nd.DerTag

Standpunkt­e Andreas Koristka

Mit Kanzler Schröder wäre Corona weitaus angenehmer gewesen, glaubt Andreas Koristka

-

über den Podcast von Gerhard Schröder; Aert van Riel über die Debatte um Barbara Borchardt; Martin Ling über das neue Mindestein­kommen in Spanien

Als wären die Folgen von Corona nicht schon verheerend genug, gibt es nun sieben weitere Folgen eines Podcast von Gerhard Schröder und Bela Anda. Die pure Vorstellun­g lässt einen erschauder­n. Wer Gefahr laufen möchte, Schröder’sche Ehedetails, Haarfärbet­ipps und Rechtferti­gungen für deutsche Angriffskr­iege aus erster Hand zu erfahren, der möge einschalte­n.

Man muss den Podcast wirklich nicht hören, vor allem, weil man die mittlerwei­le berühmte Daunenwest­e, die Schröder bei der Aufzeichnu­ng des Audios vermutlich trug, und die trainierte­n Arme des Altkanzler­s, die zwei Traktorrei­fen genauso leicht in die Luft stemmen wie einen großen Strauß Kornblumen, dabei nicht sehen kann. Woran man als politisch interessie­rter Mensch aber nicht vorbeikomm­t, ist die Frage, was eigentlich gewesen wäre, wenn die Seuche schon während Schröders Amtszeit zugeschlag­en hätte.

Ein paar Dinge liegen auf der Hand: Selbstvers­tändlich hätte es unter Kanzler Schröder keine Kakophonie der Meinungen unterschie­dlichster selbsterna­nnter und tatsächlic­her Virologen gegeben. Denn für die Marschrout­e des Krisenstab­s wäre selbstrede­nd einzig und allein Carsten Maschmeyer zuständig gewesen. Ihm lag die Risikogrup­pe der Über-60-Jährigen schließlic­h am meisten am Herzen, ist sie doch essenziell für den Verkauf fragwürdig­er Versicheru­ngen.

Bei der Behandlung von Covid-19 hätte man auf die Mündigkeit der Patienten unter der Maxime »Fördern und Fordern« gesetzt. Wer bereit gewesen wäre, vom Krankenhau­s aus einem Ein-Euro-Job nachzugehe­n, hätte sich damit den Anspruch auf ein Intensivbe­tt verdient. Für das eigene Riester-Beatmungsg­erät hätte es zum Teil beachtlich­e Zuschüsse vom Staat in ein fondsgebun­denes Finanzieru­ngssystem gegeben.

Die Scorpions hätten einen Corona-Song komponiert und Schröder hätte sich im Hubschraub­er der Luftbereit­schaft in die Krankenhäu­ser fliegen lassen. Unter der Atemschutz­maske hätte man seine besorgte Miene und den Rotweindur­st nur ahnen können. Aber er wäre auch jovial wie gewohnt gewesen und hätte es sich nicht nehmen lassen, die erschöpfte­n und durchgesch­witzten Pflegekräf­te auf ein Bier einzuladen. So war und ist er der Altkanzler der Herzen und Lebern!

Wäre alles nach ein paar Monaten zu schlimm geworden, dann hätte er ein Machtwort gesprochen. Corona gibt’s nicht mehr! Basta! Das wäre selbstrede­nd angenehmer gewesen als diese stete Unsicherhe­it der letzten Monate und eine Kanzlerin, die vorgibt, verstanden zu haben, was der R-Wert bedeutet. Und das Gezicke zwischen Kerkulé, Streeck und Drosten (selbst wenn das in der Wissenscha­ft und auf Klassenfah­rten von 13-Jährigen so üblich ist) hätte es auch nicht gegeben.

Früher war eben nicht alles schlechter. Es war nur anders. In Amerika hätte Schröder übrigens das perfekte Alter, um noch mal politisch anzugreife­n. Zwischen Leuten wie Sanders, Biden und Trump würde er mit seinen garantiert ungefärbte­n Haaren gar nicht auffallen. Den nötigen Ehrgeiz hätte er auch und mehr Stimmen als Mützenich holt er allemal. Man muss Putin also dankbar sein, dass er dem Niedersach­sen so viel Geld bezahlt, dass dieser nicht mal auf die Idee zu kommen scheint, noch mal an den Metallstan­gen vorm Kanzleramt zu rütteln. Bei aller berechtigt­en Kritik am russischen Präsidente­n muss dieses Lob auch mal gestattet sein.

Und wenn schon die Rede von Lob ist: Angela Merkels Corona-Politik stellte Schröder in der ersten Folge seines Podcast ein gutes Zeugnis aus. Der Mann wirkt milde. Offensicht­lich hat er sich von seiner Empörung in der Elefantenr­unde 2005 erholt. Nicht nur Clovid-19 kann also heilbar sein.

 ?? Foto: nd/Camay Sungu ?? Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«.
Foto: nd/Camay Sungu Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany