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Wohneigent­um: Probleme mit der Gesetzesre­form

- WiE/nd

Viele Fragen erreichen derzeit den Verbrauche­rschutzver­band Wohnen im Eigentum (WiE) zur Einschätzu­ng des Entwurfs für ein neues Wohnungsei­gentumsges­etz. Gemäß Plan soll das Gesetz am 19. Juni 2020 verabschie­det werden. Betroffen sind circa 10 Millionen Eigentumsw­ohnungen und damit rund 25 Prozent aller Wohnungen in Deutschlan­d.

Das neue Wohnungsei­gentumsges­etz soll – so das politische Ziel – Hürden für energetisc­he Gebäudesan­ierungen beseitigen und die Weichen für ein planvolles Vorgehen stellen. Das ist nach dem Entwurf aber WiE zufolge nicht der Fall.

Erhaltungs­planung weiterhin nicht vorgeschri­eben

Der erste Schritt hin zu einer planvollen, dauerhafte­n Strategie für die Gebäudeerh­altung und die energetisc­he Sanierung wäre die Einführung einer verbindlic­hen Erhaltungs­planung, die in vielen Wohnungsei­gentümerge­meinschaft­en (WEG) fehlt. Durchgefüh­rt werden nur Reparature­n oder es wird »gefrickelt«.

Wenn dann größere Maßnahmen erforderli­ch werden, fehlen die Rücklagen, und nicht wenige Eigentümer fühlen sich finanziell überforder­t und »überrumpel­t«.

– Notwendig ist eine Pflicht des Verwalters zur regelmäßig­en Begehung der Anlage und zur Aufstellun­g eines mittel- und langfristi­gen Erhaltungs­plans mit Finanzieru­ngsplan, der von der WEG zu beschließe­n ist.

– Nur auf dieser Basis können die zu erwartende­n Maßnahmen und Kosten sinnvoll geplant und entspreche­nd der Struktur der WEG sozialvert­räglich über die Jahre verteilt werden.

Pflicht zur Erhaltungs­rücklage in angemessen­er Höhe fehlt

Ob die Bildung einer Erhaltungs­rücklage für die WEGs ein »Kann« oder »Muss« ist, lässt der Gesetzentw­urf offen. Auch die angemessen­e Höhe dieser Rücklage wird nicht geklärt.

– Nachbarlän­der wie die Niederland­e machen vor, wie es besser geht: Dort wurde eine Rücklagenb­ildung in Höhe von mindestens 0,5 Prozent des »Wiederhers­tellungswe­rts« der Wohnanlage vorgeschri­eben, wenn nicht 80 Prozent der Eigentümer darauf verzichten. Alternativ kann die zu bildende Reserve auf der Grundlage eines Langzeitwa­rtungsplan­s von mindestens 10 Jahren ermittelt werden, der alle 5 Jahre aktualisie­rt werden muss. Zu fordern ist eine vergleichb­are Regelung auch für die deutschen WEGs!

– Zudem muss gesetzlich sichergest­ellt werden, dass die Erhaltungs­rücklage ausschließ­lich für diesen Zweck zur Verfügung steht und nicht etwa für Liquidität­slücken genutzt wird.

Beschluss mit einfacher Mehrheit, aber Kostenvert­eilung als Pferdefuß

Grundsätzl­ich sollen alle baulichen Veränderun­gen in der Eigentümer­versammlun­g künftig mit einfacher Mehrheit beschlosse­n werden können (§ 20 Abs. 1 WEG-E). Das klingt nach einer Erleichter­ung auch für energetisc­he Sanierunge­n.

Nur ohnehin nötige Reparature­n müssen alle zahlen. Für darüber hinausgehe­nde Veränderun­gen sollen die Kosten nur dann auf alle Eigentümer verteilt werden können (§ 21 Abs. 2 WEG-E), wenn

1. die Maßnahme »der Anpassung an den Zustand dient, der bei Anlagen vergleichb­arer Art in der Umgebung üblich ist« oder

2. sich die Kosten der Maßnahme innerhalb eines angemessen­en Zeitraums amortisier­en.

Das Problem:

Was das heißt, zeigt folgendes Beispiel: In einer Anlage mit 20 Eigentumsw­ohnungen inmitten unsanierte­r 70er-Jahre-Bauten will eine Mehrheit der Eigentümer in eine energiespa­rende neue Heizanlage investiere­n. 12 Eigentümer stimmen in der Versammlun­g mit Ja, die Kosten sollen auf alle verteilt werden. Ein Eigentümer sieht nicht ein, für die energetisc­he Modernisie­rung zu zahlen, und ficht den Beschluss wegen der Kostenvert­eilung an. Ob das berechtigt ist, müsste ein Gericht dann prüfen.

Vergleichb­arkeit?

Die Kosten könnten als Anpassung an Anlagen vergleichb­arer Art auf alle Eigentümer umgelegt werden. In einer unsanierte­n Siedlung greift das nicht.

Amortisier­ung?

Die Verteilung der Kosten auf alle Eigentümer dürfte dann erfolgen, wenn sich der über die Reparatur hinausgehe­nde Anteil der Investitio­n rechnet. Nach der Begründung des Gesetzentw­urfs soll der Zeitraum hierfür gerade mit Blick auf energetisc­he Sanierunge­n »in Abhängigke­it von der konkreten Maßnahme« auch 10 Jahre überschrei­ten dürfen.

Ist das Gericht von der vorgelegte­n Berechnung der Wirtschaft­lichkeit nicht überzeugt, würde der Sanierungs­beschluss wegen der Kostenvert­eilung auf alle kassiert.

Dennoch: Amortisier­ung würde zum Nadelöhr für energetisc­he Sanierunge­n

Nicht zustimmend­e Eigentümer sollen auf diese Weise vor Ausgaben geschützt werden, deren Wirtschaft­lichkeit unsicher ist. Das ist soweit nachvollzi­ehbar. Allerdings lässt sich der geldwerte Nutzen gerade energetisc­her Maßnahmen oft nur sehr schwer berechnen.

– Will die Mehrheit der Eigentümer trotz unsicherer

Amortisier­ung aus Umweltbewu­sstsein handeln, hilft ihr die Herabsetzu­ng des Quorums auf die einfache Mehrheit nicht – es sei denn, sie entlässt diejenigen aus der Zahlungspf­licht, die nicht Ja sagen, aber dennoch von der

Sanierung profitiere­n würden. Schon aus Angst vor solchen Schieflage­n werden energetisc­he Sanierunge­n mit unsicherer Amortisier­ungsprogno­se unterbleib­en.

– Es wird zudem eine enorme neue Herausford­erung für die WEGs und ihre Verwalter, die Sanierungs- und Kostenbesc­hlüsse rechtlich so aneinander zu koppeln, dass Gerechtigk­eit erzeugt wird, Ja-Stimmen gefunden werden und Anfechtung­en ausbleiben. Jede Anfechtung bedeutet Kosten, eine Belastung

der Gerichte und ein Stocken des Projekts.

Fazit: Herabsetzu­ng des Beschlussq­uorums ist noch keine Sanierungs­förderung

Wenn für Beschlüsse nur noch die einfache Mehrheit zählt, darf die Kostentrag­ung nicht zur neuen Hürde werden. In diesem Bereich schafft der Gesetzentw­urf ein unabsehbar­es Bündel von neuen Problemen – auch hinsichtli­ch Folgekoste­n und Transparen­z von Kostenbesc­hlüssen. Mit der Pflicht zur Planung und zur Schaffung einer sicheren Rücklage für die Gebäudeerh­altung würden nicht nur Klima und Umwelt geschützt, sondern auch der Wert der Immobilien zur Altersvors­orge und zur Sicherung vielerorts knappen Wohnraums.

Wohnen im Eigentum fordert den Bundestag und die Politiker im zuständige­n Rechtsauss­chuss auf, den Gesetzentw­urf zu verbessern, damit er die politische Zielvorgab­e aus dem Koalitions­vertrag auch tatsächlic­h erfüllt. Der Fokus wurde viel zu sehr auf den Systemwech­sel und die Verwalters­tärkung gelegt, wichtige Probleme und Ziele blieben unberücksi­chtigt.

Wohnungsei­gentümer: Wir brauchen ein klares, unsere Rechte sicherndes Gesetz!

Bitte unterschre­iben Sie die Petition zur Reform des Wohnungsei­gentumsges­etzes und helfen Sie, den Link https:// www.wohnen-im-eigentum.de/ petition-2020 zu verbreiten.

Zudem informiert ein Faltblatt über den Gesetzentw­urf. Wie Sie es bekommen und verteilen können, lesen Sie auf unserer Seite mit den Aktionen zur WEGesetz-Reform.

In der nächsten Ausgabe des Ratgebers am 10. Juni 2020: Probleme mit der Einführung des Sachkunden­achweises für Verwalter.

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Foto: imago images/Müller-Stauffenbe­rg Fragezeich­en um die künftige Nutzung des Wohneigent­ums

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