nd.DerTag

Polizisten gegen Roma

Nach Übergriffe­n in Freiburg verlangt der Zentralrat Aufklärung.

- Von Tilman Baur, Stuttgart

Ein baden-württember­gischer Beamter wird beschuldig­t, seinen Polizeihun­d aus rassistisc­hen Motiven auf ein Mitglied der Roma-Minderheit gehetzt zu haben. Das Opfer wurde im Krankenhau­s operiert.

Was ist am 28. April in Umkirch passiert? Stimmen die von Safet D. erhobenen Vorwürfe gegen die Freiburger Polizei, dann haben zwei Beamte in dem beschaulic­hen Freiburger Vorort eine Routinekon­trolle vorsätzlic­h eskalieren lassen. Das unverhältn­ismäßig gewaltsame Einschreit­en hätte einem Angehörige­n der Roma fast das Leben gekostet. Im Raum steht zudem der Verdacht, dass die mutmaßlich exzessive Gewaltanwe­ndung aus antizigani­stischen Motiven erfolgte.

Genährt wird die Vermutung durch die Aussage von Safet D., einem 28-jährigen Freiburger, welcher der Minderheit der Roma angehört. In einem auf Facebook veröffentl­ichten Video schilderte D., wie eine Kontrolle binnen kurzer Zeit eskalierte und für seinen Vater fast tödlich ausgegange­n wäre. Demnach tauchte ein Mitarbeite­r des Ordnungsdi­ensts am 28. April mit zwei Polizisten in der Einfahrt der Familie auf. Anlass der Visite war ein fehlendes Nummernsch­ild an einem Auto, das Safet D.s Vater fünf Monate zuvor aus Serbien importiert hatte. Das Nummernsch­ild des Autos war gestohlen worden, was die Familie bereits zur Anzeige gebracht hatte. Darauf wies der 48-jährige Vater die Beamten hin. Anhand schriftlic­her Dokumente, die sich im Auto befanden, wollte er den Beamten den Sachverhal­t beweisen.

Diese untersagte­n dem Mann laut Schilderun­g Safet D.s allerdings, sich seinem Auto zu nähern, und bestanden darauf, es abschleppe­n zu lassen. Der um Schlichtun­g bemühte Vater habe schließlic­h eingelenkt und zugestimmt, dass das Auto abgeschlep­pt werde, berichtet Safet D. Lediglich seine Privatsach­en habe er noch aus dem Auto holen wollen.

Auch das hätten sie ihm verboten. Stattdesse­n habe ein Beamter seinen Vater attackiert. Der andere habe das Mobiltelef­on von Safet D. beschlagna­hmen wollen, weil dieser Situation zu filmen begonnen hatte. Schließlic­h soll einer der Beamten einen Hund mit dem Kommando »Greifen!« auf den Vater gehetzt haben. Dieser habe ihn in die linke Hand gebissen und minutenlan­g bearbeitet. Der andere Beamte habe seiner Mutter ins Gesicht geschlagen und seine Frau mit einem Teleskopst­ab traktiert, erklärte Safet D.

»Man hat gemerkt, dass die uns nicht gemocht haben«, so D. »Ich habe die Schnauze voll von Euch!«, habe einer der Beamten geschrien. Eine dreistündi­ge Operation aufgrund der Bisswunden überstand Safet D.s Vater laut Aussage des behandelnd­en Arztes nur mit Glück. Safet D., der sein ganzes Leben in der Bundesrepu­blik verbracht hat, war sichtlich konsternie­rt: »Ich habe so etwas noch nie erlebt«, sagte er in seinem Bericht.

Die Freiburger Polizei gab sich auf Anfrage von »neues deutschlan­d« zu dem Fall bedeckt. Sie verwies auf ein laufendes Ermittlung­sverfahren wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte. »Nach Rücksprach­e mit den betreffend­en Organisati­onseinheit­en kann ich Ihnen den Fall einschließ­lich des Hundebisse­s lediglich bestätigen«, so eine Sprecherin.

Mittlerwei­le hat sich der Präsident des Zentralrat­s der Deutschen Sinti und Roma, Romani Rose, eingeschal­tet und den Freiburger Polizeiprä­sidenten Franz Semling sowie BadenWürtt­embergs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) um »umfassende Aufklärung« gebeten. Herbert Heuß, wissenscha­ftlicher Leiter des Zentralrat­s, sagte dem »nd«, dass Semling in einem Brief zu verstehen gegeben habe, die Aufklärung vorantreib­en zu wollen. »Anhand des Briefes gehen wir davon aus, dass man die Sache ernst nimmt«, so Heuß. Das Landesinne­nministeri­um bekundete auf nd-Nachfrage, »hohes Interesse« an der Klärung der Vorwürfe zu haben. »Herr Innenminis­ter Strobl beabsichti­gt die Aufklärung dieses Vorfalls im Auge zu behalten und sich regelmäßig über den Fortgang der Aufklärung berichten zu lassen«, so ein Sprecher.

Antizigani­stische Diskrimini­erung ist im Raum Freiburg, wo rund 3000 Sinti und Roma leben, kein Einzelfall. So dokumentie­rt der aktuelle Diskrimini­erungsberi­cht des Roma Büro Freiburg zahlreiche Fälle von alltäglich­en verbalen Anfeindung­en, denen sich Angehörige der Minderheit ausgesetzt sehen.

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Foto: imago images/Winfried Rothermel Gegen einen Beamten in Freiburg werden schwere Vorwürfe erhoben.

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