nd.DerTag

Zwei Wochen lang Lehrer

Freiwillig­enarbeit in Kambodscha ist umstritten

- Sarah Tekath

Die jungen Frauen stehen ziemlich verloren da. So richtig hat ihnen niemand gesagt, was sie tun sollen. Corinna, Fabienne und Klaudia, die eigentlich anders heißen, sind Europäerin­nen, Anfang 20 und wollen in Kambodscha Englisch unterricht­en. Das Projekt in Battambang haben sie online gefunden. Eine FacebookNa­chricht an den Gründer habe gereicht, dann kam die Zusage. Qualifikat­ionen seien nicht überprüft worden, und auch heute ist die Einweisung eher dürftig. Schließlic­h kommt jemand und erklärt, dass sich die Klassenleh­rerin verspäte. Sie sollen schon anfangen. Nervöses Gelächter. Mit dem »Mach einfach mal«Prinzip haben die Frauen offenbar nicht gerechnet.

Durch die problemati­sche Lage des Schulsyste­ms in Kambodscha sind zahlreiche Projekte entstanden, die Ausländern die Möglichkei­t bieten, Freiwillig­enarbeit zu leisten. Oft als Englischle­hrer für wenige Wochen oder gar Tage. Dieser Trend nennt sich Voluntouri­smus und setzt sich aus dem englischen Volunteeri­ng (Freiwillig­enarbeit) und Tourismus zusammen. Reisende wollen hier etwas zurückgebe­n und irgendwie helfen. Irgendwie meint aber oftmals, dass jeder auch einfach irgendwie macht. Feste Unterricht­sstrukture­n gibt es nicht, und auch ein Lehrplan ist nicht vorgegeben. Ein Dossier zum Thema Voluntouri­smus der Kinderschu­tzorganisa­tion ECPAT Deutschlan­d e. V. kritisiert vor allem das geringe Know-how der Freiwillig­en, die mangelnden Vorbereitu­ngen und die kurzen Einsatzzei­ten. Letzteres berge das Risiko, eine stabile emotionale Entwicklun­g der Kinder durch die hohe Fluktuatio­n von Bezugspers­onen zu gefährden.

Anders beim amerikanis­chen Peace Corp in Battambang. An ihrem freien Tag sitzt Jasmine Perry in einem Café im Stadtkern. Seit wenigen Monaten ist die Deutschame­rikanerin in Kambodscha, insgesamt wird sie zwei Jahre bleiben. »Vor meiner Ankunft musste ich ein zweimonati­ges Training absolviere­n. Wir haben Grundkennt­nisse in Khmer und kulturelle Workshops bekommen.« Ihre Aufgabe ist es nicht, selbst zu unterricht­en. Stattdesse­n fungiert sie als Assistenz der einheimisc­hen Lehrer im Englischun­terricht. »Uns wird immer wieder in Erinnerung gerufen, dass die Leitung durch eine Person vor Ort erfolgen soll – damit das Konzept auch wirklich nachhaltig ist«, sagt sie. Schließlic­h solle hier Hilfe zur Selbsthilf­e geleistet werden. Ein Ziel, das beim Voluntouri­smus nicht so richtig im Vordergrun­d zu stehen scheint.

Anmerkung der Autorin: Dieser Text entstand Anfang 2020, vor dem Ausbruch der Coronakris­e. Zwischenze­itlich war das Schulproje­kt in Battambang geschlosse­n, nun läuft es langsam wieder an. Aktuell überlebt es größtentei­ls mittels Spenden aus dem Ausland.

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