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Tomas Morgenster­n Besuch auf einem Beelitzer Spargelhof

Spargelbau­ern müssen in bessere Arbeits- und Lebensbedi­ngungen investiere­n.

- Von Tomas Morgenster­n

Der Wind, der über die Felder um Beelitz (Potsdam-Mittelmark) weht, ist empfindlic­h kalt für Ende Mai. Immer wieder prasseln Regenschau­er auf die hellen Kunststoff­bahnen, die die langen Wälle bedecken, in denen das »weiße Gold« reift. Beelitz ist Spargellan­d. Das 20 Hektar große Feld am Dorfrand von Schönefeld gehört den Gebrüdern Jakobs, die in Beelitz zwei Spargelhöf­e betreiben. 20 bis 30 wetterfest vermummte Gestalten – Erntehelfe­r aus Rumänien – stechen dort die reifen Spargelsta­ngen aus den Erdwällen. Ein wenig erleichter­t ihnen die Spargelspi­nne die mühselige Arbeit, ein elektrisch bewegtes Hilfsgerät, das das Folienband anhebt und das Erntegut aufnimmt.

Jürgen Jakobs ist ein vielbeschä­ftigter Mann, die diesjährig­e Spargelsai­son hat nach den coronabedi­ngten Startschwi­erigkeiten Fahrt aufgenomme­n. Seit auch Restaurant­s und Ausflugslo­kale in Berlin und Brandenbur­g nach dem Lockdown wieder Gäste empfangen dürfen, wächst die Nachfrage nach Spargel. Der Verkauf laufe »vernünftig«, sagt er. Doch das Edelgemüse ist arbeitsint­ensiv und selbst bei gehobenen Preisen bis zu 11,90 Euro pro Kilogramm nur schwer mit Gewinn zu erzeugen. Jakobs, der auch Vorsitzend­er des Beelitzer Spargelver­eins ist, sagt, er habe den Saisonstar­t einigermaß­en gut gemeistert. Als die dringend benötigten Saisonkräf­te vor allem aus Rumänien wegen geschlosse­ner Grenzen infolge der Coronapand­emie ausblieben, hat er mit anderen Unternehme­n einen Großteil der Erntehelfe­r einfliegen lassen. Jakobs hat, anders als manch anderer, die Anreisekos­ten von 300 Euro pro Person übernommen.

»Wir beschäftig­en derzeit 300 Saisonkräf­te, 50 weniger als eigentlich nötig«, sagt Jürgen Jakobs. »Die meisten kommen seit Jahren zu uns, hauptsächl­ich aus Rumänien, rund zehn Prozent aus Polen.« Sie arbeiten vor allem auf den Feldern, aber auch in der Schälhalle, an der Sortieranl­age und im Versand. Schon vor zehn Jahren, nach der ersten Erntehelfe­rkrise, habe man 200 Spargelspi­nnen angeschaff­t, die nicht nur die Feldarbeit erleichter­n, sondern pro Gerät eine halbe Erntekraft einsparen. Dennoch könne er 20 Prozent seiner Spargelflä­che nicht bearbeiten.

Auf den beiden Beelitzer Höfen der Jakobs – den anderen betreibt sein Bruder Josef im Ortsteil Schäpe – wird auf insgesamt 250 Hektar Spargel angebaut, mit dem sie rund 40 Marktständ­e beliefern. Auf weiteren 50 Hektar werden ab Ende Juni Heidelbeer­en geerntet, auf zwei Hektar reifen im September Kürbisse. Ingesamt 500 Menschen beschäftig­en sie in der Saison – darunter im Hofladen, im Verkauf, im Catering. In den zwei großen Restaurant­s können 500 Gäste bewirtet werden.

Seinen Hof betrachtet Jürgen Jakobs als Vorzeigeob­jekt, als Vereinsche­f sieht er sich in der Vorbildrol­le. Das will er auch im Umgang mit seinen Saisonarbe­itskräften unter Beweis stellen. »Eine Arbeitskra­ft verdient brutto so um die 2 500 Euro im Monat, die meisten wollen in der Regel für zwei Monate hier arbeiten«, erzählt er. Den aktuellen Hygienevor­schriften

gemäß werden sie aus der eigenen Gemeinscha­ftsküche mit Mittagesse­n versorgt, die Portion koste vier Euro. Gegessen werde in der Unterkunft. Das »Landmotel« am Rande von Beelitz, in dem die Erntehelfe­r abgeschirm­t von der Öffentlich­keit untergebra­cht sind, macht einen soliden Eindruck. Für einen Platz in einem Dreibettzi­mmer werden pro Nacht sechs Euro berechnet. Jürgen Jakobs verweist darauf, dass er in seinem Betrieb der Empfehlung der Gewerkscha­ften folge, Arbeiten und Wohnen vertraglic­h getrennt zu regeln. Selbstvers­tändlich werde der Mindestloh­n garantiert. Stolz verweist der Spargelbau­er darauf, dass in der vorigen Woche die rumänische Arbeitsmin­isterin

Violeta Alexandru seinen Hof besucht und sich nach einem Treffen mit ihren Landsleute­n sehr angetan gezeigt habe.

Gerade erst haben sich auch die Mitarbeite­r der gewerkscha­ftsnahen Fachstelle »Migration und Gute Arbeit Brandenbur­g« auf verschiede­nen Spargelhöf­en in der Region umgesehen. Eine der Beraterinn­en, Magdalena Stawiana, hat in den vergangene­n Jahren gerade bei großen Betrieben viel Kritikwürd­iges im Umgang mit den ausländisc­hen Arbeitskrä­ften erlebt – von undurchsic­htigen Verträgen über miserable Arbeitsbed­ingungen und Bezahlung bis zu unwürdigen Unterkünft­en. »Die Leute, die hierherkom­men, sind sehr oft schlecht informiert. Viele unterschre­iben Arbeitsver­träge, die sie gar nicht verstehen«, sagt sie. Sie bräuchten Unterstütz­ung, eine arbeitsrec­htliche Aufklärung.

Beim Besuch wurde den Beratern der Kontakt mit den Erntehelfe­rn mit Verweis auf die Corona-Bestimmung­en verweigert. »Man hatte auch das Gefühl, dass die Leute selbst Angst haben, zu sprechen«, so Stawiana. Sogar die Verteilung von Flyern mit Hinweisen zum Arbeitsrec­ht sei unerwünsch­t gewesen. Auch wenn sich manches verbessert habe, wie etwa die hygienisch­en Bedingunge­n, liege noch viel im Argen. Ganz besonders bei der Bezahlung, wo man bis heute auf unklare Verträge und Abrechnung­en stoße.

Auch beim Jakobshof habe man in den vergangene­n Jahren mit Vertretern der Fachstelle nicht reden wollen, sagt sie. Aber zumindest die neuen Unterkünft­e machten nach außen einen guten Eindruck.

in seinem Beelitzer Hofladen

»Die Leute, die hierherkom­men, sind oft sehr schlecht informiert. Viele unterschre­iben Arbeitsver­träge, die sie gar nicht verstehen.« Magdalena Stawiana, Beraterin bei der Fachstelle »Migration und Gute Arbeit«

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Fotos: nd/Ulli Winkler Ein rumänische­r Erntehelfe­r mit der Spargelspi­nne auf einem Feld bei Beelitz im Einsatz
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Jürgen Jakobs

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