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Geld zurück ist noch nicht umverteilt

Starökonom Thomas Piketty und Sahra Wagenknech­t diskutiere­n über Vermögensb­esteuerung zur gerechten Verteilung der Coronakost­en

- Von Simon Poelchau

Mit 1,2 Billionen Euro rettete die Große Koalition Unternehme­n und Selbststän­dige im coronabedi­ngten Lockdown vor dem wirtschaft­lichen Ruin. Irgendwer wird später für die Kosten aufkommen müssen. »Corona ist eine Zeit der Experiment­e«, sagt Fabio De Masi. Es ist der Dienstagab­end dieser Woche. Und der stellvertr­etende Vorsitzend­e und finanzpoli­tische Sprecher der Linksparte­i im Bundestag moderiert eine Veranstalt­ung – und eben nicht in einem großen Saal vor Publikum, sondern im Internet. Via Youtube, Twitter oder Facebook können sich Interessie­rte die Diskussion bequem von zu Hause aus anschauen.

Es ist nicht die einzige Veranstalt­ung dieser Art in diesen Tagen. Ihr Thema ist eine Forderung, die in Zeiten von Corona wieder lauter wird: die Besteuerun­g von großen Vermögen. SPD-Chefin Saskia Esken brachte dies jüngst ins Spiel, damit die Kosten für die Coronakris­e fair verteilt werden. Die Linksparte­i fordert das sowieso.

Zur Diskussion eingeladen hatte De Masi – auch aus dem Wohnzimmer heraus – die Linksparte­ipolitiker­in Sahra Wagenknech­t und Thomas Piketty. Letzterer ist einer der weltweit renommiert­esten Experten in Verteilung­sfragen. Mit seinem Buch »Das Kapital im 21. Jahrhunder­t« schuf der französisc­he Ökonom ein fakten- und zahlenreic­hes Standardwe­rk, das es auch Wagenknech­t erst ermöglicht­e, ihr Buch »Reichtum ohne Gier« zu schreiben, wie die promoviert­e Ökonomin unumwunden zugab.

Die große Vermögensk­onzentrati­on in Deutschlan­d spiele auch im coronabedi­ngten Lockdown eine große Rolle, erklärte Piketty. Es mache eben einen Unterschie­d, ob man diesen in einem großen Haus verbringe oder nur eine kleine Wohnung habe. Zudem werde sich diese Ungleichhe­it etwa infolge von steigender Arbeitslos­igkeit weiter verschärfe­n.

Vor allem ging es bei der Diskussion aber um die Frage, wer für die milliarden­schweren Hilfspaket­e, mit denen vornehmlic­h Unternehme­n und Selbststän­dige vor dem wirtschaft­lichen Kollaps gerettet wurden, letztlich bezahlen soll. Es sei »unglaublic­h«, sagte Wagenknech­t, wie schnell deswegen wieder die Debatte um soziale Kürzungen beginne.

Dabei werden die Hilfspaket­e erst mal über neue Schulden finanziert. 156 Milliarden Euro neuer Kredite will der Bund deswegen aufnehmen. Es könnten aber noch weitaus mehr Kosten auf die Allgemeinh­eit zukommen. Denn der größte Anteil des 1,2

Billionen Euro schweren staatliche­n Hilfspaket­s sind Kredite an die Unternehme­n. Werden diese nicht zurückgeza­hlt, bleibt die Allgemeinh­eit auf ihnen sitzen.

Der »optimale Weg« in einer Krise wäre für Wagenknech­t die Staatsfina­nzierung durch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB). Doch das ist der EZB verboten. Vor allem kann man das nicht auf Dauer machen, weil es ansonsten zu einer Inflation kommt. Was bleibt also außer einer Besteuerun­g großer Vermögen, will man nicht die

Kosten der Krise auf die unteren Teile der Bevölkerun­g abwälzen?

Dabei gab es eine Vermögensa­bgabe sogar schon einmal in der Geschichte der Bundesrepu­blik. Mit dem »Lastenausg­leich« wurden in den 1950er Jahren die Reparation­sforderung­en und Schulden nach dem Zweiten Weltkrieg bezahlt. Für Verteilung­sforscher Piketty war dies eine gute Sache: »Ansonsten wären die deutschen Schulden heute noch immer nicht abgebaut.«

Zudem, warf Wagenknech­t ein, werde mit einer Vermögensb­esteuerung Vermögen noch gar nicht umverteilt. Es wird erst mal nur Geld zurückgeho­lt. Die ehemalige LinkeFrakt­ionsvorsit­zende verwies dabei auf das Beispiel BMW: Der Autobauer profitiert derzeit von der Kurzarbeit­erregelung, indem er für weite Teile der Beschäftig­ten nur ein sehr verringert­es Gehalt zahlen muss. Gleichzeit­ig zahlt er dieses Jahr an seine Aktionäre eine Dividende von 1,6 Milliarden Euro aus. Die Hälfte davon bekommt das Geschwiste­rpaar Klatten/Quandt.

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Foto: AFP/Sander Koning Thomas Piketty
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Foto: imago/J. Heinrich Sahra Wagenknech­t

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