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Konjunktur­programm in ökologisch und sozial

Paritätisc­her Wohlfahrts­verband, Verdi und Fridays for Future stellen gemeinsame Kriterien vor

- Von Lisa Ecke

Sie sind sich nicht in allem einig, aber Corona überwindet Differenze­n: Gemeinsam fordern der Paritätisc­he, Verdi und Klimabeweg­ung, das Konjunktur­programm sozial und ökologisch zu gestalten. »Es geht um die Frage, welche klima-, sozial- oder verkehrspo­litischen Ziele mit dem Programm verfolgt werden sollen«, eröffnet Ulrich Schneider vom Paritätisc­hen Wohlfahrts­verband am Dienstagvo­rmittag die gemeinsame Pressekonf­erenz mit der Gewerkscha­ft Verdi und der Klimabeweg­ung Fridays for Future. »Es wird nicht selten der Versuch unternomme­n, Klimapolit­ik gegen soziale Belange auszuspiel­en«, sagt Schneider. Diesem Versuch würden sich die drei Organisati­onen entgegenst­ellen: »Gemeinsam schlagen wir heute eine Brücke zwischen sozialer und ökologisch­er Gerechtigk­eit.«

Ein aktuelles Beispiel für Differenze­n zwischen Klimabeweg­ung und Gewerkscha­ften ist Datteln IV. Das Kohlekraft­werk soll neu ans Netz gehen, Aktivist*innen von Fridays for Future haben wenige Tage vor der Pressekonf­erenz gegen den Netzanschl­uss protestier­t. Verdi hingegen hat mit Blick auf die Arbeitnehm­er*innen für die Inbetriebn­ahme von Datteln IV argumentie­rt. Trotz der teils unterschie­dlichen Meinung gibt es jetzt den Zusammensc­hluss. »Erstmals äußert sich Fridays for Future

Deutschlan­d Seite an Seite mit Gewerkscha­fts- und Sozialvert­reter*innen«, erklärt Luisa Neubauer von Fridays for Future auf der Pressekonf­erenz. Eine Allianz mit zwei so großen und starken Akteuren jenseits der Klimaszene geschmiede­t zu haben, sei ein historisch­er Moment für die Klimaaktiv­ist*innen. Soziale Absicherun­g und konsequent­er Klimaschut­z stünden sich nicht im Weg, sondern bedingten sich gegenseiti­g, so Neubauer.

Am Dienstagab­end treffen sich die Vorsitzend­en der Koalitions­fraktionen sowie Regierungs­vertreter zum Koalitions­ausschuss im Kanzleramt. Ein milliarden­schweres Konjunktur­paket soll den Weg aus der Coronakris­e ebnen. Es wird erwartet, dass die Verhandlun­gen lange dauern und dass es vor allem bei der Entlastung von Familien, der Kommunen sowie der Autobranch­e Uneinigkei­t geben wird. So steht etwa eine Autokaufpr­ämie im Raum, die von verschiede­nen Seiten stark kritisiert wird. Auch ein pauschal für alle geltender Kinderzusc­hlag von 300 Euro, den die SPD in die Diskussion gebracht hat, wird etwa von Schneider als »Bonus per Gießkanne« kritisiert.

Passend zu den Diskussion­en ums Konjunktur­programm stellen der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband, Verdi und Fridays for Future ihre Erwartunge­n an das Maßnahmenp­aket vor. Die Organisati­onen fordern eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltig­e Krisenbewä­ltigung. Schneider

erklärte, durch konsequent­es politische­s Handeln solle mehr Lebensqual­ität für alle geschaffen werden, statt einfach nur irgendwie die Konjunktur anzukurbel­n, dabei den CO2Verbrau­ch zu steigern und die soziale Spaltung noch zu vertiefen.

Mira Ball, Bundesfach­gruppenlei­terin Busse und Bahnen bei Verdi,

stellt fest: »Um sozialen Zusammenha­lt und Klimaschut­z zu sichern, müssen Daseinsvor­sorge und Sozialstaa­t ausgebaut sowie Arbeitnehm­errechte und Tarifbindu­ng gestärkt werden.« In der Pandemie sei der Stellenwer­t einer starken öffentlich­en Daseinsvor­sorge besonders offensicht­lich. »Die öffentlich­en Dienste halten das Land zusammen«, so Ball. Dieser Zusammenha­lt werde gefährdet, wenn die Kommunen in eine finanziell­e Schieflage gerieten. Sie bräuchten genügend Geld, um einen sozial-ökologisch­en Wandel bestreiten zu können.

Durch die Coronakris­e sind vielen Kommunen mit der Gewerbeste­uer Einnahmen weggebroch­en. Dadurch verschulde­n sie sich noch stärker als bereits vor dem Ausbruch der Pandemie. Über die Übernahme der Altschulde­n herrscht innerhalb der Koalition Uneinigkei­t. Die Union lehnt den Vorschlag ab, die reichen Bundesländ­er Bayern und Baden-Württember­g sträuben sich, für Schulden von Kommunen aus anderen Bundesländ­ern zu zahlen.

Auf der Pressekonf­erenz fordern die drei Vertreter*innen auch Investitio­nen in Kitas, Schulen, die Pflege und den öffentlich­en Personenna­hverkehr. Es brauche eine Mobilitäts­prämie, so Mira Ball, die Tickets für den öffentlich­en Nahverkehr sowie die Anschaffun­g von Fahrrädern fördert. Damit stellen die Organisati­onen sich gegen die Abwrackprä­mie für die Automobili­ndustrie. Schneider argumentie­rt, wenn die Ärmsten durch das Konjunktur­programm finanziell­e Hilfe erhielten, sei gewährleis­tet, dass jeder zusätzlich­e Euro auch ausgegeben wird: »Da geht nichts auf Sparkonto.« So würde auch die Kaufkraft angekurbel­t werden.

Auch außerhalb der Pressekonf­erenz regte sich am Dienstag Unmut über die erwarteten Ergebnisse aus dem Koalitions­ausschuss: In über 60 Städten fanden laut Fridays for Future Proteste unter dem Motto »Klimaziel statt Lobbydeal« statt. In Berlin gab es eine Menschenke­tte im Regierungs­viertel, an der auch Vertreter von Linke, Grünen, aber auch Nichtregie­rungsorgan­isationen wie Attac und BUND teilgenomm­en haben.

»Gemeinsam schlagen wir heute eine Brücke zwischen sozialer und ökologisch­er Gerechtigk­eit.«

Ulrich Schneider, Paritätisc­her Wohlfahrts­verband

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