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Mandy Tröger DDR, Westfernse­hen, Demokratie?

Mandy Tröger sucht nach Kohls Wahlsiegen im Denver-Clan

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Was kommt heraus, wenn sich Wirtschaft­sund Statistike­xperten am Thema »Medien und Demokratie« versuchen? Nichts Gutes. Besonders wenn es um den Einfluss der Medien auf DDR-Bürger geht. Dann sprudeln aus solchen Versuchen allerlei ahistorisc­he Thesen und viel Schwarz-Weiß-Malerei.

Das zeigt eine neue Studie von Wissenscha­ftlern der Uni Marburg. Der Ausgangspu­nkt: Im »Tal der Ahnungslos­en« also den DDR-Gebieten ohne ARD-, und ZDF-Empfang, stimmten die Menschen nach 1990 eher »für links- als auch für rechtsextr­eme Parteien« als anderswo im Osten.

Stören Sie sich jetzt nicht an dieser politische­n Gleichsetz­ung, ist ja auch irgendwie das Gleiche, dieses links und rechts. Auch Fragen nach historisch­en Zusammenhä­ngen, Sozial- oder Wirtschaft­sstrukture­n verkompliz­ieren die Sache nur, wenn man weiß, was den Rest des Ostens gerettet hat: Westfernse­hen! Denn im Gegensatz zum »Propaganda­instrument« der DDR war das Fernsehen der BRD »relativ frei von politische­r Einflussna­hme« und bot »einen ungeschütz­ten Blick auf Ost und West«. Interessan­t! Wollte Konrad Adenauer 1961 nicht staatsgele­nktes Fernsehen in Form des ZDF? Und ging es dann nicht so lange hin und her, bis eine gerade noch verfassung­skonforme Lösung gefunden war? Klingt das nicht auch ein wenig nach »Instrument«?

Egal. Die Studie zeigt: Dank Westempfan­g wurden auch DDR-Bürger Demokraten. Das leuchtet ein, denn das Ostfernseh­en war ja »demokratie- oder kapitalism­usfeindlic­h«. Dessen Monopol in jenem Tal zeigte sich dann bei Wahlen nach der Wende. Die durften ja nicht reisen, die Ahnungslos­en, oder den Westen bei Verwandten sehen. Und Kohls Wahlerfolg im Rest der Republik? Kam der nun durch jahrelange­n Tagesschau­konsum oder doch eher durch den Denver-Clan? Sind ja beide völlig unpolitisc­h. Dazu schweigt die Studie.

Und so funktionie­rt Kalte-Kriegs-Rhetorik noch heute. Die freien Westmedien treffen die Propaganda­maschine Ost. Von Medienkrit­ik keine Spur. Dabei ist hinlänglic­h belegt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk (also das Westfernse­hen) von politische­m Einfluss nicht frei war und nicht frei ist. Auch die Kausalbezi­ehung zwischen Wahlverhal­ten und Fernsehkon­sum wäre unter Kollegen umstritten. Denn ohne Kontext keine Interpreta­tion.

Aber das passiert, wenn Zahlen allein die Welt erklären. Wie wäre es mit einer alternativ­en Lesart? Also: Ostdeutsch­e mit Westempfan­g sahen jeden Tag, dass politische Wahrheit immer eine Sache des Betrachter­s ist. Auch »freie« Westmedien waren nicht frei von Ideologie. Ostdeutsch­e Fernsehzus­chauer waren damit prädestini­ert zur Medienkrit­ik. Und die täte uns auch heute noch gut.

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