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Stabiler Bau

Die Bauarbeitg­eber sehen das Ende des Baubooms nahen und weisen damit Forderunge­n der Beschäftig­ten zurück

- Von Ines Wallrodt

Metallisch­es Klopfen, schwenkend­e Kranarme – als das öffentlich­e Leben in Deutschlan­d still stand, ging die Arbeit auf Baustellen weiter. Nun beginnt mit Verspätung die Tarifrunde für das Bauhauptge­werbe.

Corona bestimmt den Zeitplan, nicht den Inhalt: So sieht es die Gewerkscha­ft und deshalb beginnen die Tarifverha­ndlungen in der Bauwirtsch­aft zwar zwei Monate später als geplant und in verkleiner­ter Besetzung, aber auf dem Tisch liegen dieselben Forderunge­n: bezahlte Wegezeiten und ein deutliches Einkommens­plus für die rund 850 000 BauBeschäf­tigten. »Am Bau gibt es keinen Einbruch durch Corona. Die Auftragsbü­cher sind voll und es wird flächendec­kend gearbeitet. Nach wie vor ist der Bau die Konjunktur­lokomotive in Deutschlan­d«, sagt der Verhandlun­gsführer der Industrieg­ewerkschaf­t Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Carsten Burckhardt.

Für den Bau läuft es seit einigen Jahren rund. Beschäftig­ungszahlen wie Umsätze erlebten einen Aufschwung. Was fehlte, waren eher die Fachkräfte, um alle Aufträge zu erfüllen. Abgesehen von einzelnen Erkrankung­sfällen sei die Coronakris­e am Bau kaum spürbar, heißt es auf Gewerkscha­ftsseite. Zum Teil fehlten durch die Reisebesch­ränkungen ausländisc­he Fachkräfte auf den Baustellen, die in ihrer Heimat blieben, aus Angst nicht mehr zurückreis­en zu können. Aber gerade deshalb fühlt sich die Gewerkscha­ft in ihrem Ansatz bestärkt, die Arbeitsbed­ingungen für einheimisc­he Fachkräfte attraktive­r zu machen.

Die Arbeitgebe­r dämpfen indes die Erwartunge­n der Gewerkscha­ft. Der Zentralver­band Deutsches Baugewerbe (ZDB) rechnet infolge der Coronakris­e vielmehr mit einer schrumpfen­den Nachfrage nach Bauleistun­gen und damit deutlichen Umsatzrück­gängen: »Klar laufen die meisten Baustellen noch weiter«, teilte der Verband mit. »Was aber wirklich Sorge bereitet, ist der Blick nach vorne, weil Folgeauftr­äge ausbleiben.«

Die Bauwirtsch­aft argumentie­rt, dass der allgemeine Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­s in diesem Jahr in Einzelhand­el, Tourismus und Dienstleis­tungen auch die Baubranche mit hinabzieht. Denn diese Bereiche

hätten den Wirtschaft­sbau im vergangene­n Jahr getragen. Auch die Kommunen, mit einem Anteil von 60 Prozent der wichtigste Auftraggeb­er öffentlich­er Bauinvesti­tionen, würden wegen der Steuerausf­älle absehbar weniger Geld ausgeben. »Und ob private Immobilien­besitzer angesichts von Kurzarbeit und drohender Arbeitslos­igkeit in ihre Häuser und Wohnungen investiere­n werden, ist äußerst fraglich«, meint Felix Pakleppa, Hauptgesch­äftsführer des ZDB.

Dies folgert er aus den unmittelba­r nach dem Lockdown eingetroff­enen Auftragsst­ornierunge­n. Nur für den Wohnungsba­u rechnet das Baugewerbe mit einem Umsatzplus. »Wir können uns glücklich schätzen, wenn die Bauwirtsch­aft am Ende des Jahres denselben Umsatz wie 2019 erwirtscha­ftet hat, was real immer noch einen Rückgang von circa drei Prozent bedeuten würde, so Pakleppa.

Allerdings war 2019 ein gutes Jahr für die Hoch- und Tiefbau-Unternehme­n:

Nach Branchenan­gaben machten sie 135 Milliarden Euro Umsatz und damit 6,7 Prozent mehr als im Jahr davor. Auch dieses Jahr begann gut. In den ersten beiden Monaten 2020 lagen die Umsätze laut Statistisc­hem Bundesamt elf Prozent höher als im Vorjahresz­eitraum.

Die Gewerkscha­ft sieht deshalb keinen Grund, von ihren Forderunge­n abzuweiche­n, die sie schon vor der Coronakris­e festgelegt hatte: Konkret sind das 6,8 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 230 Euro monatlich. Auszubilde­nde sollen zudem 100 Euro im Monat mehr erhalten. Besonderes Augenmerk legt die IG BAU auf die Einführung eines Wegegeldes für die Fahrt von zu Hause zur Baustelle und zurück. Sie gilt in der Bauwirtsch­aft nicht als Arbeitszei­t und wird daher nicht vergütet – weder in Form von Freizeitau­sgleich noch in finanziell­er Form.

Seit längerem gibt es in der Branche den Trend, dass Bauarbeite­r zu immer weiter entfernten Einsatzort­en fahren müssen – eine Folge stärkerer Mobilität, Vernetzung und Transparen­z der Auftragsve­rgabe. Viele Betriebe bieten nicht mehr nur vor ihrer Haustür mit. Für Baubeschäf­tigte bedeutet das jedoch, dass sie heute 20 oder 30 Kilometer und nächste Woche mehrere Hundert Kilometer zu ihren Arbeitsste­llen fahren müssen. Für diesen Aufwand und die gezeigte Flexibilit­ät will die Gewerkscha­ft eine Entschädig­ung erreichen.

Auch wenn die beiden Seiten vor Beginn der Tarifverha­ndlungen weit auseinande­r liegen und die Gespräche zäh werden könnten: Streiks am Bau sind die Ausnahme. In der Vergangenh­eit wurde meist bei einer Schlichtun­g eine Einigung erzielt. So war es etwa auch in der letzten Runde vor zwei Jahren. Nach dem Auftakt am Dienstag in Berlin sind weitere Verhandlun­gstermine für den 4. und 25. Juni vereinbart.

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Foto: dpa/Sven Hoppe Trotz der Coronakris­e geht die Arbeit auf dem Bau weiter.

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