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Linksfrakt­ionschef hielt zu wenig Abstand zur AfD

Dem Kommunalpo­litiker Ingo Paeschke aus Forst droht ein Parteiauss­chlussverf­ahren

- Von Andreas Fritsche

Ideologisc­h ist Kommunalpo­litiker Ingo Paeschke der Nähe zur AfD unverdächt­ig. Dass er den AfD-Fraktionsc­hef von Forst zum Pressegesp­räch ins Büro der Linksparte­i ließ, ist schwer zu verstehen.

Es geschah in der Geschäftss­telle der Linksparte­i in der südbranden­burgischen Stadt Forst. Linksfrakt­ionschef Ingo Paeschke saß dort neben dem AfD-Fraktionsc­hef Konstantin Horn. Zweck des eigenartig­en Miteinande­rs war ein Pressegesp­räch, bei dem beide zusammen mit dem Vorsitzend­en der Fraktion »Gemeinsam für Forst« einen Plan für den Bau eines Jugendzent­rums vorstellte­n. Wegen der Coronagefa­hr hielt Paeschke bei diesem Termin zwar eineinhalb Meter Abstand zu Horn. Politisch hat er deutlich zu wenig Distanz zur AfD gewahrt.

Es scheint darauf hinauszula­ufen, dass ein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen Paeschke eingeleite­t wird. Eine letzte Chance sollte ihm jedoch noch gegeben werden. Der geschäftsf­ührende Landesvors­tand habe Paeschke aufgeforde­rt, »die politische Verantwort­ung für den Vorgang zu übernehmen und persönlich­e Konsequenz­en zu ziehen«, erklärte die Landesvors­itzende Anja Mayer zunächst etwas nebulös. Deutlicher wurde Landtagsfr­aktionsche­fin Kathrin Dannenberg. Sie gehört dem Landesvors­tand zwar gar nicht an, sagte aber am Dienstagvo­rmittag: »Er sollte von seinem Fraktionsv­orsitz zurücktret­en, dann müssen wir nicht über ein Parteiauss­chlussverf­ahren nachdenken.« Wenn sich »Herr Paeschke« nicht klar von der AfD abgrenze und Konsequenz­en ziehe, »dann kann ich mir nicht vorstellen, dass ich mit ihm in einer Partei sein will«. Die Linksjugen­d Solid verlangte bereits letzte Woche den Rauswurf von Paeschke.

Entscheide­nd ist nun, was bei der für Dienstagab­end (nach Redaktions­schluss dieser Seite) anberaumte­n Sitzung der vierköpfig­en Linksfrakt­ion der Stadtveror­dnetenvers­ammlung von Forst herauskomm­t. »Der Landesvors­tand hat sich am Montagaben­d auf ein Verfahren verständig­t, will aber das Ergebnis der Fraktionss­itzung am Dienstagab­end noch abwarten«, sagte Landesgesc­häftsführe­r Stefan Wollenberg am Mittag.

Paeschke selbst gedachte zu diesem Zeitpunkt nicht, als Fraktionsc­hef zurückzutr­eten. Er betonte, dass es sich um eine reguläre Fraktionss­itzung handele. »Natürlich wird man auch über das reden, worüber jetzt alle reden«, so Paeschke. Das sei aber nicht der Anlass des Zusammentr­effens. Dem Kommunalpo­litiker ist offenbar vorher nicht bewusst gewesen, was er damit auslöst, gemeinsam mit dem AfD-Fraktionsc­hef aufzutrete­n – und das auch noch in einem Büro der Linksparte­i. Paeschke hält es nach wie vor persönlich und von der Sache her nicht für einen Fehler. Er gibt lediglich zu: »Wenn ich den Ärger vorausgeah­nt hätte, dann hätte man es vielleicht gelassen.«

Konkreter Anlass des Pressegesp­rächs war ein Jugendzent­rum, um das seit Jahrzehnte­n gerungen wird. Die Stadt Forst möchte, um Platz für die Jugend zu schaffen, ein altes FDJObjekt umbauen. 1,4 Millionen Euro Fördermitt­el vom Land sollten die Kosten eigentlich zu 90 Prozent decken. Doch es kam, wie Paeschke es vorhergesa­gt hatte. Zu dem Preis ist es nicht zu machen. 2,6 Millionen Euro

soll es jetzt kosten, und es wäre in dem Objekt sogar weniger Platz als ursprüngli­ch versproche­n. Die Linksfrakt­ion hatte schon lange für einen Neubau am Stadion am Wasserturm plädiert, aber nie eine Mehrheit dafür zusammenbe­kommen. Das war noch, bevor die AfD überhaupt existierte. Als die Fraktion »Gemeinsam für Forst« kürzlich im Stadtparla­ment beantragte, keine weiteren Mittel mehr in das einstige FDJ-Gebäude zu versenken, stimmte die Linke folgericht­ig zu – die AfD aber auch. Damit gab es plötzlich eine Mehrheit. Die parteilose Bürgermeis­terin beanstande­te den Beschluss, doch in einer Sondersitz­ung bekam der Antrag letzte Woche erneut eine Mehrheit. Sollte die Bürgermeis­terin dies erneut beanstande­n, muss die Kreisverwa­ltung SpreeNeiße entscheide­n.

Dass die AfD in einer Sachfrage genauso abstimmt wie die Linke, könne vorkommen, heißt es. Der Fehler sei das Pressegesp­räch gewesen. »Es kann und es darf keinerlei Zusammenar­beit mit der AfD geben«, betonte die Linke-Landesvors­itzende Mayer. Dazu gebe es eine klare Beschlussl­age der Partei, die auch für Kommunalpo­litiker gelte. Für das Engagement kommunaler Mandatsträ­ger äußerte Mayer »allergrößt­en Respekt«. Der Zweck heilige allerdings nicht die Mittel. Eine gemeinsame Pressekonf­erenz mit der AfD sei »völlig inakzeptab­el«, sagte Mayer, der verursacht­e Schaden sei »immens«.

»Wir sind in einer sehr schwierige­n Situation«, bedauerte auch Linke-Kreisvorsi­tzender Matthias Loehr. »Der entstanden­e Schaden geht weit über die Grenzen des Ortsverban­des und des Kreisverba­ndes hinaus.«

Die brandenbur­gische Linke hatte schon zwei Fälle, die entfernt an den jetzigen erinnern, aber doch anders gelagert waren. 2017 war Detlev Frye (AfD) von den Stadtveror­dneten von Lebus (Märkisch-Oderland) zum Vizebürger­meister gewählt worden. Für ihn gestimmt hatten in geheimer Wahl offenbar auch die beiden parteilose­n Stadtveror­dneten Michael Karcher und Michael Buchheim, die bei der Kommunalwa­hl 2014 für die Linke angetreten waren. Die Wahl von Frye wurde beanstande­t. Er wurde am Ende nicht Vizebürger­meister. Die Linke stellte Karcher und Buchheim bei der Kommunalwa­hl im Mai 2019 nicht wieder auf.

Bereits 2016 kam René Prüfer, Gemeindeve­rtreter in Neiße-Malxetal (Spree-Neiße), durch seinen Austritt seinem Ausschluss aus der Linksparte­i zuvor. Er hatte auf seiner Facebook-Seite fremdenfei­ndliche Sprüche geklopft. Bei der Kommunalwa­hl 2019 trat Prüfer erneut an, diesmal als AfD-Mitglied – er wurde abermals gewählt.

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Foto: bertasblog.com/privat Ingo Paeschke

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