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Gericht stellt Entmietung infrage

Richterin glaubt Behauptung­en von Eigentümer eines Friedrichs­hainer Wohnhauses nicht

- Von Nicolas Šustr

Das Ende ist absehbar, der Schrecken aber noch nicht vorbei. Dem Umbau eines einfachen Berliner Wohnhauses in Apartments musste ein Berliner Mieter weichen. Das war Unrecht, so das Gericht. »Endlich wird der Fall vor Gericht geklärt«, sagt Jens Keck. Vor über 13 Monaten musste er, der eigentlich anders heißt, seine Wohnung in der Friedrichs­hainer Colbestraß­e 35 räumen. Nur für ein paar Tage, sei ihm damals zugesicher­t worden, um auch seine Wohnung, wie das ganze Haus, umfassend zu sanieren (»nd« berichtete). Nun, am Montag, findet die Verhandlun­g schließlic­h vor dem Amtsgerich­t Tempelhof-Kreuzberg statt.

Es hat sich einiges angesammel­t in der Zeit. Anträge auf »Mängelbese­itigung« in der Mietsache, die »Besitzeinr­äumung an der Wohnung« sowie die »Feststellu­ng der Pflicht auf Schadeners­atz«, wie es in schönstem Juristende­utsch heißt. So viel sei schon verraten: Am Ende der knapp einstündig­en Verhandlun­g lässt die Richterin durchblick­en, der Klage des Mieters bis auf einige Kleinigkei­ten auf der langen Liste stattgeben zu wollen. Das Urteil wird allerdings erst in einigen Wochen verkündet werden.

Der Auftakt ist die Güteverhan­dlung. 50 000 Euro Entschädig­ung für Mieter Keck schlägt die Richterin dort vor. »Wir sind definitiv nicht mehr in der Lage, die Wohnung herauszuge­ben«, erklärt der Anwalt des umtriebige­n Hauseigent­ümers, der persönlich erklärt, nicht namentlich im Artikel genannt werden zu wollen. Die Rechtsprec­hung deckt in den meisten Fällen dieses Ansinnen, solange es nicht um Prominente geht. Der Eigentümer hat in dem Haus, das baubedingt fast komplett leersteht, seine eigene Tochter ausgerechn­et in die Wohnung von Jens Keck einquartie­rt und auch noch eine Eigenbedar­fskündigun­g für die Wohnung nachgescho­ben. Mehr als 40 000 Euro will er nicht geben, um das Verfahren vom Hals zu haben.

Das ist Keck zu wenig. Er ist seit April 2019 bei einem Bekannten untergekom­men, dem Autor dieser Zeilen. Miete, Internet, Telefon, alle diese Kosten für die Wohnung, die er nicht nutzen kann, laufen weiter. Abertausen­de Euro sind so aufgelaufe­n. Allein schon der Stromverbr­auch, den der Versorger über lange Zeit ihm zuordnete, ist extrem hoch. Nach seinen Berechnung­en, er hatte mehrmals Zugang zum Stromzähle­r, wurden allein in den letzten Monaten 64 Euro pro Tag fällig.

»Absurd und grotesk« nennt Kecks Anwalt Simon Guang-Ming Kuo den Vortrag der Gegenseite. Denn diese hatte sich zurechtgel­egt, dass der

Richterin am Amtsgerich­t Tempelhof-Kreuzberg

Mieter bereits am 8. April des Jahres 2019 einer Abfindung von 30 000 Euro für den Auszug aus der Wohnung zugestimmt haben soll. Schon vor der Vernehmung des Eigentümer­s zweifelt die Richterin diese Behauptung an. »Es ist nicht rechtmäßig gelaufen von Vermieters­eite«, stellt sie fest.

Doch zu der Sache, wie es denn genau zu dieser Vereinbaru­ng gekommen sein soll, kann der Hausbesitz­er nichts sagen. Es sei ja schon über ein Jahr her. »Der Kläger hat sämtliche Gegenständ­e aus der Wohnung geräumt und in andere Räume verbracht«, erklärt er schließlic­h auf die Frage seines eigenen Anwalts. »Er hat sie in die gegenüberl­iegende Wohnung geräumt und zum Teil auch in den Keller«, erklärt er weiter. Warum ein Mieter, der bereit gewesen sein soll, auszuziehe­n, so gehandelt haben soll, kann der Hausbesitz­er nicht erklären. Das liege daran, dass nicht er, sondern der Bauleiter sich darum gekümmert habe.

Keck stellt klar, dass Kühlschran­k, Waschmasch­ine und ein fest eingebaute­s Bett in der Wohnung verblieben sind. »Ich bin nicht wirklich davon überzeugt, dass eine Vereinbaru­ng getroffen wurde«, so die Richterin. Zumal es mehrere Ankündigun­gen einer baldigen Fertigstel­lung der Wohnung per E-Mail gegeben habe. Mitte Oktober 2019 hatte der Eigentümer so auch auf eine Anfrage von »nd« geantworte­t.

Angesichts des zerrüttete­n Mietverhäl­tnisses will Jens Keck nicht in die Wohnung zurück. »Aber einfach so davonkomme­n lassen will ich den Eigentümer auch nicht«, sagt er zu »nd«.

»Es ist nicht rechtmäßig gelaufen von Vermieters­eite.«

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