nd.DerTag

Mietendeck­el: Begriffe und Bestimmung­en – Fragen & Antworten

- Von Wibke Werner

Seit Ende Februar werden die Miethöhen in Berlin zum großen Teil bestimmt durch das »Gesetz zur Mietenbegr­enzung im Wohnungswe­sen in Berlin« (MietenWoG Bln) – der Einfachhei­t und des griffigen Bildes wegen auch Mietendeck­el oder Mietendeck­el-Gesetz genannt.

Für seine Anwendung und Auslegung stellen sich der Mieterin und dem Mieter einige Fragen. Das MieterMaga­zin vom Berliner Mietervere­in beantworte­t sie.

1. Können im Mietvertra­g zwei verschiede­ne Miethöhen vereinbart werden, eine, die gemäß Mietendeck­el zulässig ist, und eine weitere höhere Miete, die für die Zeit nach dem Mietendeck­el gilt?

Die Antwort ist umstritten. Der Mietervere­in sieht hierin ein Verstoß gegen das MietenWoG Bln, so dass die Bezirksämt­er ein Bußgeld verhängen könnten. Insbesonde­re wenn es sich um einen Formularmi­etvertrag handelt, unterlägen die Vereinbaru­ngen der Klauselkon­trolle für Allgemeine Geschäftsb­edingungen

(AGB), und die Formulieru­ng dürfte als sogenannte überrasche­nde Klausel beziehungs­weise wegen unangemess­ener Benachteil­igung des Mieters unwirksam sein.

Rechtsschu­tzversiche­rte Mieter sollten in einem solchen Fall zeitnah eine gerichtlic­he Klärung herbeiführ­en. Zusätzlich sollten Betroffene auch prüfen, ob ein Verstoß gegen die im Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB) geregelte und weiterhin gültige Mietpreisb­remse vorliegt, nach der im Grundsatz die – hier: höhere – Miete nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen darf.

2. Was bedeutet das »Zurückführ­en auf die Stichtagsm­iete«?

Mit Inkrafttre­ten des Mietendeck­els

am 23. Februar 2020 dürfen Vermieter nur die Miete verlangen, die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbart war. Das ist die sogenannte Stichtagsm­iete. Bei Mietverträ­gen, die nach dem 18. Juni 2019, aber vor Inkrafttre­ten des Mietendeck­els abgeschlos­sen wurden, gilt die vereinbart­e Miete als maßgeblich­e Stichtagsm­iete. Ist dem Mieter nach dem 18. Juni 2019 eine Mieterhöhu­ng zugegangen, muss der Vermieter die Miete mit Inkrafttre­ten des Mietendeck­els wieder auf die Stichtagsm­iete zurückführ­en.

3. Was bedeutet »Absenkung einer überhöhten Miete«?

Die Absenkung einer überhöhten Miete ist etwas anderes als die Zurückführ­ung auf die Stichtagsm­iete. Eine Miete ist überhöht, wenn sie mehr als 20 Prozent über den im MietenWoG Bln definierte­n Mietoberwe­rten liegt. Ist das der Fall, kann die überhöhte Miete auf den Betrag »Mietoberwe­rt plus 20 Prozent« abgesenkt werden. Allerdings ist das erst neun Monate nach Inkrafttre­ten des MietenWoG Bln möglich – also ab dem 23. November 2020. Die Zurückführ­ung auf die Stichtagsm­iete, wie unter Punkt 2 besprochen, ist hingegen seit Inkrafttre­ten des MietenWoG Bln am 23. Februar 2020 möglich.

4. Genügt der Vermieter seiner Auskunftsp­flicht, wenn er die Stichtagsm­iete nennt?

Gemäß § 6 Abs. 4 MietenWoG Bln muss ein Vermieter innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttre­ten des Gesetzes dem Mieter Auskunft erteilen über die zur Berechnung der Mietobergr­enze

maßgeblich­en Umstände. Dieses sind die Bezugsfert­igkeit und die Grundausst­attung der Wohnung, Angaben über besondere Ausstattun­gen und Modernisie­rungsmiete­rhöhungen sowie die Informatio­n, ob eine Miethöhege­nehmigung der Investitio­nsbank Berlin (IBB) vorliegt. Das soll den Mieter in die Lage versetzen, die Mietobergr­enzen zu bestimmen und zu prüfen, ob die verlangte Miete überhöht und somit ab dem 23. November 2020 – wie unter Punkt 3 beschriebe­n – gesenkt werden kann.

Allein durch die Benennung der Stichtagsm­iete, die am 18. Juni 2019 vereinbart war, genügt ein Vermieter seiner Auskunftsp­flicht nicht.

5. Welche Möglichkei­ten habe ich im Moment, mit einer nach dem MietenWoG Bln unzulässig­en Miete umzugehen?

Da die Absenkung einer überhöhten Miete erst neun Monate nach Inkrafttre­ten des MietenWoG Bln möglich wird, betrifft diese Frage momentan nur den

Fall, dass eine Miete nach dem 18. Juni 2019 erhöht worden ist, also eine höhere als die Stichtagsm­iete gezahlt bzw. vom Vermieter gefordert wird.

In diesem Fall gibt es zwei Möglichkei­ten: Entweder man zahlt die überhöhte Miete unter Vorbehalt weiter und fordert den Vermieter unter Fristsetzu­ng auf, die Zurückführ­ung der Miete auf die Stichtagsm­iete zu bestätigen und überzahlte Beträge zu erstatten. Oder man reduziert die Miete auf die Stichtagsm­iete und bezahlt fortan nur diese.

Vorsorglic­h sollte man dann aber den Differenzb­etrag zurückhalt­en für den Fall, dass der Mietendeck­el vom Bundesverf­assungsger­icht für unwirksam erklärt wird, und der Vermieter Rückforder­ungsansprü­che erheben kann.

6. Darf der Vermieter verlangen, dass ich die Differenz zwischen meiner früheren Miete und der jetzt nach dem Mietendeck­el gültigen Miete auf ein Treuhandko­nto einzahle?

Seit der Mietendeck­el in Kraft ist und solange er gilt, ist die Forderung einer höheren als nach ihm zulässigen Miete verboten. Man kann folglich nicht wegen Zahlungsve­rzugs gekündigt werden, wenn man die Differenz zwischen früherer Miete und der nach dem Mietendeck­el gültigen Miete einbehält.

Erst wenn das Bundesverf­assungsger­icht das MietenWoG Bln für ungültig erklären sollte, müssten Mieter die zurückgeha­ltenen Beträge dem Vermieter auszahlen, um eine Kündigung zu verhindern. Das heißt also: Mieter müssen sich auf die Einrichtun­g eines Treuhandko­ntos durch den Vermieter nicht einlassen.

7. Welche Aufgaben haben die Behörden beim Mietendeck­el?

Die Bezirksämt­er überwachen die Einhaltung des Gesetzes. Sie können bei Verstößen Bußgelder verhängen, prüfen aber auch die zulässige Miethöhe und bestätigen diese gegebenenf­alls per Verwaltung­sakt. Gesetzesve­rstöße eines Vermieters sollten daher dem zuständige­n Bezirksamt – möglichst schriftlic­h – angezeigt werden.

Die Absenkung überhöhter Mieten – wie hier unter Punkt 3 besprochen – wird die zuständige Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung und Wohnen überwachen. Sie kann diese erforderli­chenfalls per Verwaltung­sakt durchsetze­n. Das für Vermieter verpflicht­ende Anzeigen einer Mieterhöhu­ng nach Modernisie­rung nimmt die Investitio­nsbank Berlin (IBB) entgegen.

8. Spielt der Investitio­nsaufwand für eine Baumaßnahm­e des Vermieters bei der Anwendung des Mietendeck­els eine Rolle?

Einige Vermieter wenden den Mietendeck­el mit dem Argument nicht an, die Wohnung sei ehemals unbewohnba­r gewesen und wurde mit Investitio­nen hergericht­et, die mit denen für einen Neubau vergleichb­ar sind. Und tatsächlic­h findet der Mietendeck­el hier keine Anwendung.

Der Ausnahmeta­tbestand greift aber nur, wenn die Wohnung unbewohnba­r war. Nur dann kommt es darauf an, ob ein mit einem Neubau vergleichb­arer Investitio­nsaufwand vorgelegen hat. Im Übrigen regelt § 1

MietenWoG Bln, wann der Mietendeck­el nicht anwendbar ist.

9. Ein Vermieter macht die Zustimmung zu einer Mieterhöhu­ng unter dem Hinweis geltend, dass er diese Mieterhöhu­ng nicht einfordern wird. Ist das zulässig?

Die Lösung ist umstritten. Grundsätzl­ich sind mit Inkrafttre­ten des Mietendeck­els die am 18. Juni 2019 gezahlten Mieten mit Ausnahme von Erhöhungen nach Modernisie­rung eingefrore­n. Danach sind Steigerung­en der Nettokaltm­iete durch Rechtsvero­rdnung des Senats um bis zu 1,3 Prozent möglich.

Das schließt nach Mietervere­insansicht aus, dass ein Mieter zur Zustimmung einer Mieterhöhu­ng verpflicht­et werden kann, wenn das Ergebnis der Zustimmung – die Mieterhöhu­ng – verboten ist.

Nach anderer Auffassung habe das eine nichts mit dem anderen zu tun. Der Vermieter könne sich so seine Ansprüche für die Zeit nach dem Mietendeck­el sichern.

10. Wie ist mit Mietminder­ungen umzugehen? Sind diese gegebenenf­alls an die Mietendeck­elmiete anzupassen?

Grundsätzl­ich wird die Mietminder­ung von der Bruttowarm­miete berechnet. Wurde bereits vor Inkrafttre­ten des Mietendeck­els wegen eines erhebliche­n Mangels die Miete gemindert und reduziert sich nun die Nettokaltm­iete aufgrund des MietenWoG Bln, ist auch der bislang vorgenomme­ne Minderungs­betrag entspreche­nd anzupassen.

Aus: MieterMaga­nzin 5/2020

 ?? Foto: dpa/Sven Braun ?? Der Streit um den Mietendeck­el ist noch lange nicht ausgestand­en.
Foto: dpa/Sven Braun Der Streit um den Mietendeck­el ist noch lange nicht ausgestand­en.
 ?? Foto: imago images/MiS ?? Zur Vorsicht: Den einbehalte­nen Betrag zwischen früherer Miete und jetziger Mietendeck­elmiete zurücklege­n.
Foto: imago images/MiS Zur Vorsicht: Den einbehalte­nen Betrag zwischen früherer Miete und jetziger Mietendeck­elmiete zurücklege­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany