Abgedriftet
21 Jahre lang war Harry Ebert Bürgermeister von Burladingen. 12 000 Einwohner, eine Kleinstadt in Baden-Württemberg, malerisch zwischen Bergen, Wiesen und Tälern gelegen. Auf der Webseite der Gemeinde findet sich eine Erklärung Eberts, der sich am 1. Juni in den Ruhestand verabschiedete. Die Mitteilung liest sich, wie sich wohl jeder Bürgermeister nach so vielen Jahren verabschieden würde. Ebert lobt seine Leistungen als Rathauschef. Das alles wäre nur für die Lokalpresse interessant, wäre Ebert ein x-beliebiger Bürgermeister gewesen. Doch die Kleinstadt geriet 2018 dank ihm in die bundesweiten Schlagzeilen. Damals wurde Eberts Mitgliedschaft in der AfD bekannt.
Wie vergiftet die Stimmung in der Lokalpolitik seitdem gewesen sein muss, lässt sich an Eberts Abschiedserklärung erahnen. »Die letzten Jahre waren kommunalpolitisch insbesondere durch Streit geprägt«, schreibt der Ex-Bürgermeister. Durchforstet man die lokale Berichterstattung, wird klar, dass Ebert nicht der harmlose Bürgermeister war, als den er sich sieht. Schwaebische.de berichtet, Ebert sei früher CDU-Mitglied gewesen, die Migrationspolitik habe ihn 2018 in die AfD getrieben. Nach Kenntnis des Städte- und Gemeindetags gibt es in Baden-Württemberg sonst keinen Bürgermeister mit AfD-Parteibuch.
Laut der »Südwestpresse« fiel Ebert schon lange vor seinem Parteiwechsel auf. Als 2006 Neonazis eine Schlägerei auf dem Weihnachtsmarkt anzettelten, erklärte Ebert, er lasse sich seine Stadt nicht braun anmalen. Als 2012 das Grab einer vom NS-Regime verfolgten Sinti-Familie unter Denkmalschutz gestellt wurde, blieb der Bürgermeister der Feierstunde fern. Den Vogel schoss Ebert sprichwörtlich ab, als er 2019 dem völkisch-nationalistischen »Flügel« die Stadthalle für eine Veranstaltung zur Verfügung stellte.
So unrühmlich wie die letzten Amtsjahre war auch Eberts Abgang. Bereits im Sommer 2019 hatte er seinen Rückzug von der Rathausspitze für Oktober angekündigt, passiert ist damals nichts. Nun verabschiedete er sich doch aus dem Rathaus. Regulär hätte seine Amtszeit erst 2023 geendet.