­nspläne.

Lässt sich eine Gesellscha­ft durch eine Krise wirklich fundamenta­l ändern?

Selbstvers­tändlich können sich Gesellscha­ften verändern. Krisen sind immer Zäsuren. Es sind auch Zeiten, in denen man sich auf dem Weg aus der Krise sehr bewusst für Weichenste­llungen entscheide­n kann. Und man kann auch manche Dinge, die man in dieser Krise gesehen oder gelernt hat, mitnehmen in den Kampf gegen die Klimakrise. Es ist sehr sichtbar geworden, wie sehr unsere Wirtschaft internatio­nal verflochte­n ist und zu welchen Abhängigke­iten das führt. Aber Krise ersetzt keine Politik – auch keine Klimapolit­ik. Und daher ist es so wichtig, dass wir jetzt die Rahmenbedi­ngungen richtig setzen.

Ursula von der Leyen hat ja zu Beginn ihres Mandats den Green-Deal präsentier­t, nicht nur als die zentrale Klimastrat­egie für die EU, sondern als die zentrale Wirtschaft­sstrategie. Und ich glaube, dieser Deal kann seine Stärken gerade jetzt ausspielen. Wir investiere­n in einen Wiederaufb­au, einen Neustart unserer Wirtschaft, aber so, dass wir langfristi­g in eine richtige Richtung gehen – nämlich in Richtung Klimaneutr­alität bis im Jahr 2050.

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Foto: imago images/Volker Preußer Gewessler plant Investitio­nen in die Bahn.
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Foto: dpa/Helmut Fohringer

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