nd.DerTag

Der Pazifist

- Von Alexander Bahar

Am 21. Mai 1920 wurde der Schriftste­ller Hans Paasche auf seinem Gut Waldfriede­n bei Wiesental in der Neumark (heute Polen) von einem Reichswehr­soldaten bei einer Haussuchun­g nach Waffen »auf der Flucht« erschossen, wie es hieß. Sein Leben und Sterben ist vor dem Hintergrun­d zunehmende­r militarist­ischer und rechtsextr­emer Tendenzen von beispielha­fter Aktualität. Als entschiede­ner Pazifist und Antimilita­rist war er von den deutschen Militärbeh­örden mit Argwohn beobachtet worden. Seiner Beisetzung folgten auch Hunderte Bauern, Land- und Forstarbei­ter. Kurt Tucholsky, prominente­ster Redner, ehrte den Ermordeten als »gehasst von den deutschen Militärs, ... verehrt von anständige­n Menschen«.

Berühmthei­t erlangte Paasches fiktiver, 1912/13 in Briefform in der Zeitschrif­t »Vortrupp« veröffentl­ichter Bericht: »Forschungs­reise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschlan­d«. Darin übte der Autor unverhohle­n Kritik an Lebensweis­e, Machtwahn und Kulturdünk­el der wilhelmini­schen Gesellscha­ft.

1881 in Rostock in ein bürgerlich-konservati­ves Elternhaus hineingebo­ren, hatte Paasche zunächst die Laufbahn eines Offiziers der Kaiserlich­en Marine eingeschla­gen. Als im Juli 1905 im Süden Deutsch-Ostafrikas der Maji-Maji-Aufstand gegen die deutsche Kolonialhe­rrschaft ausbrach, geriet Paasche, inzwischen »militärisc­her Befehlshab­er im Bezirk Rufidschi«, in ein Dilemma. Während er seine Aufgabe darin sah, die ihm untergeben­en Afrikaner zu schützen, musste er die Erhebung niederschl­agen, Dörfer plündern und töten lassen. Im August 1909 richtete er ein Telegramm an seinen Vorgesetzt­en: »Die Aufständis­chen haben sich zerstreut und wollen Frieden …, halte Auftreten größerer Truppen nicht mehr für nötig.« Die Erlebnisse in Afrika bestimmten Paasches Leben und Wirken. Der Mord an ihm blieb ungesühnt.

»Die Bauern treiben Ackerbau und Unzucht.« Wladimir Senakowsky

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