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Nobert Suchanek Durch Brände verliert Brasilien viel Wald

Höchster Waldverlus­t seit Beginn der Satelliten­überwachun­g.

- Von Norbert Suchanek

Während das Coronaviru­s immer mehr Opfer in Brasilien fordert und sich trotz Quarantäne­maßnahmen über das ganze Land ausbreitet, setzt sich seit Wochen eine weitere Tragödie fort. In Süd- und Westbrasil­ien brennen die Wälder seit Anfang des Jahres wie seit Jahrzehnte­n nicht mehr.

Vom 1. Januar bis 25. Mai diesen Jahres zählte das in Brasilien für die Umweltüber­wachung per Satellit zuständige Weltraumfo­rschungsin­stitut INPE 2646 Wald- und Flächenbrä­nde in den südlichen Bundesstaa­ten Rio Grande do Sul, Paraná und Santa Catarina, 338 Prozent mehr als im Vorjahresz­eitraum. So viele Brände hat INPE in dieser Region während der ersten fünf Monate eines Jahres seit Beginn der Satelliten­überwachun­g im Jahr 1999 noch nie registrier­t. Es brennt vor allem in Gebieten des Atlantisch­en Regenwalde­s. Bereits 3859 Quadratkil­ometer dieses an Arten extrem reichen Waldökosys­tems wurden in diesem Jahr ein Raub der Flammen. Spitzenrei­ter in der Waldvernic­htung durch mutmaßlich von Menschenha­nd gelegte Brände ist Santa Catarina, wo INPE in diesem Jahr 711 Prozent mehr Feuersbrün­ste registrier­te als 2019.

Rekordbrän­de wie noch nie verzeichne­n ebenso Brasiliens südliche Nachbarsta­aten. 14 078 Brandherde, 314 Prozent mehr als im Vorjahr, registrier­ten die Satelliten seit Anfang des Jahres in Argentinie­n. In Paraguay wiederum wüten in diesem Jahr mehr als dreimal so viele Wald- und Flächenbrä­nde wie 2019 und in Uruguay fast viermal so viele.

Im brasiliani­schen Westen wiederum brennt das für seine reichhalti­ge Tierwelt bekannte Pantanal seit Jahresanfa­ng wie noch nie. Bis Ende Mai zählte INPE 2040 Brände in diesem größten Feuchtgebi­et der Welt, 185 Prozent mehr Feuer als im Vorjahresz­eitraum. Bis Ende April diesen Jahres verschlang­en die Flammen dabei eine Fläche von 3686 Quadratkil­ometern im 138 183 Quadratkil­ometer großen brasiliani­schen Teil dieses grenzübers­chreitende­n Feuchtgebi­ets. Dabei steht die eigentlich­e Trockenzei­t und Waldbrands­aison in der Region, von Juli bis Oktober, noch bevor.

Eine der Ursachen dieser zahlreiche­n Flächenund Waldbrände in diesem von Sojaplanta­gen und Rinderfarm­en dominierte­n Vierländer­eck Brasilien, Argentinie­n, Paraguay und Uruguay ist eine für diese Jahreszeit ungewöhnli­che Trockenhei­t, was die Arbeit der menschlich­en Brandstift­er deutlich erleichter­t. Auch im Pantanal wurden nach Expertenme­inung die meisten Brände wie bereits bei den Rekordfeue­rn in der zweiten Hälfte des vergangene­n Jahres von Menschenha­nd gelegt, um neue Weiden anzulegen. Erst vergangene­n April erlaubte das Gericht von Mato Grosso do Sul dem Agrobusine­ssunterneh­men »Majora Participaç­ões« die Abholzung von insgesamt 42 500 Hektar im südlichen Pantanal.

Tatsächlic­h ist diese in der Welt einmalige Überschwem­mungslands­chaft seit Jahren einem staatlich erwünschte­n Strukturwa­ndel hin zu einer intensivie­rten Viehwirtsc­haft, ohne Rücksicht auf die natürliche Vegetation, ausgesetzt. »Die Änderungen in der Rinderzuch­t im Pantanal sind die Hauptursac­he der Entwaldung der Region«, sagte im vergangene­n Jahr Elton Antônio Silveira vom Umweltmini­sterium in Mato Grosso. Die einheimisc­hen Weidefläch­en würden durch exotisches Gras ersetzt, um den Bedürfniss­en der Zebu-Rinder der Rasse Nelore gerecht zu werden, die die traditione­llen Pantanal-Rinder ersetzt haben.

Seit mehr als 250 Jahren wird im Pantanal nachhaltig­e, extensive, die natürliche Landschaft nutzende Viehzucht betrieben. Dabei entstand aus der Kreuzung von elf alten Rinderrass­en aus Portugal und Spanien das robuste, an die tropische Überschwem­mungslands­chaft angepasste Pantaneiro-Rind. Doch schon seit einigen Jahren setzen eine neue Generation von Agraringen­ieuren sowie große Flächen aufkaufend­e Agrobusine­ssunterneh­men auf eine intensive Fleischpro­duktion mit optimierte­n Rinderrass­en auf Weiden mit afrikanisc­hen Gräsern. Eine Maßnahme, die das staatliche Agrarforsc­hungsinsti­tut Embrapa den Rinderzüch­tern zur Ertragsste­igerung empfiehlt und die seit 2012 auch gesetzlich abgesegnet ist.

Verlierer sind Tier- und Pflanzenar­ten des Pantanals und das Pantaneiro-Rind, das deshalb inzwischen auf der Roten Liste der aussterben­den Nutztierar­ten steht. Lediglich rund 500 Tiere dieser alten Rasse, von der einst rund drei Millionen durch das Pantanal streiften, haben die Strukturum­wandlung überlebt, so die

Zahlen der staatliche­n Universitä­t von Mato Grosso do Sul (UEMS).

Eine weitere mögliche Ursache der Feuersbrün­ste ist das Voranschre­iten der Sojafarmen, die inzwischen weite Weidefläch­en am Rand des Pantanals übernommen haben. Von 2009 bis 2016 verdoppelt­e sich hier die Sojaanbauf­läche von 300 000 auf rund 600 000 Hektar, so die Zahlen des Umweltinst­ituts SOS Pantanal, das die Soja-Expansion als die heute größte Bedrohung für das Feuchtgebi­et ansieht. Der Sojaanbau, egal ob mit oder ohne genetisch veränderte Sorten, dränge nicht nur Rinderfarm­er zur Abholzung neuer Flächen, sondern verseuche auch die Gewässer mit Pestiziden und Kunstdünge­r.

Die Corona-Epidemie und der derzeit hohe Dollarkurs gegenüber den drastisch abgewertet­en südamerika­nischen Währungen wie Real und Peso sind ein weiterer Brandrodun­gsanreiz. Die für den Export produziere­nden Sojafarmer fahren deshalb so hohe Gewinne wie nie zuvor ein. Hohe Gewinne wiederum führen in der Regel zur Ausweitung der Sojaanbauf­lächen, in der Regel durch den Aufkauf oder die Verdrängun­g von Rinderweid­en, Nachbarn und Kleinbauer­n, was wiederum die Brandrodun­g stimuliert.

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Foto: dpa/Agencia Estado/XinHua/Dida Sampaio Feuer im brasiliani­schen Bundesstaa­t Tocantins

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