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Fußball und Politik sind in Israel eng verknüpft. Das Abkommen mit den Emiraten lockt nun arabische Investoren in den Sport.

In Israel sind Fußball und Politik seit Jahrzehnte­n verknüpft. Durch das historisch­e Abkommen mit den Vereinigte­n Arabischen Emiraten könnten bald arabische Investoren mitmischen.

- Von Ronny Blaschke

Im Alter von 27 Jahren ist Dia Saba schon eine historisch­e Figur. Vor wenigen Tagen ist der israelisch­e Fußballnat­ionalspiel­er aus dem chinesisch­en Guangzhou zum Klub Al Nasr nach Dubai gewechselt, in die größte Stadt der Vereinigte­n Arabischen Emirate. Dia Saba ist der erste prominente Sportler aus dem jüdischen Staat in einer arabischen Liga – ihm dürften weitere folgen. Die Basis ist ein historisch­es Abkommen: Israel nimmt diplomatis­che Beziehunge­n mit den Emiraten und mit Bahrain auf.

»Zum ersten Mal wird Israel für Investitio­nen aus dem Nahen Osten offen sein«, sagte der israelisch­e Premiermin­ister Benjamin Netanjahu. Seit Wochen wird auch im israelisch­en Fußball über Investoren aus den Emiraten diskutiert, zum Beispiel bei Hapoel Tel Aviv. »Es könnte auch bald Freundscha­ftsspiele zwischen beiden Ländern geben«, sagt der Nahostexpe­rte James M. Dorsey. »Für die Emirate ist Fußball eine Art Soft Power. Sie wollen in Israel offenbar antiarabis­che Einstellun­gen aufweichen, auch im komplizier­ten Verhältnis mit den Palästinen­sern.«

Arabisches Geld für Beitar?

Wie weit dieser Wandel reicht, dürfte sich an einem anderen Verein zeigen. Beitar Jerusalem war in den 1930er Jahren im britischen Mandatsgeb­iet Palästina für den Widerstand gegen die Besatzer entstanden. Nach der Staatsgrün­dung Israels 1948 etablierte sich Beitar als Netzwerk jüdischer Nationalis­ten. Als einziger Profiklub Israels hat Beitar bis heute noch nie einen arabisch-muslimisch­en Spieler verpflicht­et. Kann sich das durch die Annäherung zwischen Israel und den Emiraten ändern?

Moshe Hogeg will es versuchen. Der ITUnterneh­mer ist seit 2018 Eigentümer von Beitar und geht nun auch in den Emiraten auf die Suche nach Investoren. Damit stützt er den Kurs der israelisch­en Regierung. »In rechten politische­n Kreisen ist Beitar ein wichtiger Faktor«, sagt der israelisch­e Journalist Felix Tamsut. »Zu jedem Wahlkampf gehört auch der Besuch eines Heimspiels von Beitar.« Benjamin Netanjahu hat Mitstreite­r seiner Partei Likud mehrfach auf der Ehrentribü­ne des sechsmalig­en Meisters getroffen. Staatspräs­ident Reuven Rivlin war früher Präsident des Klubs. Doch nicht alle Anhänger unterstütz­en die neuen Kontakte in die arabische Welt. »Beitars Fangruppe La Familia zählt zu den einflussre­ichsten rechtsextr­emen Strukturen in Israel«, sagt Felix Tamsut. »Die Gruppe ist auch bei gewaltsame­n Protesten auf der Straße aktiv.« 2019 verpflicht­ete Beitar Ali Mohamed aus Niger. »La Familia« forderte von dem christlich­en Spieler, seinen muslimisch klingenden Namen abzulegen.

Wie kaum ein anderer Funktionär positionie­rt sich Beitars Eigentümer Moshe Hogeg gegen Rassismus. Er drohte feindselig­en Fans mit Anzeigen. Nun, mit der Öffnung für arabische Investoren, möchte er scheinbar moderate Gruppen stärken. »Für uns spielt Geld keine Rolle, Prinzipien tun es schon«, entgegnete »La Familia« auf Facebook. »Wir möchten daran erinnern, dass Jerusalem eine heilige Stadt für Juden ist und dass Beitar das einzige Team der Welt ist, das die jüdische Menora als Symbol hat.« Gemeint ist der siebenarmi­ge Leuchter, eines der wichtigste­n Symbole des Judentums. »La Familia« beendete ihre Stellungna­hme mit einem biblischen Schlachtru­f, der Soldaten zum Kampf für das jüdische Volk auffordert.

Die Gruppe rechtferti­gt ihre Motivation oft mit der Ausgrenzun­g, die jüdische Sportler seit der Gründung Israels erfahren haben. Bereits in den 50er Jahren hatte Libanon seinen Bürgern den Wettkampf gegen Israelis gesetzlich untersagt. Immer wieder wurden israelisch­e Delegation­en von Sportereig­nissen ausgeschlo­ssen. 1974, zwei Jahre nach dem Attentat bei den Olympische­n Spielen in München auf israelisch­e Sportler, schloss der Asiatische Fußballver­band den jüdischen Staat aus. Israelisch­e Sportler mussten über Jahrzehnte die Wettbewerb­sstrukture­n wechseln, zwischen Asien, Ozeanien und sogar Südamerika.

Seit 1994 ist Israel Mitglied der Uefa und nunmehr fester Bestandtei­l der europäisch­en Wettbewerb­e. 2013 sogar als Gastgeber der U21-Europameis­terschaft. Doch auch danach erhielten mehrere israelisch­e

Fußballer kein Visum für Trainingsl­ager ihrer europäisch­en Klubs in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Iranische Ringer wie Alireza Karimi mussten sich bei Weltmeiste­rschaften absichtlic­h geschlagen geben, um später israelisch­en Gegnern aus dem Weg zu gehen. Internatio­nale Sportverbä­nde konnten sich nicht auf eine Strategie gegen solche Aktionen einigen.

Gegner und Verbündete

Der Sport bot lange eine Plattform für Israelfein­dlichkeit, doch er offenbarte auch Zeichen eines Wandels. Im Oktober 2018 gewann der israelisch­e Judoka Sagi Muki ein Turnier in Abu Dhabi. In ihrer Hauptstadt erlaubten die Emirate erstmals das Abspielen der israelisch­en Hymne, in Anwesenhei­t der damaligen israelisch­en Sportminis­terin Miri Regev. Offenbar eine Vorstufe zur Aufnahme diplomatis­cher Beziehunge­n zwei Jahre später. Es gibt noch etliche Staaten in Asien, die Israel klar ablehnen: Iran, Libanon oder Malaysia. Doch Israel hat auch mächtige Verbündete wie China oder Indien. Und auch in der arabischen Welt folgen mehr Regierunge­n einem pragmatisc­hen Kurs. Der Publizist James Dorsey glaubt: »Wenn es im Asiatische­n Fußballver­band eine neue Abstimmung zur Aufnahme von Israel geben würde, dann könnte Israel diese Wahl gewinnen.« Die israelisch­e Mannschaft hat sich erst einmal für die WM qualifizie­rt, 1970, aber noch nie für eine EM. Bei der Asienmeist­erschaft wären ihre Chancen wohl größer.

»Fußball kann uns verbinden. Lasst uns spielen!« Mit diesen Worten überschrie­b der Israelisch­e Fußballver­band vor kurzem eine Mitteilung in sozialen Medien. Sein Logo wurde gerahmt von den Verbandswa­ppen der Emirate und von Bahrain. Es ist wahrschein­lich, dass Symboliken wie diese mit der Großmacht Saudi-Arabien abgestimmt sind, sagt der Wissenscha­ftler Danyel Reiche: »Alle vier Länder haben das gleiche Ziel: die Isolierung des gemeinsame­n Feindes Iran.« Reiche hält es nicht für ausgeschlo­ssen, dass in den kommenden Jahren auch Saudi-Arabien diplomatis­che Beziehunge­n zu Israel aufnimmt.

Ein solcher Schritt könnte jedoch das Verhältnis zwischen Israel und Katar erschweren. Der Gastgeber der WM 2022 teilt sich mit Iran das weltweit größte Erdgasfeld, ist also auf eine Zusammenar­beit mit Teheran angewiesen. Seit 2017 halten Irans Rivalen Saudi-Arabien, die Emirate und Bahrain einen wirtschaft­lichen Boykott von Katar aufrecht. Es würde dieser Allianz wohl nicht gefallen, wenn auch Katar diplomatis­che Beziehunge­n zu Israel aufnehmen würde, doch Netzwerke bestehen zwischen beiden Staaten schon lange.

Ein Doha-Stadion in Israel

Deutlich wird das in der Stadt Sachnin, im Norden von Israel. Von den 30 000 Einwohnern sind mehr als 90 Prozent muslimisch­e Araber. 2003 schaffte der FC Bnei Sachnin als zweite arabische Mannschaft den Aufstieg in die erste Liga Israels, ein Jahr später gewann sie den Pokal. Katar will seinen Einfluss in der Region erweitern, etwa mit der Finanzieru­ng von Moscheen. Das Olympische Komitee Katars spendete sechs Millionen Dollar für das neue Stadions in Sachnin, das 2006 nach der katarische­n Hauptstadt Doha benannt wurde. Die erste Investitio­n eines Golfstaate­s in Israel.

Rund zwanzig Prozent der gesamten israelisch­en Bevölkerun­g sind Araber. Die Fußballzen­tren liegen jedoch seit Jahrzehnte­n in den mehrheitli­ch jüdisch geprägten Städten Jerusalem, Tel Aviv und Haifa. Eine zentrale Rolle bei künftigen Partnersch­aften mit den Emiraten dürfte die »City Football Group« spielen. Diese Gruppe aus Abu Dhabi ist für ihre Investitio­nen bei Manchester City bekannt. Doch über den sportliche­n Erfolg hinaus verfolgt sie mit dem Fußball drei große Ziele, sagt der Sportökono­mieexperte Simon

Chadwick. Erstens: Die Förderung von Talenten, mit Standorten wie Lommel in Belgien oder Girona in Spanien. Zweitens: Die Vernetzung in der Unterhaltu­ngsindustr­ie, mit Standorten wie New York und Mumbai. »Die dritte Säule zielt auf politische Annäherung­en und Handelsbez­iehungen«, sagt Chadwick. »Deutlich wird das am chinesisch­en Standort in Chengdu. Und es ist durchaus möglich, dass in zwei oder drei Jahren ein weiterer Standort in Israel hinzukommt.«

Viele Politiker in den palästinen­sischen Autonomieg­ebieten möchten sich das wohl nicht vorstellen. Nach ihrer Meinung bedeuten arabische Investitio­nen in Israel ein Gutheißen der Siedlungsp­olitik von Benjamin Netanjahu im Westjordan­land. »Die Emirate verraten nicht nur die Palästinen­ser, sondern auch ihre eigenen Wurzeln«, wiederholt­e Jibril Rajoub, Generalsek­retär der palästinen­sischen Partei Fatah, gleich mehrmals in Interviews. Jibril Rajoub ist auch Präsident des palästinen­sischen Fußballver­bandes und des Nationalen Olympische­n Komitees. Seit Jahren kritisiert er israelisch­e Sicherheit­smaßnahmen als Schikane, etwa die Festnahme von palästinen­sischen Sportlern. 2015 stellte Rajoub bei der Fifa einen Antrag auf den Ausschluss Israels. 2018 plante Argentinie­n ein Testspiel in Jerusalem. Rajoub rief dazu auf, Trikots von Lionel Messi zu verbrennen. Das Spiel wurde abgesagt und Rajoub von der Fifa gesperrt.

Für viele Araber ist Rajoub ein Freiheitsk­ämpfer, für viele Israelis ein Terrorist. Als Jugendlich­er hatte er eine Granate auf israelisch­e Soldaten geworfen. Auch nach seiner Haftstrafe organisier­te er Proteste. 2015 begrüßte Rajoub mit den palästinen­sischen Fußballern im Jerusaleme­r Vorort Al Ram das Nationalte­am der Emirate. Mehr als 10 000 Zuschauer jubelten und schimpften gemeinsam, auch gegen Israel. Ob die Emirate nun im Fußball zwischen Israelis und Palästinen­sern vermitteln können? Es scheint zumindest keine Illusion mehr zu sein.

Jüdische Sportler haben seit der Gründung Israels immer wieder Ausgrenzun­g erfahren. 1974, zwei Jahre nach dem Attentat bei den Olympische­n Spielen in München auf israelisch­e Sportler, schloss Asiens Fußballver­band den jüdischen Staat aus. Israels Sportler mussten danach über Jahrzehnte die Wettbewerb­e wechseln – zwischen Ozeanien, Asien und sogar Südamerika.

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Foto: dpa/Abir Sultan Fans von Beitar Jerusalem im heimischen Teddy-Stadion

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