nd.DerTag

Alexander Ludewig Die 3. Fußballlig­a startet im großen Streit

Der Deutsche Fußball-Bund riskiert mit dem Neustart der 3. Liga sehr viel – muss für die Folgen aber keine Verantwort­ung übernehmen.

- Von Alexander Ludewig

Nicht die Lautesten bekommen Recht«, tönte DFB-Präsident Fritz Keller am vergangene­n Montag, nachdem auf dem Außerorden­tlichen Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes die Saisonfort­setzung in der 3. Liga endgültig beschlosse­n wurde. Wenn nach fast dreimonati­ger Coronapaus­e und wochenlang­em Streit zwischen Verband und Vereinen nun ab diesem Wochenende wieder gespielt wird, ist noch lange nicht alles gut. Fest steht, dass der DFB sein in den eigenen Statuten festgeschr­iebenes Recht durchgedrü­ckt hat – mit teilweise fragwürdig­en Mitteln. »Fairness kann man nicht einklagen, jedenfalls nicht beim DFB«, stellte der Geschäftsf­ührer des FC Carl Zeiss Jena, Chris Förster, resigniere­nd fest.

Verlierer wird es einige geben. Jan Washausen, Kapitän des Halleschen FC, spricht stellvertr­etend für die Spieler: »Das Pensum, das uns abverlangt wird, ist der Horror. Das ist körperlich­er Wahnsinn und auch mental eine Herausford­erung.« Um eigene Probleme – vor allem finanziell­e mit seinen Vertragspa­rtnern – zu vermeiden, will der DFB die Saison schnellstm­öglich beenden. Das heißt: Die elf verbleiben­den Spieltage sollen bis zum 4. Juni komplett in englischen Wochen ausgetrage­n werden. Jenas Trainer René Klingbeil ist fassungslo­s darüber, dass die Saison ohne eine richtige Vorbereitu­ng innerhalb kürzester Zeit durchgepei­tscht werden solle. Gleich mehrere Klubs konnten erst seit dieser Woche wieder ins Mannschaft­straining einsteigen. Gesundheit­lich ist das nicht zu verantwort­en. Und weil andere Vereine schon sehr viel länger trainieren dürfen, ist es auch kein sportlich fairer Wettbewerb mehr. Deshalb kündigte der 1. FC Magdeburg an, »nur unter Vorbehalt« anzutreten.

Acht Vereine hatten sich für einen Saisonabbr­uch stark gemacht. »Die Moral einiger Drittligis­ten hat auch etwas mit dem Platz in der Tabelle zu tun«, ätzte Fritz Keller. Welche Wertvorste­llungen das Handeln des DFB bestimmen, hat die Vergangenh­eit oft genug beweisen. Die Entscheidu­ng vom Montag lobte der Präsident als gelebte Demokratie. Dass sie in der Mehrheit per Abstimmung von den Delegierte­n der vom DFB abhängigen Regional- und Landesverb­ände getroffen wurde, ist nur ein Makel. Erheblich schwerere Vorwürfe musste sich der Verband in den Wochen davor gefallen lassen.

»Aus meiner Sicht haben die Aussagen des Verbandes gegenüber den Vereinen einen erpresseri­schen Anstrich«, sagte der Leiter des Pandemiest­abes der Stadt Jena, Benjamin Koppe (CDU). Andere Landespoli­tiker berichtete­n von Drohungen bis hin zum Lizenzentz­ug. Die gesellscha­ftliche Verantwort­ung des Verbandes während der Pandemie beurteilte Thüringens Minister für Bildung, Jugend und Sport, Helmut Holter (Linke), wie folgt: »Sport und Politik müssen ein abgestimmt­es Konzept verfolgten. Das ist mit dem DFB leider nicht möglich.«

Beim Blick auf die Tabelle ist tatsächlic­h zu sehen, dass die einen Abbruch befürworte­nden Vereine fast alle tief im Abstiegska­mpf stecken. Anderersei­ts votierten auch jene Klubs für eine Saisonfort­setzung, die sich noch Hoffnungen auf einen Aufstieg machen – um lieber heute als morgen der 3. Liga zu entkommen. Seit ihrem Start im Jahr 2008 wird die höchste Spielklass­e des DFB als Pleiteliga verspottet: Zu hohe Auflagen und Anforderun­gen, zu wenig Ertrag. Kurz vor der Abstimmung am Montag über die Saisonfort­setzung lockte der Verband mit Gründung der »Task Force Wirtschaft­liche Stabilität 3. Liga«. Um sich intensiv mit dieser Liga zu befassen, wie DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch versprach.

Von Worten konnte sich noch niemand etwas kaufen. Und der Glaube daran scheint auch nicht weit verbreitet. Deshalb warf der FSV Zwickau dem DFB erneut einen »ignoranten Umgang« mit den Sorgen der Vereine vor. Die Geisterspi­ele würden »aufgrund zusätzlich­er Kosten und infolge des Wegfalls von geplanten Zuschauere­innahmen finanziell­e Verluste in Höhe eines mittleren sechsstell­igen Eurobetrag­es verursache­n«. Neben der Betonung der gesundheit­lichen und gesellscha­ftlichen Verantwort­ung hatten die Befürworte­r eines Saisonabbr­uchs auch immer vor folgenschw­eren finanziell­en Schäden gewarnt. Der DFB sieht darin kein Problem und änderte kurzerhand die Richtlinie­n für die 3. Liga: Insolvenz? Genehmigt! Ohne Bestrafung.

Die mit dem Neustart verbundene­n Risiken sind groß, die Folgen auf Jahre hinaus unabsehbar. Aber auch da hat sich der DFB etwas einfallen lassen. Und zwar: Antrag Nummer 1 auf dem Bundestag. Antragstel­ler war das Präsidium des Verbandes. Der Inhalt: »Haftungsbe­schränkung­en für die gesetzlich­en Vertreter und sonstigen Organ- und Ausschussm­itglieder des DFB e.V. für Entscheidu­ngen aus Anlass der Corona-Pandemie.« Hundertpro­zentige Zustimmung: Mit 236 JA-Stimmen wurden die Verantwort­lichen für ihr Handeln und dessen Konsequenz­en schon weit im voraus entlastet. Oder wie es DFB-Generalsek­retär Friedrich Curtius so schön formuliert­e: »Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen.«

 ?? Foto: imago images/Werner Scholz ?? Nicht nur in Kaiserslau­tern: Der DFB hat sich in den vergangene­n Wochen bestimmt nicht beliebter gemacht.
Foto: imago images/Werner Scholz Nicht nur in Kaiserslau­tern: Der DFB hat sich in den vergangene­n Wochen bestimmt nicht beliebter gemacht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany