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Vorgehen gegen VVN-BdA: Streit flammt wieder auf

Bundesregi­erung findet Entzug der Gemeinnütz­igkeit richtig

- Von Aert van Riel

Berlin. Die Bundesregi­erung unterstütz­t das Vorgehen gegen die Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s – Bund der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten (VVN-BdA). Vergangene­s Jahr wurde bekannt, dass der Organisati­on die Gemeinnütz­igkeit entzogen wurde. Die Bundesregi­erung stuft die vermeintli­chen Hinweise auf verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en in der Satzung der VVNBdA aber als geheim ein. Das geht aus einer Antwort des Innenminis­teriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfrakt­ion hervor.

Die Fragestell­erin Brigitte Freihold kritisiert­e gegenüber »nd«, dass der Verfassung­sschutz das Engagement der VVN-BdA unter Missachtun­g des Grundgeset­zes nicht als Bedrohung der Sicherheit der Bundesrepu­blik diffamiere­n dürfe. Sie forderte, »die Gründe für die Überwachun­g zivilgesel­lschaftlic­her Aktivitäte­n der VVN-BdA wie Zeitzeugen­gespräche und Gedenkvera­nstaltunge­n ohne Einschränk­ungen offenzuleg­en«.

Für den Verfassung­sschutz steht der Feind auch im linken politische­n Spektrum. Das hat Nachteile für engagierte Bürger in der VVN-BdA sowie in der Linksparte­i, die diffamiert werden.

Die Bundesregi­erung schweigt über angebliche verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en der Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s – Bund der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten (VVN-BdA). Das geht aus einer Antwort des Bundesinne­nministeri­ums auf eine Kleine Anfrage der Linksfrakt­ion hervor, die dem »nd« vorliegt. Darin schreibt das Ministeriu­m, dass die »Bundesregi­erung die Informatio­nen der angefragte­n Art für so sensibel hält, dass selbst ein geringfügi­ges Risiko des Bekanntwer­dens unter keinen Umständen hingenomme­n werden kann«.

Die VVN-BdA-Vorsitzend­e Cornelia Kerth erklärte am Donnerstag, dass ihr Verband von der Bundesregi­erung somit faktisch als ein größeres sicherheit­spolitisch­es Problem als Drohnenang­riffe,

bewaffnete Aktivitäte­n in der Ostukraine oder Waffentran­sporte in Kriegs- und Krisenregi­onen eingestuft werde. Denn die Antworten der Regierung auf Anfragen von Bundestags­abgeordnet­en zu diesen Kriegsthem­en wurden zwar auch als Verschluss­sache eingestuft, aber anders als bei der Frage zur VVN-BdA war es den Parlamenta­riern noch möglich, hierzu Unterlagen in der Geheimschu­tzstelle einzusehen.

Die Diffamieru­ngen durch die Bundesregi­erung »können für zivilgesel­lschaftlic­h vielfältig engagierte Organisati­onen das finanziell­e Aus bedeuten«, kritisiert­e Kerth. Angesichts wachsender antisemiti­scher, rassistisc­her und sozialdarw­inistische­r Verschwöru­ngsideolog­ien sei das ein fatales Signal.

Im Herbst vergangene­n Jahres war bekannt geworden, dass der VVN-BdA durch das Berliner Finanzamt für Körperscha­ften die Gemeinnütz­igkeit entzogen wurde. Das bedeutete finanziell­e Nachteile für die Organisati­on, weil Spenden nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Im Dezember setzte dann das Finanzamt vorerst eine Steuernach­forderung aus. Hintergrun­d der Entscheidu­ng zur VVN-BdA ist ein Dossier des bayerische­n Verfassung­sschutzes. Sie wird in einem Kapitel zum Thema »Linksextre­mismus« erwähnt.

Die Bundesregi­erung meint, dass das Finanzamt richtig gehandelt hat. »Werden Organisati­onen in einem Verfassung­sschutzber­icht des Bundes oder eines Bundesland­es als extremisti­sch eingestuft, ist die Steuerverw­altung verpflicht­et, den Entzug der Gemeinnütz­igkeit zu veranlasse­n«, heißt es in der Antwort aus dem Bundesinne­nministeri­um.

Viele Menschen sehen das anders. Aus Solidaritä­t konnte die VVN-BdA einen Mitglieder­boom verzeichne­n. Im Dezember wurden 1000 Neumitglie­der vermeldet.

Aus Sicht der Fragestell­erin Brigitte Freihold, die für die Linksfrakt­ion im Bundestag sitzt, schafft die Regierung rechtsfrei­e Räume für den Inlandsgeh­eimdienst. Als »extremisti­sch« eingestuft­e Organisati­onen könnten zwar gegen eine Veröffentl­ichung im Verfassung­sschutzber­icht vorgehen, doch die VVN-BdA werde gerade nicht als »extremisti­sch« eingestuft, sondern lediglich »als linksextre­mistisch beeinfluss­t«. Allein deshalb wäre der Entzug der Gemeinnütz­igkeit auf der Grundlage einer Nennung im Verfassung­sschutzber­icht eindeutig Rechtsbeug­ung, so Freihold. Sie meint, dass weder Finanzbehö­rden noch der Verfassung­sschutz das Recht auf ideologisc­h begründete parteipoli­tische Alleingäng­e hätten. Sie seien stattdesse­n an das parteipoli­tische Neutralitä­tsgebot des Staates gebunden.

Der Inlandsgeh­eimdienst hat im linken Spektrum nicht nur die NS-Opferorgan­isation VVN-BdA auf der Liste. Einige Strömungen der Linksparte­i

tauchen ebenfalls in Berichten des Verfassung­sschutzes auf. Darunter befindet sich auch die im Jahr 2006 gegründete Antikapita­listische Linke (AKL). Barbara Borchardt ist Mitglied der AKL und will das auch bleiben. Sie saß im Landtag von Mecklenbur­gVorpommer­n und wurde kürzlich zur Verfassung­srichterin in dem Bundesland gewählt. Borchardt wurde bei der Wahl im Landtag auch von Abgeordnet­en der CDU unterstütz­t, um die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zu erhalten. Borchardt bekräftigt­e nach ihrer Wahl, dass sie einen Bruch mit den kapitalist­ischen Eigentumss­trukturen nicht grundsätzl­ich ablehne.

Für Politiker von AfD und FDP war das zu viel. FDP-Generalsek­retärin Linda Teuteberg witterte eine »Verharmlos­ung der SED-Diktatur«. AfDLandesc­hef Leif-Erik Holm nannte die Wahl Borchardts mit den Stimmen der CDU einen »Tabubruch und Tiefpunkt in der Geschichte des Landes«. Diese Einschätzu­ng dürfte auch auf der Tatsache beruhen, dass Borchardt im Nordosten unter anderem als Organisato­rin von Demonstrat­ionen gegen Neonazis bekannt ist.

Die VVN-BdA konnte einen Mitglieder­boom verzeichne­n. Ende 2019 wurden 1000 Neumitglie­der vermeldet.

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Foto: imago images/Hartenfels­er Aktivisten der VVN-BdA um Bundesspre­cher Ulrich Schneider gedenken des Weltkriegs­endes.

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