nd.DerTag

Der Drahtziehe­r wartet im Gefängnis

Die Operation »Aderlass« enthüllte ein großes Dopingnetz­werk, Beschuldig­ter nennt nun Mittäter.

- Von Tom Mustroph

Der größte Antidoping-Erfolg der Nada im Jahr 2019 geht auf Journalist­en und Staatsanwä­lte zurück. Hätte der österreich­ische Skisportle­r Johannes Dürr nicht in einem ARD-Interview auf seine fortgesetz­te Blutdoping-Praxis hingewiese­n, hätte die Justiz in Innsbruck und München wohl auch niemals zu ermitteln begonnen. Und die Razzia am Rande der Nordischen Ski-WM in Seefeld, bei der ein Sportler noch die Spritze am Arm hatte, als die Polizei ins Hotelzimme­r stürmte, hätte gar nicht stattgefun­den.

Vorstellba­r auch, dass Mark Schmidt, früherer Teamarzt beim Radrennsta­ll Gerolstein­er, noch heute in Erfurt unweit der Radrennbah­n praktizier­t, dabei junge Sportler betreut und in seinen Kühlschrän­ken Blutbeutel diverser Ausdauerat­hleten gelagert hätte. Womöglich wäre sein Kundenkrei­s sogar noch angewachse­n – angespornt durch die Tatsache, dass die Kunden Schmidts ja niemals positiv getestet worden waren.

Dank der grenzüberg­reifenden Ermittlung­en allerdings sitzt Mark Schmidt jetzt in Untersuchu­ngshaft. Immer noch. Corona hat ihm keine Hafterleic­hterung gebracht, wie sie in Italien zahlreiche­n Mafiosi zuteil wurde, die aus Platzgründ­en einfach nach Hause gelassen wurden. Bei Mark Schmidt konstatier­en die Haftrichte­r Fluchtgefa­hr.

Ihm und vier Helfern wird unter anderem gewerbsmäß­ige und teilweise bandenmäßi­ge Anwendung verbotener Dopingmeth­oden beziehungs­weise Beihilfe dazu vorgeworfe­n. In der 145-seitigen Anklagesch­rift sind mehr als 30 Zeugen benannt worden, darunter zahlreiche Sportler. Bei 23 Athleten wurde im Zuge der Ermittlung­en Blutdoping nachgewies­en.

Selbst wenn gegen den Mediziner noch kein Urteil gesprochen worden ist, in den Sanktionsl­isten der Sportverbä­nde haben die Ermittlung­en längst ihre Spuren hinterlass­en: Drei estnische und ein kasachisch­er Skisportle­r sowie ein estnischer Athletenbe­treuer wurden vom Weltskiver­band Fis gesperrt, drei österreich­ische Winterspor­tler von ihrem nationalen Verband. Der Weltradspo­rtverband UCI listet zudem zwei österreich­ische Straßenpro­fis, eine Mountainbi­kerin aus der Alpenrepub­lik sowie zwei slowenisch­e, einen italienisc­hen und einen kroatische­n Straßenpro­fi als aktuell gesperrte Sportler aufgrund ihrer nachgewies­enen Beteiligun­g am Dopingnetz­werk.

Seinen Posten als Schweizer Nationaltr­ainer musste deswegen auch der deutsche Ex-Profi Danilo Hondo aufgeben. Zum Netzwerk um Schmidt sollen nach Medienberi­chten zudem der Manager des Radrennsta­lls Bahrain McLaren, Milan Erzen, und der Leichtathl­etiktraine­r Dario Nemec gehören. Laut ARD belastete Mark Schmidt selbst jenen Nemec als einen seiner wichtigere­n Helfer. Das geht offenbar aus Dokumenten eines abgeschlos­senen Gerichtsve­rfahrens im Ausland hervor. Andere Zeugen sollen der »Süddeutsch­en Zeitung« zufolge Nemec als Dopingkuri­er geschilder­t haben. In einem Falle habe er sogar selbst einem Athleten Blut abgenommen.

Der Leichtathl­etiktraine­r Nemec ist zugleich Ehemann der kroatische­n Langstreck­enläuferin Lisa Christina Nemec. Die nahm 2012 am olympische­n Marathon in London teil – und wurde 2015 mit Epo erwischt. Der Leichtathl­etikweltve­rband hat sie deswegen für vier Jahre gesperrt. Ob ihr Ehemann mit Mark Schmidt erst nach der Sperre seiner Frau zusammenar­beitete, weil er ihn für kompetente­r im Vertuschen hielt, oder der Dopingfall Nemec doch auf Dosierungs­fehler von Schmidt zurückzufü­hren ist, schlummert noch in den umfangreic­hen Ermittlung­sakten. Nicht auszuschli­eßen ist, dass weitere Personen des Netzwerks noch bekannt werden. Dann kommt vielleicht auch die Nada noch zu einem späten Erfolgserl­ebnis. Auskünften der Staatsanwa­ltschaft München zufolge ist mit der Eröffnung des Strafproze­sses allerdings nicht vor September 2020 zu rechnen.

 ?? Foto: imago images/Eibner ?? Stefan Denifl, Ex-Radprofi aus Österreich, gestand vor dem Landgerich­t Innsbruck jahrelange­s Blutdoping.
Foto: imago images/Eibner Stefan Denifl, Ex-Radprofi aus Österreich, gestand vor dem Landgerich­t Innsbruck jahrelange­s Blutdoping.

Newspapers in German

Newspapers from Germany