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Sweet Pappkamera­d

Die Statistik »Politisch motivierte Kriminalit­ät« enthält fast 10 000 »linke« Straftaten und die neue Kategorie »Deutschfei­ndlichkeit«. Von

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Die Kriminalit­ät in der Bundesrepu­blik ist 2019 im dritten Jahr in Folge zurückgega­ngen, dagegen ist die Zahl der politisch motivierte­n Straftaten um 14 Prozent gestiegen. So steht es in der am Mittwoch von Bundeskrim­inalamt (BKA) und Bundesinne­nministeri­um (BMI) veröffentl­ichten Statistik. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) betonte erneut: »Die größte Bedrohung geht vom Rechtsextr­emismus aus.« Das lässt sich angesichts der Daten auch kaum bestreiten, denn mehr als die Hälfte (54,3 Prozent) der erfassten 41 200 Delikte der »Politisch motivierte­n Kriminalit­ät« (PMK) gehen auf das Konto Rechtsradi­kaler. Von den im Bereich »rechts« erfassten Vorfällen waren 986 Gewaltdeli­kte und davon wiederum 828 Körperverl­etzungen. Von den insgesamt 13 erfassten Tötungsdel­ikten wurden sieben Rechten bzw. Neonazis zugeordnet.

Der PMK-Jahresberi­cht lässt allerdings hinsichtli­ch der Zuordnung der Delikte jede Menge Fragen offen, sowohl was den »Phänomenbe­reich rechts« als auch, was Linken vorgeworfe­ne Taten betrifft. Einige beantworte­te die Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag.

Auffällig ist der starke Anstieg bei den »linken« Straftaten um 23,7 Prozent. Zugleich machen sie mit 9849 weniger als ein Viertel der PMK-Delikte aus. Die Kategorien, denen das BMI sie zuordnet, legen den Verdacht nahe, dass hier etwas aufgepumpt werden sollte, zumal politisch motivierte Kriminalit­ät laut Definition auf der Webseite des BMI immerhin die »demokratis­chen Grundwerte unseres Gemeinwese­ns« bedroht. Es kommt hinzu, dass die PMK-Statistik im Unterschie­d zu jener der allgemeine­n Kriminalit­ät immer eine »Eingangsst­atistik« ist, dass hier also auch in unbekannte­m Umfang reine Verdachtsf­älle erfasst sind.

Die Zahl der für 2019 erfassten »linken« Gewaltdeli­kte ist mit 1052 sogar höher als die »rechter« (986). Bei letzteren war der Anteil der Körperverl­etzungen aber mit 828 der höchste. Linken werden 405 Körperverl­etzungen vorgeworfe­n, laut der Antwort auf die Grünen-Anfrage handelt es sich dabei um 242 vollendete und 163 versuchte Taten. Zugleich werden 355 der durch politisch motivierte Gewalt körperlich verletzten Personen linken Tätern zugeordnet. An zweiter Stelle der Linken zugeschrie­benen Gewaltdeli­kte stehen laut BMI »Widerstand­shandlunge­n«. Als solche kann auch das sich Wehren gegen Polizeiübe­rgriffe angezeigt werden. Die Strafgeset­zbuchparag­raphen zu Widerstand gegen und tätlichen Angriffen auf Vollstreck­ungsbeamte wurden im Mai 2017 drastisch verschärft. Weitere Gewalttate­n, die Linken zugeordnet werden, sind 80 Fälle von Landfriede­nsbruch, 178 Brandstift­ungen, acht Sprengstof­fdelikte, 50 gefährlich­e Eingriffe in den Verkehr sowie 17-mal Raub und viermal Erpressung.

Das mit Abstand häufigste von Linken verübte Delikt ist laut BMI mit 5277 Fällen Sachbeschä­digung. Auf Platz zwei folgen 2299 »andere Straftaten«. Fast ein Viertel der Linken zugeschrie­benen Taten sind also eine Blackbox. Weiter werden Linken 836 Verstöße gegen das Versammlun­gsgesetz sowie 189 Nötigungen und Bedrohunge­n vorgeworfe­n.

Laut PMK-Bericht richteten sich gut 5000 der »links motivierte­n« Taten »gegen rechts«. Zugleich ging die Zahl der Gewaltdeli­kte gegen rechts um 35 Prozent auf 342 zurück. Weitere 1483 Straftaten wurden dem »Unterthema Polizei« zugeordnet, davon waren 528 Gewaltdeli­kte.

Zwei Drittel der »links« (plus 40 Prozent) und 95 Prozent der »rechts motivierte­n« Taten (plus Prozent) haben laut BKA-Statistik einen »extremisti­schen Hintergrun­d«. Der erstmals ausgewiese­nen Kategorie »Deutschfei­ndlich« wurden 132 Straftaten, davon 22 Gewaltdeli­kte zugeordnet. Weder BKA noch BMI beantworte­ten bis zum Freitagnac­hmittag von »nd« am Donnerstag­mittag eingereich­te Fragen unter anderem zu Kriterien der Einordnung von Delikten als extremisti­sch und zur Definition des Begriffs »deutschfei­ndlich«. Die Linke-Bundestags­abgeordnet­e Marina Renner schrieb am Donnerstag auf Twitter, vor zehn Jahren habe die damalige Bundesfami­lienminist­erin Kristina Schröder (CDU) schon einmal vergeblich versucht, die Kategorie »deutschfei­ndlich« einzuführe­n. Nun versuche es der Innenminis­ter offenbar erneut. Renner hat eine Anfrage zur Definition des Begriffs an die Regierung gerichtet.

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