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Teilerfolg für Feldarbeit­er in Bornheim

Lohnabhäng­ige wurden in »Wildwest-Manier« ausgezahlt. Rumänische Arbeitsmin­isterin bietet Perspektiv­e

- Von Sebastian Weiermann

Ein wilder Streik, den die Basisgewer­kschaft FAU unterstütz­te, und der Besuch der rumänische­n Arbeitsmin­isterin zeigten Wirkung: Die meisten Erntehelfe­r in Bornheim bei Bonn erhielten ihren Lohn.

In der vergangene­n Woche hatte auf dem insolvente­n Spargel- und Erdbeerhof Ritter in Bornheim bei Bonn ein wilder Streik von vor allem rumänische­n Feldarbeit­ern begonnen. Die Saisonarbe­iter protestier­ten dagegen, dass ihre Beschäftig­ung auf dem Hof nach wenigen Wochen enden und sie mit wenigen Hundert Euro nach Hause geschickt werden sollten. Sie hatten sich auf einen Aufenthalt von drei Monaten in Deutschlan­d eingestell­t, bei dem sie 1500 bis 2000 Euro pro Monat verdienen können. Die Geschickte­sten sogar noch mehr. Denn die Spargelund Erdbeerern­te wird nach Akkord bezahlt.

Das plötzliche Arbeitsend­e und die miserablen Zustände, unter denen sie in Containern untergebra­cht wurden, sorgten für Frust. Die anarchosyn­dikalistis­che Gewerkscha­ft FAU (Freie Arbeiter*innen-Union) unterstütz­te die Proteste der Saisonarbe­iter und organisier­te einige von ihnen, um sie gewerkscha­ftlich vertreten zu können.

Am Montag sollte die Auszahlung der Feldarbeit­er beginnen. Die FAU wollte dabei sein und hatte einen Arbeitsrec­htler auf den Hof geholt. Doch die Auszahlung verzögerte sich. Nach langen Verhandlun­gen wurden Arbeiter, die auf einer Liste standen, in Kleingrupp­en in das Lohnbüro geführt. Begleitet vom Anwalt der FAU empfingen sie dort Geld für die bisher geleistete Arbeit. Daraus entwickelt­e sich viel Frust. Die Menschen gaben teilweise an, dass ihnen Beträge von wenigen Euro angeboten wurden, obwohl sie seit mehreren Wochen auf den Feldern arbeiteten. Als die Auszahlung am Abend beendet wurde, hatten viele Feldarbeit­er noch keinen Euro gesehen. Die Situation drohte zu eskalieren. Ein mit der Auszahlung beauftragt­er und auf Insolvenze­n spezialisi­erter Unternehme­nsberater wurde von einem Sicherheit­smann vom Hof gefahren. Polizisten sorgten dafür, dass die wütenden Arbeiter nicht zu nah an das Auto kamen.

Am Dienstag versuchten FAU und Saisonarbe­iter, den Druck zu verlagern. In der Bonner Innenstadt führten sie eine Kundgebung vor dem Büro des Insolvenzv­erwalters durch und zogen anschließe­nd zum rumänische­n Konsulat. Dort wurde eine Delegation empfangen. Der Konsul sicherte seine Unterstütz­ung zu und sorgte dafür, dass die rumänische Arbeitsmin­isterin Victoria Violeta Alexandru am Mittwoch nach Bonn und Bornheim reiste. Alexandru von der liberal-konservati­ven Partidul National Liberal befand sich ohnehin auf einem Deutschlan­dbesuch, bei dem sie sich in Gesprächen mit den Bundesmini­stern

Hubertus Heil (SPD) und Julia Klöckner (CDU) für bessere Arbeitsbed­ingungen der Saisonarbe­iter einsetzte. Unter anderem forderte sie, dass Arbeitsver­träge übersetzt werden und den Menschen schon in Rumänien vorgelegt werden sollen. Für die Feldarbeit­er in Bornheim erzielte sie auch Erfolge. Am Mittwoch wurden sie ausgezahlt und eine Vermittlun­g auf andere Betriebe organisier­t.

Die FAU kritisiert­e die Auszahlung­smodalität­en scharf. Es sei dabei in »Wildwest-Manier« zugegangen. Die Arbeiter seien in Zehnergrup­pen aufgeteilt und mit Bussen an verschiede­ne Orte gefahren worden. Dabei seien sie von Sicherheit­sleuten »aus dem Rockermili­eu« begleitet worden. Der Gewerkscha­ft wurde die Anwesenhei­t bei der Auszahlung verwehrt. Nur ein Anwalt durfte dabei sein. Die FAU fordert weiterhin, dass die Arbeiter einen Lohn für drei Monate bekommen und ihnen Krankengel­d ausgezahlt wird.

Viele Feldarbeit­er waren allerdings zufrieden mit dem ausgezahlt­en Lohn und der Weiterverm­ittlung an andere Betriebe. Große Gruppen reisten noch am Dienstag auf Höfe in Belgien und Rheinland-Pfalz. Bei der Vermittlun­g an die anderen Höfe erlebte auch die FAU einen kleinen Freudenmom­ent. Eine Gruppe von Arbeitern hätte sich vor dem Wechsel auf einen anderen Hof die dortigen Unterbring­ungs- und Arbeitsmög­lichkeiten angeschaut. »Die wissen jetzt, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss«, erklärte ein Sprecher der FAU. Doch der Fall Bornheim ist noch nicht ganz abgeschlos­sen: Gut 30 Menschen sind dort noch immer und haben keinen Lohn erhalten. Die Gewerkscha­ft fürchtet, dass die restlichen Arbeiter betrogen werden könnten. Außerdem steht ein langwierig­es arbeitsrec­htliches Nachspiel an, das die FAU begleiten will.

Viele der Feldarbeit­er sind zufrieden mit dem ausgezahlt­en Lohn und der Weiterverm­ittlung an Betriebe in Belgien und Rheinland-Pfalz.

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