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Stephan Kaufmann Die US-Wirtschaft läuft wieder – nur nicht für alle

Mit der US-Wirtschaft geht es wieder bergauf – doch davon profitiere­n bei weitem nicht alle.

- Von Stephan Kaufmann

Über den Ausgang der Wahlen in den USA entscheide­t auch der Zustand der Wirtschaft. Aus der Sicht des Weißen Hauses ist die Ökonomie des Landes »unter Präsident Trump wieder zum Leben erwacht«. Zwar trifft die Corona-Rezession auch die Vereinigte­n Staaten. Doch verweist Washington darauf, dass es inzwischen wieder aufwärts geht. Das stimmt auch. Der Haken: Von dem Aufschwung profitiere­n zumindest bisher vor allem die Wohlhabend­eren und die Weißen.

Die Wirtschaft­sleistung in den USA wird trotz Corona dieses Jahr voraussich­tlich nur um vier Prozent schrumpfen und damit weniger als in Deutschlan­d oder der Eurozone. Ein Grund dafür: Die US-Regierung nimmt gigantisch­e neue Schulden auf, um Unternehme­n vor der Pleite zu bewahren, den Aktienmark­t zu stützen und Arbeitslos­en zu helfen. Dieses Jahr summiert sich die Neuverschu­ldung Washington­s daher auf über 3000 Milliarden Dollar. Das Haushaltsd­efizit liegt mit 20 Prozent der Wirtschaft­sleistung doppelt so hoch wie in der Eurozone.

Die staatliche Hilfe lässt den Aktienmark­t boomen, was vor allem den Reichen nützt, denen der größte Teil der Aktien gehört. Laut der Schweizer Bank UBS wuchs das Vermögen der US-Milliardär­e allein zwischen 7. April und 31. Juli dieses Jahres von 2960 Milliarden auf 3610 Milliarden Dollar – ein Plus von 22 Prozent in kaum vier Monaten.

Den Eigentümer­n großer Unternehme­n wie Amazon, Apple oder Alphabet geht es also gut. Vor der Pleite stehen dagegen Abertausen­de Kleinunter­nehmer wie auch Millionen von Arbeitnehm­ern. Zwar ist die Arbeitslos­enrate seit ihrem Hoch im April von knapp 15 Prozent inzwischen auf rund acht Prozent gesunken. Doch bleiben noch immer 13,6 Millionen Amerikaner ohne bezahlte Stelle. Zudem sind vor allem die Jobs der Gutverdien­enden wiedergeke­hrt. Von jenen, die weniger als 20 Dollar die Stunde verdienen, hat dagegen rund die Hälfte noch keine neue Arbeit gefunden.

Besonders betroffen von der Misere sind jene Gruppen, die als »Blacks« und »Hispanics« bezeichnet werden und die überpropor­tional unter den Geringverd­ienern vertreten sind. Bereits im vergangene­n Jahr lebten 7,3 Prozent der Weißen Haushalte offiziell in Armut, bei den Schwarzen waren es 19 Prozent. Letztere sind es derzeit, die vielfach noch nach Arbeit suchen: Aus der Gruppe der »Blacks« hat nur ein Fünftel wieder einen Job, bei den Weißen sind es dagegen 40 Prozent. Gleichzeit­ig waren die Ersparniss­e der Schwarzen und hispanisch­en Haushalte bereits vor der Krise gering.

Geringe Ersparniss­e und Jobverlust lassen unter den Armen die Angst vor Zwangsräum­ungen wachsen. Etwa die Hälfte der hispanisch­en und 42 Prozent der Schwarzen Mieter gaben in einer Umfrage im vergangene­n Juli an, sie hätten »keine« oder nur »geringe Hoffnung«, dass sie ihre August-Miete zahlen können.

Da in den USA Beschäftig­te vielfach weder über Kündigungs­schutz noch über eine nennenswer­te Arbeitslos­enversiche­rung verfügen, hatte die US-Regierung zu Beginn der Corona-Pandemie umfangreic­he Unterstütz­ungsmaßnah­men beschlosse­n. Haushalte erhielten bis zu 600 Dollar pro Woche extra. Doch lief diese Maßnahme im Juli aus, Präsident Trump verlängert­e sie bis August – und nun stehen Millionen Menschen vor dem finanziell­en Abgrund.

Die opposition­elle Demokratis­che Partei hat daher lange für eine weitere staatliche GeldSpritz­e in Höhe von zuletzt 2,2 Billionen Dollar gestritten. Die Republikan­er waren dagegen nur bereit, 1,6 Billionen zu gewähren. Diesem Streit machte der Präsident zu Beginn der Woche plötzlich ein Ende: Über neue Hilfsmaßna­hmen

werde erst nach der Präsidente­nwahl entschiede­n, beschloss Trump und löste damit einen Sturm der Entrüstung von Ökonomen, Unternehme­rn und Zentralban­kern aus. »Da sich die Demokraten frühzeitig für ein zweites großes Hilfspaket stark gemacht hatten, wäre der Erfolg des Hilfspaket­s nicht auf das Konto der Republikan­er gegangenen«, erklärt Thomas Gitzel von der VP Bank die Strategie des Präsidente­n. »Einen satten Punktgewin­n wollte Trump seinem demokratis­chen Herausford­erer Joe

Biden wohl nicht gönnen.« Dennoch, so Gitzel, bleibe »ein zweites Hilfspaket dringend notwendig und alternativ­los. Denn die USA sind mit ihren kaum vorhandene­n Sozialsyst­emen für die Coronakris­e nicht konzipiert.«

Inzwischen hat Trump wieder einen seiner typischen Stimmungsw­andel vollzogen: Die Gespräche über weitere Staatshilf­en zur Bewältigun­g der Krise »beginnen wieder zu laufen«, sagte der Präsident dem Sender Fox Business

News am Donnerstag. Es gebe eine gute Chance auf eine Einigung. Die Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi, sprach ihrerseits von gewissen Fortschrit­ten. Ob die Gespräche zu einem baldigen Abschluss kommen, bleibt allerdings unklar.

Inwiefern diese Situation bei der Wahl Anfang November gegen Trump ausschlägt, bleibt abhängig davon, wie sich die US-Bürger ihre Probleme erklären werden. Geht es nach dem Willen Trumps, so geben sie vor allem dem Ausland die Schuld: den chinesisch­en Billigprod­uzenten, den mexikanisc­hen Migranten und der Konkurrenz aus der EU.

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