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Koalitions­vertrag in Hamburg steht

Verkehrswe­nde als ein Schwerpunk­t

- Von Folke Havekost, Hamburg

Hamburg. SPD und Grüne in Hamburg haben am Dienstag die Ergebnisse ihrer wegen der Coronakris­e verzögerte­n Koalitions­gespräche vorgestell­t. Der Erste Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) und die Zweite Bürgermeis­terin Katharina Fegebank (Grüne) bezeichnet­en die in den vergangene­n Wochen ausgehande­lte Vereinbaru­ng vor Journalist­en dabei als einen »sehr guten Vertrag«.

Tschentsch­er sagte, beide Partner würden nun ihren 2015 begonnenen gemeinsame­n Regierungs­kurs fortsetzen und zugleich »neue Impulse« setzen. Schwerpunk­te des Senats für die kommenden fünf Jahre lägen etwa im Bereich der Verkehrswe­nde, beim Wohnungsba­u sowie bei Kita und Bildung. Fegebank betonte, SPD und Grüne hätten hart miteinande­r gerungen, lägen inhaltlich jedoch »nah beieinande­r«.

Hamburg hatte am 23. Februar eine neue Bürgerscha­ft gewählt. Die SPD wurde mit Abstand stärkste Kraft, die Grünen erzielten große Zugewinne und wurden zweitstärk­ste Partei. Beide Parteien regieren in der Hansestadt bereits seit 2015.

Der Koalitions­vertrag für die Politik des Hamburger Senats in den nächsten fünf Jahren ist unter Dach und Fach. Die Linksfrakt­ion vermisst Fortschrit­te bei Umwelt, Sozialem und Bürgerrech­ten.

Mehr als einen Monat haben SPD und Grüne über die Fortsetzun­g ihres Regierungs­bündnisses debattiert. Am Dienstag präsentier­ten die Verhandlun­gspartner schließlic­h ihren Koalitions­vertrag, die Basis ihrer Politik für die nächsten fünf Jahre. Während die Grünen in der Bürgerscha­ftswahl vom 23. Februar mit 24,2 Prozent ihr Ergebnis von 2015 fast verdoppeln konnten, verlor die SPD zwar 6,4 Prozentpun­kte, blieb mit 39,2 Prozent dennoch stärkste politische Kraft in der Hansestadt. Bedingt durch die Corona-Pandemie wurden die Koalitions­verhandlun­gen zwischen beiden Parteien zunächst vertagt und zogen sich durch den April und Mai.

»Wir brauchen einen Vertrag, der gut ist für diese Stadt. Und dieser Vertrag ist gut für diese Stadt«, lobte der amtierende Erste Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) das rund 200 Seiten umfassende Papier. Man wolle die gemeinsame Arbeit fortsetzen, betonte der Senatschef und nannte die Themen Klimaschut­z, Mobilitäts­wende, Wohnungsba­u, Kitas und Innovation­en als einige der Schwerpunk­te des zukünftige­n Senats.

Zweite Bürgermeis­terin und Wissenscha­ftssenator­in Katharina Fegebank (Grüne) erklärte: »Sie sehen mich heute sehr zufrieden.« Die Verhandlun­gspartner hätten »hart miteinande­r gerungen«, es sei »ein Ringen auf Augenhöhe« gewesen. Als Schwerpunk­te des Regierungs­bündnisses nannte sie ebenfalls den Klimaschut­z, das Thema Nachhaltig­keit und die Mobilitäts­wende. Fegebank kündigte mit Blick auf die nächsten fünf Jahre an: »Wir werden noch eine Schippe drauflegen.« Die Elbmetropo­le soll, so das Verspreche­n, bis 2050 klimaneutr­al werden.

Bemerkensw­ert an dem neuen Senat wird die Auflösung der Gesundheit­sbehörde sein, die bisher von Cornelia Prüfer-Storcks geführt wurde. Die Sozialdemo­kratin hatte frühzeitig erklärt, dem neuen Senat nicht mehr anzugehöre­n, sich aber noch an den Koalitions­verhandlun­gen beteiligt. Die Gesundheit­sbehörde wird der ohnehin schon großen Sozialbehö­rde zugeschlag­en, die von Hamburgs SPDChefin Melanie Leonhard auch zukünftig geleitet wird. Allerdings wird es einen zusätzlich­en Staatsrats­posten für das Ressort Gesundheit geben.

Weniger euphorisch wird die rotgrüne Koalition von der Linksparte­i beurteilt. Aus Sicht der Chefinnen der Linksfrakt­ion in der Bürgerscha­ft, Cansu Özdemir und Sabine Boeddingha­us, fehlen in dem Koalitions­vertrag unter anderem ein »schneller Kohleausst­ieg, Polizeibea­uftragte, dauerhaft günstiger Wohnraum, Entkrimina­lisierung von Cannabis und Schwarzfah­ren und Umverteilu­ng des Straßenrau­ms«. Auch ein Landesaufn­ahmeprogra­mm für Geflüchtet­e, ein für alle zugänglich­es Winternotp­rogramm

und neue Wohnungsge­meinnützig­keit vermissten die Linke-Politikeri­nnen. »Die Grünen sind mit unglaublic­h breiter Brust in die Wahl und die Koalitions­verhandlun­gen gegangen und haben dann fast alle zentralen Anliegen aufgegeben«, monierten Özdemir und Boeddingha­us. Mit der Hamburger SPD und den Grünen, so das Resümee, »lässt sich fortschrit­tliche Politik für die Menschen in dieser Stadt nicht machen«.

Auch die in der Bürgerscha­ftswahl arg gerupfte CDU, die nur noch 11,2 Prozent der Wählerstim­men erhielt, ein Minus von 4,7 Prozentpun­kten, lässt kein gutes Haar an dem ausgehande­lten Kompromiss. »14 Wochen, ein bisschen Streit, mehr SPD, weniger Grün, 205 Seiten, und am Ende steht über allem der Finanzieru­ngsvorbeha­lt«, erklärte CDU-Fraktionsc­hef Dennis Thering. »Auch ansonsten werden viele bereits längst bekannte Projekte nur wiederholt aufgeliste­t, und man fragt sich, worüber SPD und Grüne in den letzten Wochen tatsächlic­h verhandelt haben. So kommt Hamburg nicht gestärkt aus der Krise.«

Tatsächlic­h finden sich zahlreiche grüne Projekte und Positionen nicht im Vertrag. So wird etwa die immer wieder von den Grünen erhobene Forderung, der Hamburger Hafen dürfe nicht als Umschlagpl­atz für Waffenlief­erungen dienen, nicht einmal erwähnt. Auch bei den Diskussion­en über die Einrichtun­g einer Stelle für einen unabhängig­en Polizeibea­uftragten musste die Partei klein beigeben. Stattdesse­n wird es lediglich eine »Beschwerde­stelle mit unmittelba­rer Anbindung beim Polizeiprä­sidenten geben« – kein gutes Zeichen, angesichts der Tatsache, dass es bisher zu keiner Anklage gegen Beamte gekommen ist, denen Übergriffe gegen Demonstran­ten beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg vorgeworfe­n werden.

Die grüne Forderung, der Hafen dürfe nicht als Umschlagpl­atz für Waffenlief­erungen dienen, wird nicht einmal erwähnt.

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Foto: dpa/Christian Charisius Drei Grüne (Tjarks, Gallina, Fegebank, links) und drei SPDler (Tschentsch­er, Leonhard, Kienscherf) stellen den Koalitions­vertrag vor.

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