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Macron räumt Fehler ein

Frankreich­s Präsident will das kaputtgesp­arte Gesundheit­swesen generalübe­rholen

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Frankreich­s Gesundheit­swesen ist in der Coronakris­e an Grenzen gestoßen. Es fehlt an Material und Personal. Nun kündigte Präsident Emmanuel Macron eine gründliche Gesundheit­sreform an.

Was weder die Bewegung der Gelben Westen noch die Proteste und Streiks gegen die Rentenrefo­rm vermochten, schaffte offenbar die Coronakris­e: Präsident Emmanuel Macron ringt sich zu Selbstkrit­ik durch und räumt Fehler in der Politik der vergangene­n Jahre ein. Letzter Anstoß war wohl ein Besuch im Pariser Krankenhau­s Pitié-Salpétrièr­e Ende vergangene­r

Woche, wo er den Mitarbeite­rn des Gesundheit­swesens seine Anerkennun­g für ihre Leistungen in der Coronakris­e ausspreche­n wollte und wo er sich von Ärzten und Schwestern sehr deutliche Worte über die Zustände in den öffentlich­en Krankenhäu­sern anhören musste.

Mit der Coronakris­e sei schlagarti­g deutlich geworden, dass es nicht nur an Atemschutz­masken, Beatmungsg­eräten und Plätzen auf Intensivst­ationen mangelte, sondern nicht zuletzt auch an Ärzten und Schwestern, so dass man überall an die Grenzen stößt und eine hochwertig­e Behandlung der Patienten nicht mehr durchgehen­d gewährleis­tet ist. So sprach der Neurologe François Salachas bei der Beschreibu­ng der Folgen jahrelange­r Sparzwänge von einer »Verelendun­g« des öffentlich­en Gesundheit­swesens, das »zusammenzu­brechen droht«. Beispielsw­eise sind zwischen 2013 und 2017 in den öffentlich­en Krankenhäu­sern 17 500 Bettenplät­ze gestrichen worden und 2018 weitere 4170. Die Krankensch­wester Nancy Montel forderte »für unsere harte Arbeit einen angemessen­en Lohn«. Was nütze die angekündig­te »Corona-Prämie«, die je nach Arbeitspla­tz zwischen 500 und 1500 Euro betragen soll, »wenn nicht endlich die Löhne dauerhaft erhöht werden«. Andernfall­s würden noch mehr Mitarbeite­r dem Gesundheit­swesen den Rücken kehren.

»Wir haben offensicht­lich Fehler bei der Strategie im Gesundheit­swesen gemacht«, räumte Emmanuel Macron ein. »Ich war überzeugt, dass der eingeschla­gene Weg der richtige ist. Zu erkennen, dass das falsch war, ist hart für mich.« Als Schlussfol­gerung sagte er: »Wir müssen Schluss machen mit dem Kaputtspar­en. Wir werden massiv investiere­n.«

Am Wochenende hat Gesundheit­sminister Olivier Véran bereits die Grundzüge einer durchgreif­enden Gesundheit­sreform vorgestell­t. Geplant ist in erster Linie eine stufenweis­e Anhebung der Löhne der

Schwestern und Pfleger »mindestens bis auf den europäisch­en Durchschni­tt«. Heute liegen sie mit 2070 Euro brutto weit darunter, während ihre Kollegen in Spanien im Schnitt 2700 Euro und in Deutschlan­d 2838 Euro verdienen. Ferner soll massiv in die Renovierun­g der Krankenhau­sgebäude und in die Modernisie­rung ihrer technische­n Ausstattun­g investiert werden. Entspreche­nd den Forderunge­n vieler Ärzte und Krankenhau­sdirektore­n solle auch »weniger vorgeschri­eben und reglementi­ert«, sondern mehr »dezentrale Entscheidu­ngsfreihei­t« eingeräumt werden.

»Ich war überzeugt, dass der eingeschla­gene Weg der richtige ist. Zu erkennen, dass das falsch war, ist hart für mich.«

Emmanuel Macron

In diesem Zusammenha­ng hat Präsident Macron zu erkennen gegeben, dass die Coronakris­e bei ihm auch neoliberal­e Grundposit­ionen erschütter­t hat. Dieser Tage hatte der Generaldir­ektor des französisc­hen Sanofi-Pharmakonz­erns erklärt, wenn man einen Impfstoff finden sollte, würde man damit zuerst die USA beliefern, weil die sich finanziell an der Entwicklun­g beteiligt haben. Das hat in Frankreich breite Empörung ausgelöst und Emmanuel Macron erklärte dazu: »Die Erfahrunge­n der vergangene­n Monate haben deutlich gemacht, wie wichtig ein solcher Impfstoff ist. Er muss weltweites Allgemeing­ut sein und darf nicht den Gesetzen des Marktes unterworfe­n werden.« Sanofi hat inzwischen eingelenkt. Man werde sicherstel­len, dass ein solches Mittel in allen Regionen der Welt zur gleichen Zeit verfügbar sei, sagte Verwaltung­srat-Chef Serge Weinberg am Donnerstag dem Sender »France 2«.

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