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Wenig besser als nichts

Gleichbere­chtigung: Gesetz hilft nicht gegen strukturel­le Benachteil­igung von Frauen

- Von Jana Frielingha­us

Laut Artikel 3 des Grundgeset­zes muss der Staat die Durchsetzu­ng von Geschlecht­ergerechti­gkeit aktiv fördern. Tatsächlic­h mussten Frauen in Deutschlan­d im Durchschni­tt auch in diesem Jahr noch bis zum 17. März weiterarbe­iten, um auf den Lohn zu kommen, den ihre Kollegen von Januar bis Dezember 2019 erhalten hatten. 77 Tage länger also.

Nora Markard konstatier­t im Grundrecht­ereport, dass das Entgelttra­nsparenzge­setz (EntgTransp­G) nicht bei der Abschaffun­g strukturel­ler Benachteil­igung hilft. Mit dem im Juli 2017 in Kraft getretenen Regelwerk habe der Gesetzgebe­r »die Frauen weitgehend im Stich gelassen«, schreibt die Verfassung­srechtleri­n, die an der Uni Münster lehrt. Anhand des Falls der ZDF-Journalist­in Birte Meier, die bislang vergeblich gegen ihre Benachteil­igung gegenüber männlichen Kollegen bei der Vergütung klagte, zeigt Markard auf, warum der Kampf für die Beseitigun­g der Lohnlücke (Gender Pay Gap) zwischen den Geschlecht­ern »nicht einzelnen Frauen aufgebürde­t werden darf«.

Entgegen dem EU-Recht liegt die Beweislast laut EntgTransp­G bei der Klägerin. Sie muss belegen, dass der Grund der von ihnen bemängelte­n Gehaltsunt­erschiede Diskrimini­erung ist. Das erlebte auch Birte Meier. Obwohl sie »substantii­ert vorgetrage­n hatte, dass zwölf männliche Kollegen für die gleiche Tätigkeit mehr verdienten«, verlor sie auch in zweiter Instanz: Das Landesarbe­itsgericht Berlin-Brandenbur­g verlangte darüber hinaus von ihr darzulegen, dass sie aufgrund ihres Geschlecht­s weniger Geld bekam.

Markard bemängelt weiter, dass Betroffene gegen ihren aktuellen Arbeitgebe­r klagen müssen, was eine Belastung für das laufende Arbeitsver­hältnis darstelle. Aus dem Gesetz sei »alles herausverh­andelt« worden, was die Probleme bei der Durchsetzu­ng der Entgeltgle­ichheit beseitigt hätte, stellt die Juristin fest.

Schon während der Debatten über das Gesetz im Bundestag hatten insbesonde­re Linke-Politikeri­nnen darauf hingewiese­n, dass es für die Mehrheit der Frauen völlig nutzlos ist, weil es nur für Betriebe ab 200 Beschäftig­ten gilt. Nora Markard moniert außerdem, dass das Gesetz selbst für große Unternehme­n keinerlei Verpflicht­ung zur Einhaltung des Entgeltgle­ichheitsge­bots festschrei­bt. Es sei zudem so unscharf formuliert, dass viele Fragen – zum Beispiel die, ob Personen mit »arbeitnehm­erähnliche­m« Status auskunftsb­erechtigt sind – erst gerichtlic­h geklärt werden müssten. Auch dies betrifft Birte Meier, die deshalb ein Grundsatzu­rteil anstrebt.

Für Markard ist deshalb klar: »Grundrecht­lich ist dieser Zustand nicht hinnehmbar.«

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