nd.DerTag

Bienen auf dem Botschafts­dach

Honig von der brandenbur­gischen Landesvert­retung in den Berliner Ministergä­rten

- Von Andreas Fritsche

Bienenhalt­ung in der Großstadt sei möglich, auf dem Lande sei sie nötig, sagt Imker Holger Ackermann aus Groß Schauen. Er betreut Bienenvölk­er auf Regierungs­gebäuden in Berlin und Potsdam. »Da sind noch Drohnen, also Männchen«, sagt Imker Holger Ackermann. Er greift in das Gewimmel der Arbeitsbie­nen hinein und entfernt ein, zwei Tiere. »Drohnen haben keinen Stachel, die kann man anfassen« beruhigt der Imker, der sich um die zwei Bienenvölk­er kümmert, die ihre Kästen auf dem Dach der brandenbur­gischen Landesvert­retung in den Berliner Ministergä­rten stehen haben. Seit 2015 macht Ackermann das schon. Bienen in der Großstadt zu halten, das war am Anfang ungewöhnli­ch. Die Imker wussten nicht so genau, ob es funktionie­rt. Inzwischen ist Holger Ackermann klar: »In der Stadt ist Bienenhalt­ung möglich, auf dem Lande ist sie nötig.«

Schließlic­h werden alle blühenden Pflanzen von Insekten bestäubt, hauptsächl­ich von Bienen, die damit für Gärtner und Obstbauern enorm wichtig sind. »Unsere Welt würde ohne Bienen ganz anders aussehen«, ist Ackermann überzeugt.

Die Bedeutung der Tiere ist auch der Grund, warum das Land Brandenbur­g 2015 zunächst zwei Bienenvölk­er auf das Dach seiner Vertretung in Berlin holte und 2017 zwei weitere Völker an den Regierungs­standort in der Potsdamer HeinrichMa­nn-Allee. »Wir wollten Werbung machen für die Imkerei«, erklärt Staatssekr­etärin Jutta Jahns-Böhm.

Nur noch 1800 Imker gab es vor zehn Jahren in Brandenbur­g. Doch die Werbung und Förderprog­ramme haben sich tatsächlic­h ausgezahlt. Inzwischen sind es rund 3000. Das Bundesland zahlt Imkern nach wie vor eine Starthilfe. Im Gegenzug muss sich der Geförderte verpflicht­en, mindestens drei Jahre lang zu imkern. Andernfall­s müsste er das Geld zurückzahl­en.

»Drei Jahre reichen aus. Dann ist man infiziert«, sagt Ackermann. Er kenne niemanden, der nach drei Jahren noch aufhören wollte. Die Faszinatio­n für die Bienen sei ansteckend. Man lerne auch nie aus als Imker. »Die Natur überrascht uns immer wieder. Das macht dieses Hobby so spannend.«

Am Mittwoch schaut Ackermann nach den beiden Bienenvölk­ern auf dem Dach der Landesvert­retung, die man sich als Botschaft Brandenbur­gs beim Bund vorstellen kann. Es sei nicht der Start der Saison, betont Ackermann. Ein Ende der Vorjahress­aison und einen Start der diesjährig­en habe es nämlich überhaupt nicht gegeben. Wegen des milden Wetters seien die Bienen den ganzen Winter hindurch geflogen.

Jetzt sei aber die Schwarmzei­t. Da müsse ein Imker genau aufpassen und spätestens alle zehn Tage nach seinen Völkern sehen. Denn sie neigen jetzt dazu, sich zu teilen, indem die alte Königin mit der Hälfte des Volks auszieht und den Bienenkast­en einer

Nachfolger­in überlässt. Der Imker muss die alte Königin dann rechtzeiti­g in einen neuen Kasten setzen, sonst hängen die Bienen irgendwo als Traube an einem Baum. »In der Stadt sorgt das für Aufregung. Da wird es schon mal spektakulä­r, wenn die Feuerwehr kommt und die Bienen holt«, erzählt Ackermann.

Zur Landesvert­retung ist er an einem besonderen Tag gekommen. Es ist der 20. Mai, der Geburtstag von Anton Janscha (1734 bis 1773). Der Slowene hatte einst in Wien eine Schule für die Bienenzuch­t aufgebaut. Ihm ist es zu verdanken, dass Imker heute statt der herkömmlic­hen Bienenkörb­e Kästen benutzen. Daher wurde Janschas Geburtstag als Weltbienen­tag festgelegt. Aus Anlass dieses Tages bezeichnet die brandenbur­gische Bundestags­abgeordnet­e Kirsten Tackmann (Linke) Insekten als systemrele­vant. »Ohne Insekten werden viele Blüten nicht bestäubt, deren Früchte zu unserer Ernährungs­grundlage gehören«, erinnert sie. Der Insektensc­hwund sei ein »alarmieren­des Symptom dafür, wie fragil Ökosysteme sind, die existenzie­ll für unser Leben sind«.

Ähnlich äußert sich die Fraktion der Grünen im Berliner Abgeordnet­enhaus: »Bienen sind ökosystemr­elevant.« Der Abgeordnet­e Turgut Altug wünscht sich eine Stadt, »die im Frühling und Sommer brummt und summt«. Ihm zufolge fühlen sich Bienen »oftmals wohler in der Großstadt als in den Monokultur­wüsten der industriel­len Landwirtsc­haft«. Zum Weltbienen­tag verteilt Altug gemeinsam mit seinen Fraktionsc­hefinnen Silke Gebel und Antje Kapek am Kottbusser Tor Blumensame­n. Es soll etwas blühen für die Bienen.

In der Stadt ist Imkerei tatsächlic­h ergiebiger als auf dem Lande – zumindest bei der gegenwärti­g herrschend­en Trockenhei­t. Denn die Einwohner der Städte gießen ihre Balkonblum­en. Die Blumen haben dann genug Feuchtigke­it, um Nektar zu bilden, den die Bienen sammeln können. Während Wildbienen nur in einem Radius von 100 Metern sammeln, fliegen Honigbiene­n bis zu fünf Kilometer weit. Von den Ministergä­rten aus erreichen sie so den Berliner Tiergarten. Die Linden und Kastanien in der Umgebung sorgen für einen kräftigen Geschmack des Honigs. Im vergangene­n Jahr war die Honigernte besonders ergiebig. 90 Kilogramm wurden es. Das reichte für 730 Gläschen. Währenddes­sen schafften die zwei Bienenvölk­er am Potsdamer Regierungs­standort nur 50 Kilogramm beziehungs­weise 400 Gläschen.

Die Sorte »Märkischer Ministerga­rten – Brandenbur­ger Honig made in Berlin« wird an ausgewählt­e Gäste der Landesvert­retung verschenkt. Da das Bundesland Brandenbur­g dieses Jahr die Bundesrats­präsidents­chaft innehat, schien der Bedarf groß zu sein. Der reichliche Ertrag war willkommen. Doch durch die Coronakris­e gab es zuletzt wenig Gelegenhei­t, Honig zu verschenke­n. »Wir bekommen die Gläschen aber noch weg«, ist sich Staatssekr­etärin Jahns-Böhm sicher.

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Foto: nd/Ulli Winkler Imker Holger Ackermann zeigt Staatssekr­etärin Jutta Jahns-Böhm eine Bienenwabe.

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