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Von Unwörtern, dem Markenkern der Linken und der anhaltenden Coronakrise
Lenin hätte das gefallen
Horst Bredekamp, Kunsthistoriker an der Berliner Humboldt-Universität, schreibt von dem juristischen Brauch, dass eine Strafe ersatzweise an dessen Konterfei vollzogen werden konnte, kriegte man den Bösewicht nicht zu fassen.
Absurd? Da denke man mal an politische Umstürze, zum Beispiel eine Konterrevolution. Die dumpfe Meute ist losgelassen, alles Bisherige zu tilgen, vermeintliches oder wirkliches Unrecht zu rächen. Die Urheber ihres Grolls kriegen sie selten, also richtet sich der hehre Zorn gegen die Abbilder. Zum Beispiel Denkmäler. Die können sich ja nicht wehren. Nehmen wir die letzte »Zeitenwende« und ihre Bilderstürmer. In den sozialistischen Ländern gab es so viele Lenin-Denkmäler! Die meisten waren nicht mal schön. Das sind Denkmäler aber eher selten. Und so stürzten die Stürmer die Statuen und schlugen sie kurz und klein, wenn sie es schafften. In Leningrad, jetzt St. Petersburg, sprengten sie den Lenin auf dem Geschützturm, aber sie brachten ihn nicht ganz zu Fall.
In Rasliw – die Älteren erinnern sich an Lenins Zuflucht im Sommer 1917 in der Laubhütte – sah ich Lenin »Staat und Revolution« schreibend hocken. Weg damit! In Rylsk, Oblast Kursk, und auch im Oblast Astrachen saß Lenin mit zwei Arbeitern diskutierend auf einer Bank. Fort! Der Berliner Lenin wurde unter massiven Protesten abgerissen und verbuddelt, der Kopf wieder hervorgeholt und in der Spandauer Zitadelle neben royale Vergessene gelegt. Im ukrainischen Luzk wurde die Bronze zu Kirchenglocken umgeschmolzen, und im Garten der alten
Ordensburg der Kreuzritter im Burgmuseum Wenden in Lettland wurde das Lenin-Standbild in eine offene Kiste gelegt. Das lässt aber Gedanken zu: Kann, soll, darf er wieder heraussteigen, wenn es an der Zeit ist, nochmals »an den Schlaf der Welt« zu rühren?
Es gab ein für mich ausgesprochen schönes, symbolträchtiges Denkmal, ich glaube in Polen. Die machten vor 50 Jahren originelle Sachen. Dort stieg Lenin von seinem Sockel die Treppe hinunter. Wladimir Iljitsch hätte das gefallen.
Den Markenkern der Linken verteidigen
Wenn Die Linke nicht den Mut fasst, dazu zu stehen, dass Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Überwindung von sozialer Spaltung unter deregulierten Kapitalbedingungen nicht zu haben ist und als einzige bekannte Alternative die strategische Entwicklungsplanung zur Verfügung steht, dann läuft sie Gefahr, ihren historischen Auftrag zu verpassen.
Im letzten Ad-hoc-Gutachten der Leopoldina-Nationalakademie verkündet die – angebliche – Oberliga der deutschen Wissenschaften die Vorzüge der marktwirtschaftlichen Regulation, zu der (nach den coronabedingten Staatsbeteiligungen an Unternehmen) schnellstmöglich zurückgekehrt werden müsse. Dieses seit Jahrzehnten gehätschelte Paradigma ist durch die Praxis längst ad absurdum geführt, dazu gibt es sogar aus der bürgerlichen Wissenschaft ausreichend Belege. Denn angesichts ins Haus stehender weiterer
Foto: unsplash.com/uinyp
Zu »Die Kraft des neuen Anlaufs«, 22.4., S. 7; online: dasND.de/1135773
Pandemien und vor allem der sich schnell entfaltenden Klimakatastrophe dürfte diese Pandemie nur das Vorspiel zum eigentlichen Drama sein.
Gänzlich jenseitig kruder Verschwörungstheorien kommt die Coronakrise der etablierten Politik gerade recht. Auf keinen Fall über eine geplante Entwicklung reden, das realsozialistische Großexperiment einer geplanten Wirtschaft um jeden Preis totschweigen bzw. jede Debatte mit der Stalinismus-Gulag-Keule niedermachen, was anderes fällt nicht ein.
Die Linke muss in dieser Beziehung deutlich mutiger werden. In allergrößter Not ist der Mittelweg der Tod – dieser Spruch ist so falsch nicht. Wenn wir den Markenkern der Linken nicht offensiv vertreten, werden wir im sich entwickelnden Chaos untergehen. Hans Modrow hat hier ein wichtiges Zeichen gesetzt.
Dieter Seeger, Rathenow
Zu »Das Gerede von der chinesischen Seuche«, 12.5., S. 15; online: dasND.de/1136529
Jochen Hanisch, Hamburg
Schon seit längerem fällt mir auf, dass etwas am Erscheinungsbild der Politik der Linken, aber auch der internationalen Linken, nicht ausreichend ist. Es fehlt eine Vision für die Entwicklung einer besseren Gesellschaft für alle Menschen dieser Erde. Die Menschheit befindet sich gegenwärtig in einem fundamentalen Wandel. Das ist eine Chance für linkes Gedankengut. Diese Vision ist sicher äußerst komplex und kann nur alle Lebensbereiche umfassen, wie Arm und Reich, Bildung, Digitalisierung, Gesundheit, Daseinsvorsorge, Klimawandel und Natur, Frieden und Abrüstung – und sie sollte global ausgerichtet sein.
Jetzt, da es immer offensichtlicher wird, dass die gegenwärtige kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht in der Lage ist, diese Probleme zu lösen, kommt es nicht nur darauf an, die Globalisie