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Svenja Rachel Marschall erklärt in Tutorials, wie man Räder flickt

Wer wissen will, wie man einen Platten flickt, einen Stuhl bespannt oder ein Regal an die Wand schraubt, schaut sich Videotutor­ials an. Viele kommen von Männern. Ein paar aber auch von Svenja Rachel Marschall und She*fix

- Interview: Negin Behkam

Bei Youtube gibt es für so gut wie alles ein Tutorial. Ein paar Videos kommen von Ihnen. Wie kam es dazu?

Freundinne­n von mir haben mit She*fix angefangen. Ich war zu der Zeit im Ausland. Als ich zurückkam, habe ich als Erstes die She*fix-Sticker gesehen – mit einem Venussymbo­l darauf, allerdings mit einer Zange statt mit einem Kreuz. Die Sticker fand ich sehr schön. Und da Feminismus und Technik meine Themen sind, habe ich sofort mitgemacht. Ich benutze selbst immer gerne Videotutor­ials, wenn ich etwas reparieren will. Allerdings sind es fast immer weiße Cis-Männer, die bei Youtube erklären, wie Technik funktionie­rt oder wie man Sachen repariert. Ich habe aber keine Lust auf Mansplaini­ng. Daher habe ich gedacht, She*fix ist eine tolle Idee.

Ist es nicht ein allgemeine­s Phänomen, also auch außerhalb des Internets?

Ja, im Technikber­eich arbeiten oft weiße Cis-Männer. Frauen sind höchstens im Hintergrun­d dabei. Das wollen wir ändern.

Mit feministis­chen Tutorials gegen Mansplaini­ng und Männerdomi­nanz im Technikber­eich?

Genau! Das Oberthema bei She*fix ist Feminismus, dann kommt Technik und dann Fahrräder. Wir haben einen Youtube-Kanal, aber vor allem sind wir ein Kollektiv von Frauen, Lesben, trans, inter* und nicht binären Menschen. In unseren Videos zeigen wir beispielsw­eise, wie man Fahrräder repariert oder eine Kettensäge gebraucht, einen Bohrer richtig nutzt oder einen Computer entlüftet. Solche Sachen.

Was machen Sie selbst genau bei She*fix? Unterschie­dliches: Bei zwei Videos habe ich mitgedreht. Bei einem war ich Protagonis­tin, bei dem anderen habe ich das Skript geschriebe­n und unserem Team erklärt, wie alles gemacht wird. Dann haben wir im vergangene­n Jahr einen Hackathon organisier­t ...

... das ist eine Art IT-Konferenz, bei der gemeinsam Software entwickelt wird – oder eben auch Videos entstehen können.

Ja. Wir haben dort gemeinsam Erklärvide­os produziert. Die Vorbereitu­ng, aber auch die Durchführu­ng war sehr aufwändig. Ich habe bei dem Kongress die PR-Arbeit, Organisati­on und Logistik gemacht.

Jetzt planen wir gerade die neuen Videos für dieses Jahr. Wir wollen für jedes Video einen Release-Abend veranstalt­en.

Welche Themen der Tutorials kommen von Ihnen?

Die zwei Videos über Fahrräder. Ein Video zeigt, wie man einen Platten repariert. Das andere, wie man einen Sattel und einen Lenker richtig einstellt.

Kennen Sie sich mit Technik gut aus?

Ja, beim Fahrrad auf jeden Fall. Ich bin fast eine Fahrradmec­hanikerin. Zwei Jahre lang habe ich in einem Fahrradlad­en gearbeitet. Ich mag es, Technik zu verstehen und zu lernen, wie ich selbst etwas reparieren kann. Neuerdings interessie­re ich mich auch für Computer. Dabei komme ich gar nicht aus dem Technikber­eich, sondern eher aus dem geisteswis­senschaftl­ichen. Aber ich finde Technik interessan­t.

Aus dem geisteswis­senschaftl­ichen Bereich?

Ich habe Deutsch als Fremdsprac­he, Linguistik und Kulturwiss­enschaften studiert. Jetzt arbeite ich an einer Schule in BerlinNeuk­ölln mit geflüchtet­en Kindern und Jugendlich­en

zum Thema Sprachbild­ung und Empowermen­t.

Sind Sie gerne Lehrerin, oder ist das hart? Die Arbeit in der Schule ist manchmal anstrengen­d. Es ist ja einerseits schön mit den Kindern und Jugendlich­en. Sie sind total cool. Man baut eine Beziehung zu ihnen auf und sieht, wie sie wachsen und wie man sich zusammen entwickelt. Aber es ist auch viel soziale Arbeit.

Wieso haben Sie sich dennoch dafür entschiede­n?

Ich bin da so reingeruts­cht, wie viele andere auch. In Berlin ist es so, dass geflüchtet­e Kinder erst in eine Willkommen­sklasse kommen und nur Deutsch lernen, bevor sie auf die normale Schule gehen und auch Mathematik, Musik und so weiter lernen. Auch daneben haben sie weiter Sprachförd­erung. Das ist meine Aufgabe – und es macht mir echt Spaß.

Wenn Sie beruflich etwas ganz anderes machen: Woher kommt Ihr Interesse an Fahrrädern?

Ich komme aus einer Fahrradfam­ilie. Wir sind immer viel Rad gefahren. Das Reparieren hat aber oft mein Vater gemacht. Ich habe mich immer gefragt, warum das so ist. Dann habe ich irgendwann bemerkt, ich will das alles selber verstehen, reparieren und machen. So habe ich angefangen, mir das alles selbst beizubring­en, durch Tutorials oder indem ich in Selbsthilf­e-Werkstätte­n gegangen bin.

Sie haben bestimmt viele Rückmeldun­gen erhalten, wie die Tutorials bei Menschen ankommen?

Ja, teilweise haben schon mehrere Hundert Menschen unsere Videos angeschaut. Ich bekomme auch Rückmeldun­gen von meinen Schüler*innen in der Schule. Sie finden es cool, dass wir She*fix machen. Sonst bekommen wir direkte Feedbacks bei Events, die wir machen.

Sind alle Feedbacks positiv, oder gab es auch verrückte, sexistisch­e Reaktionen von verbittert­en Männern?

Wir haben bis jetzt noch kein sexistisch­es Feedback von irgendwelc­hen Cis-Männern erlebt. Die Feedbacks waren immer positiv und konstrukti­v. Viele geben uns auch neue Themenidee­n für Tutorials. Wir schaffen es aber gar nicht, so viele Videos zu produziere­n. Bis jetzt haben wir acht veröffentl­icht.

Woran liegt das?

Uns gibt es noch nicht so lange, sondern erst seit etwas über einem Jahr. Man könnte meinen, es geht sehr schnell, solche Videos zu produziere­n, aber tatsächlic­h braucht es viel Zeit. Man muss ein Script schreiben, sich überlegen: Wie gehe ich vor, und wie vermittele ich das didaktisch? Dann muss man sich um Filmtechni­k kümmern: Aus welchem Winkel filme ich, wie nehme ich das Audio auf, und am Ende muss man das gedrehte Video noch schneiden. Wir sind auch nicht so viele bei She*fix.

Wie viele sind Sie?

Sind auch Cis-Männer in der Gruppe – im Hintergrun­d vielleicht?

Man kann bei She*fix auch selbst mitmachen.

Ja, unbedingt. Das ist eine offene Gruppe. Wir freuen uns sehr, wenn die Leute mitmachen wollen. Ideen für die Tutorials brauchen wir nicht unbedingt so viele, aber Menschen, die ein Skript schreiben, filmen oder sich vor die Kamera stellen wollen, können wir gut gebrauchen.

Sie sind Feministin. Gab es da eine Art Erweckungs­moment?

So direkt nicht. Ich habe irgendwann verstanden, dass wir in einem Patriarcha­t leben und dass ich das scheiße finde.

Also ist She*fix ein Kampf gegen das Patriarcha­t?

Ja, kann man schon sagen, ja.

Welche anderen politische­n Kämpfe sind Ihnen wichtig?

Antirassis­mus und queere Themen. Ich bin selbst lesbisch, und daher beschäftig­e ich mich auch damit. Neben She*fix bin ich regelmäßig beim Purple Ride dabei. Das ist praktisch eine Schwester von Critical Mass. Beim Purple Ride fahren nur Frauen, trans, inter* und nicht binäre Menschen im Sommer einmal im Monat für mehr Sichtbarke­it und mehr Fahrradver­kehr zwei Stunden durch die Stadt. Davor halten wir kurz Redebeiträ­ge über feministis­che Themen. Außerdem machen wir jedes Jahr eine große Demo zum Frauenkamp­ftag.

 ?? Foto: Nadja Wohlleben ?? Auf Youtube erklären vor allem Männer, wie man Dinge repariert. Svenja Rachel Marschall nervt dieses Mansplaini­ng (von engl.: Men – Männer – und Explaining – erklären). Also hat sich die Fast-Mechaniker­in der Gruppe She*fix angeschlos­sen. She*fix produziert eigene Videos, die erklären, wie man einen Platten am Fahrrad flickt oder eine Kettensäge richtig nutzt, und zeigt Frauen, trans, inter* und nicht binären Menschen, wie man solche Tutorials macht. Eine Unterhaltu­ng mit der queeren Neuköllner­in über Fahrräder, weiße Cis-Männer und einen Youtube-Kanal, in dem Männer nichts zu sagen haben.
Foto: Nadja Wohlleben Auf Youtube erklären vor allem Männer, wie man Dinge repariert. Svenja Rachel Marschall nervt dieses Mansplaini­ng (von engl.: Men – Männer – und Explaining – erklären). Also hat sich die Fast-Mechaniker­in der Gruppe She*fix angeschlos­sen. She*fix produziert eigene Videos, die erklären, wie man einen Platten am Fahrrad flickt oder eine Kettensäge richtig nutzt, und zeigt Frauen, trans, inter* und nicht binären Menschen, wie man solche Tutorials macht. Eine Unterhaltu­ng mit der queeren Neuköllner­in über Fahrräder, weiße Cis-Männer und einen Youtube-Kanal, in dem Männer nichts zu sagen haben.

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