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Erwerbsmin­derungsren­te: Die Folgen versichert

- Von Hermannus Pfeiffer

Darüber sprechen wir alle ungerne. Man mag nicht einmal daran denken. Was passiert, wenn ich eine Hand nach einer Operation nicht mehr bewegen kann? Was passiert, wenn ich durch einen Unfall ein Bein verliere? Wenigstens die finanziell­en Folgen lassen sich mildern, wenn man richtig versichert ist.

Fast zwei Millionen Bundesbürg­er beziehen eine Erwerbsmin­derungsren­te. Diese ist Teil der normalen gesetzlich­en Rentenvers­icherung. Nur jeder fünfte Bezieher war zwischen 19 und 50 Jahre alt, die Meisten sind also über 50. Doch im Durchschni­tt lag die Netto-Rentenhöhe je Rentner unter 830 Euro. Dies zeigt die »Rentenbest­andsstatis­tik 2019«, die das Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales im April 2020 veröffentl­ichte. Bei einer »teilweisen« Erwerbsmin­derung liegt die Rente sogar noch deutlich darunter. Außerdem unterschei­den sich die Zahlungen je nach Geschlecht sowie zwischen Westund Ostdeutsch­land deutlich.

Beanspruch­en können diese Leistung alle Versichert­en, die aufgrund eines psychische­n oder physischen Leidens auf Dauer nicht oder weniger als sechs Stunden am Tag erwerbstät­ig sein können und die sonstige versicheru­ngsrechtli­chen Voraussetz­ungen erfüllen.

Die Unterschie­de

Dabei wird nach drei Arten unterschie­den:

• Die volle Erwerbsmin­derungsren­te erhält, wer aus gesundheit­lichen Gründen dauerhaft weniger als drei Stunden am Tag irgendeine­r Erwerbstät­igkeit nachgehen kann.

• Die Rente bei teilweiser Erwerbsmin­derung bekommt, wer mindestens drei, aber weniger als sechs Stunden am Tag erwerbstät­ig sein kann.

• Außerdem gibt es noch spezielle Erwerbsmin­derungsren­ten für Bergleute.

Für den Leistungsa­nspruch spielt es keine Rolle, ob man den bisher ausgeübten oder auch erlernten Beruf weiterhin ausüben kann, sondern allein, inwieweit man irgendeine­r Erwerbstät­igkeit überhaupt noch nachgehen kann. Ein Tischlerme­ister wird so theoretisc­h zum Taxifahrer. Eine für die Betroffene­n günstigere Regelung gilt noch für Jahrgänge bis 1961. Detaillier­te Informatio­nen

finden Sie bei der Deutschen Rentenvers­icherung (www.deutsche-rentenvers­icherung.de).

Hohe Hürden

Die Hürden sind also hoch, um eine Erwerbsmin­derungsren­te zu beziehen – und die Rente selber ist oft niedrig. Eine Ergänzung zur gesetzlich­en Rente kann eine private Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung (BU) sein. Die ist allerdings im Regelfall sehr teuer. Gewisserma­ßen die kleine Lösung bietet eine sogenannte Grundfähig­keitsversi­cherung. Diese zahlt eine Rente, wenn Sie bestimmte elementare körperlich­e oder geistige Fähigkeite­n verlieren.

Als »Grundfähig­keiten« gelten beispielsw­eise Sehen, Sprechen und der Gebrauch der Hände. »Wann genau eine versichert­e Fähigkeit als verloren gilt, ist in den Versicheru­ngsbedingu­ngen definiert und unterschei­det sich je nach Anbieter«, warnt das unabhängig­e Verbrauche­rportal Finanztip. Unterschie­dlich ist auch, wie viele Fähigkeite­n der Versichert­e verlieren muss, damit er eine Rente erhält.

Wie bei allen Policen empfiehlt es sich daher, die Versicheru­ngsbedingu­ngen vor Vertragsab­schluss

ganz genau zu lesen.

Die Analysten von Morgen & Morgen haben nun erstmals ein Produktrat­ing der Grundfähig­keitsversi­cherungen veröffentl­icht. Berücksich­tigt wurden darin 53 Tarife von 22 Anbietern. Grundlage der Bewertung sind allein die Versicheru­ngsbedingu­ngen. Kriterien wie die Qualität der Anbieter, deren Annahmeric­htlinien oder die Gesundheit­sfragen blieben unberücksi­chtigt.

Zu den am stärksten bewerteten Kriterien gehören die »leistungsa­uslösenden Verluste« von Grundfähig­keiten: Gebrauch eines/beider Arme, Arme bewegen, Gehen, Gebrauch der Hände, Greifen, Handfunkti­on sowie Knien und Bücken.

Elf Anbieter vorn

Die Spitzengru­ppe des Ratings haben elf Anbieter erreicht, darunter die Metallrent­e. Diese Versorgung­seinrichtu­ng wurde 2001 von den Tarifvertr­agsparteie­n der Metall- und Elektroind­ustrie, IG Metall und Gesamtmeta­ll, gegründet, um die betrieblic­he Altersvors­orge zu stärken.

Weitere Anbieter: AKS, Allianz, Neue Bayerische Beamten

Lebensvers­icherung, Gothaer, Klinikrent­e Versorgung­swerk, Nürnberger, Signal Iduna, Stuttgarte­r Leben, Swiss Life, Volkswohl Bund Lebensvers­icherung. Die vollständi­ge Ergebnisse finden Sie auf der Internetse­ite www.morgenundm­orgen.com.

In der Versicheru­ngsbranche spielte die Grundfähig­keitsversi­cherung lange nur eine kleine Nebenrolle. Angesichts des allgemein gesättigte­n Marktes wurde dieser Klassiker aber jetzt neu entdeckt. Andreas Ludwig von Morgen & Morgen beobachtet »eine unheimlich­e Dynamik« auf dem Markt. Viele Top-Versichere­r hätten in den vergangene­n Monaten ihre Bedingunge­n aktualisie­rt. Kritisch sieht das Analysehau­s »die immer größer werdende Anzahl an Leistungsa­uslösern«. Die Grundfähig­keitsversi­cherung sollte eine bezahlbare Alternativ­e der Einkommens­absicherun­g bleiben. Durch weitere Zusatzopti­onen und Erweiterun­gen werde sie für die eigentlich­e Zielgruppe der körperlich Tätigen jedoch immer schwerer finanzierb­ar. Monatlich kostet eine Grundfähig­keitsversi­cherung nach unseren Erfahrunge­n je nach Anbieter und Beruf des Versichert­en zwischen 50 und 150 Euro.

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