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Der Erfolg der Geschlecht­er

Die Rekombinat­ion von Genen erlaubt sich sexuell fortpflanz­enden Lebewesen bessere Anpassung an sich schnell wandelnde Umwelteinf­lüsse

- Ingrid Wenzl

Lange haben sich die Evolutions­biolog*innen darüber die Köpfe zerbrochen, wie es kam, dass sich auf der Erde die sexuelle Fortpflanz­ung durchsetzt­e. Denn die asexuelle Variante ist wegen ihrer deutlich höheren Reprodukti­onsrate und der Energieers­parnis dank unnötiger Partnersuc­he mindestens doppelt so effizient. Dennoch vermehren sich nahezu alle höher entwickelt­en Tierarten sexuell. »Es muss also etwas geben, was sie erfolgreic­her sein lässt«, sagt Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutions­biologie in Plön.

Bei der sexuellen Fortpflanz­ung gibt das Weibchen ebenso wie das Männchen nur die Hälfte seiner Gene weiter, beides zusammen bildet dann das Erbgut des neuen Individuum­s. Damit diese Nachkommen aber mindestens doppelt so gut sind wie die eines Klons, müssen sie, laut Milinski, drei Bedingunge­n erfüllen: »Durch eine sich dramatisch wandelnde Umwelt sollten sie aus einer großen erblichen Vielfalt in der Population

in jeder Generation die neu verlangten Genkombina­tionen herstellen können. Sodann muss das Weibchen aus dieser reichen Auswahl das Männchen auswählen, dessen Gene die eigenen optimal ergänzen, damit die Nachkommen in der veränderte­n Umwelt überlebens­fähig sind, und das wiederum setzt voraus, dass das Weibchen die richtigen Genvariant­en bei den Männchen von Außen wahrnehmen kann.«

Der britische Zoologe William Hamilton identifizi­erte bereits in den 1980er Jahren die starken Umweltverä­nderungen als schnell mutierende Krankheits­erreger oder Parasiten. Um sie zu bekämpfen, musste das Immunsyste­m polymorph, also genetisch vielgestal­tig, sein. Um den Partner zu erkennen, dessen Immunsyste­m sich am besten mit dem eigenen ergänzt, ist der Geruch maßgeblich. Das zeigen Versuche an Fischen, Mäusen und Menschen. Große Berühmthei­t erlangte ein Experiment an der Universitä­t Bern vor 25 Jahren, bei denen es Studentinn­en gelang, anhand des jeweiligen Schweißger­uchs benutzter T-Shirts den genetisch idealen Partner zu erschnuppe­rn. »Man vermutet, dass alle Wirbeltier­e ihre Partner nach Immungenen ausriechen«, versichert Milinski, der damals an dem Experiment mitwirkte. Darüber hinaus spielten aber auch optische Faktoren eine Rolle. So signalisie­re bei Stichlinge­n die grellrote Bauchfarbe des Männchens eine gute Gesundheit.

Sich ausschließ­lich asexuell fortpflanz­ende Arten sind hingegen nach der Mullers-RatchetHyp­othese, einem vor rund 90 Jahren entwickelt­en Konzept der klassische­n Evolutions­biologie, auf lange Sicht zum Aussterben verurteilt: In ihren Nachkommen häuften sich immer mehr nachteilig­e Mutationen an. Diese könnten sie aber allenfalls durch sehr seltene Rückmutati­on wieder loswerden, da im Gegensatz zu der sexuellen Fortpflanz­ung die Rekombinat­ion der vorhandene­n Gene mit Genmateria­l des Partners fehlt.

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