nd.DerTag

Abgedrifte­t

- Von Robert D. Meyer

21 Jahre lang war Harry Ebert Bürgermeis­ter von Burladinge­n. 12 000 Einwohner, eine Kleinstadt in Baden-Württember­g, malerisch zwischen Bergen, Wiesen und Tälern gelegen. Auf der Webseite der Gemeinde findet sich eine Erklärung Eberts, der sich am 1. Juni in den Ruhestand verabschie­dete. Die Mitteilung liest sich, wie sich wohl jeder Bürgermeis­ter nach so vielen Jahren verabschie­den würde. Ebert lobt seine Leistungen als Rathausche­f. Das alles wäre nur für die Lokalpress­e interessan­t, wäre Ebert ein x-beliebiger Bürgermeis­ter gewesen. Doch die Kleinstadt geriet 2018 dank ihm in die bundesweit­en Schlagzeil­en. Damals wurde Eberts Mitgliedsc­haft in der AfD bekannt.

Wie vergiftet die Stimmung in der Lokalpolit­ik seitdem gewesen sein muss, lässt sich an Eberts Abschiedse­rklärung erahnen. »Die letzten Jahre waren kommunalpo­litisch insbesonde­re durch Streit geprägt«, schreibt der Ex-Bürgermeis­ter. Durchforst­et man die lokale Berichters­tattung, wird klar, dass Ebert nicht der harmlose Bürgermeis­ter war, als den er sich sieht. Schwaebisc­he.de berichtet, Ebert sei früher CDU-Mitglied gewesen, die Migrations­politik habe ihn 2018 in die AfD getrieben. Nach Kenntnis des Städte- und Gemeindeta­gs gibt es in Baden-Württember­g sonst keinen Bürgermeis­ter mit AfD-Parteibuch.

Laut der »Südwestpre­sse« fiel Ebert schon lange vor seinem Parteiwech­sel auf. Als 2006 Neonazis eine Schlägerei auf dem Weihnachts­markt anzettelte­n, erklärte Ebert, er lasse sich seine Stadt nicht braun anmalen. Als 2012 das Grab einer vom NS-Regime verfolgten Sinti-Familie unter Denkmalsch­utz gestellt wurde, blieb der Bürgermeis­ter der Feierstund­e fern. Den Vogel schoss Ebert sprichwört­lich ab, als er 2019 dem völkisch-nationalis­tischen »Flügel« die Stadthalle für eine Veranstalt­ung zur Verfügung stellte.

So unrühmlich wie die letzten Amtsjahre war auch Eberts Abgang. Bereits im Sommer 2019 hatte er seinen Rückzug von der Rathausspi­tze für Oktober angekündig­t, passiert ist damals nichts. Nun verabschie­dete er sich doch aus dem Rathaus. Regulär hätte seine Amtszeit erst 2023 geendet.

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Foto: dpa/Sina Schuldt Harry Ebert trat 2018 in die AfD ein, zuvor war er CDU-Mitglied.

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