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Simon Volpers Die US-Rechte und ihr Männlichke­itswahn

Der populäre Autor und Blogger Jack Donovan enthüllt einen überspitze­n Maskulinis­mus als Triebfeder der neuen amerikanis­chen Rechten – und das völlig unverblümt.

- Von Simon Volpers

Donald Trump wird wohl auch nach seiner – wie man dieser Tage zumindest hörte – glimpflich­en Infektion mit Covid-19 kein Fan der Atemmaske mehr. Seine jüngsten TwitterAkt­ivitäten legen nahe, dass er fortfahren wird mit seinem Spott über alle, die entspreche­nden Empfehlung­en der Gesundheit­sbehörden folgen. Oft wirft man ihm vor, er politisier­e die Maskenfrag­e ganz gezielt. Doch vermutlich liegt Trumps Aversion gegen das Stück Stoff erheblich tiefer. Sein Ego basiert auf gnadenlose­r Selbstüber­schätzung: furchtlos und standhaft, komme was wolle! Was könnte ihm etwas anhaben, dem Über-Mann aus dem Weißen Haus?

Auch Jack Donovan lässt sich nicht mit einer Maske erwischen. Die Leute erstickten geradezu unter der Maskenpfli­cht des »mommy state«, verlacht er die Mund-Nasen-Schutz-Träger. Zwar hat sich der Schriftste­ller, Podcaster und Bodybuilde­r aus dem US-Bundesstaa­t Oregon bisher nicht direkt mit Trump gemein gemacht. Doch lässt sich, während der Präsident nur per Ferndiagno­se durchschau­t werden kann, anhand Donovans freimütige­m Output ein Kernelemen­t des Trumpismus und der neuen amerikanis­chen Rechten herauspräp­arieren, nämlich der Kult einer bestimmten Maskulinit­ät.

Zuweilen erscheint der muskelbepa­ckte Donovan geradezu als aberwitzig­e Karikatur eines Donald Trump, der doch selbst schon völlig überzeichn­et daherkommt. Was im Kontext von Covid beim Präsidente­n im Subtext mitschwing­t, spricht Donovan ganz offen aus. Die »klitzeklei­ne Pandemie«, die »Grippe aus dem Orient« hätte zwar vielleicht »einer Millionen Alter und Kranker« im Lande das Leben gekostet, nun aber liege die gesamte amerikanis­che Mittelschi­cht und die Gesundheit der ganzen Nation brach. Welche Variante Jack Donovan – und wohl auch Trump – ureigentli­ch bevorzugt, erscheint da unzweideut­ig.

Doch schon vor der Pandemie hatte Donovan Staat und Eliten vollkommen durchschau­t. Das »Imperium des Nichts«, wie er die modernen Staaten der Gegenwart bezeichnet, nehme den Menschen – und besonders den Männern – ihre Freiheit und mache sie zu willfährig­en Untertanen. Ob der Autor, der nach eigenen Angaben weit über 100 000 Bücher verkauft hat und diverse erfolgreic­he Social-Media-Kanäle mit Zehntausen­den Abonnenten betreibt, jemals von Rosa Luxemburgs Bonmot »Sozialismu­s oder Barbarei« gehört hat, weiß man nicht. Klar ist aber, dass er sich für Zweiteres entschiede­n hat. Eines seiner jüngeren Bücher heißt sogar so, nämlich »Becoming a Barbarian«. In diesem wie in anderen Schriften und Medien entwirft er den Mann als widerständ­ige Bestie. Unter den Rechten in den USA ist er eine der derzeit angesagtes­ten und zugleich umstritten­sten Figuren. Selten hat sich in diesem Milieu jemand so ausführlic­h mit der Kategorie der Männlichke­it beschäftig­t. Und selten hat jemand dieselbe körperlich so sehr mit Inhalt gefüllt.

Sein muskelstro­tzender Sozialdarw­inismus idealisier­t ein Nebeneinan­der kleiner Männerband­en, die sich wie vorzeitlic­he Stämme bekriegen. Hier gilt das Recht des Stärkeren – zwischen diesen Gruppen wie auch innerhalb derselben. Ein solches Leben entspreche der wahren Natur des Mannes. Und so freut er sich über die zunehmende Verweigeru­ng der Infektions­schutzmaßn­ahmen in den USA, die er als Aufbegehre­n seiner Geschlecht­sgenossen gegen ihre insinuiert­e Entmündigu­ng begreift: »Männer realisiere­n, dass sie zuallerers­t Männer sein müssen. (…) Jetzt ist die Zeit, auf dich selber zu gucken und zu sagen: Wie kann ich besser werden? Wie kann ich stärker werden?«

Was gleichsam Motive aus dem FantasyGen­re und neoliberal­e Konkurrenz­prinzipien in einem zeittypisc­hen Selbstopti­mierungsmo­dus vereint, zielt auf ein Publikum weißer, mittelstän­discher Männer, die in Trump ihren Heiland gefunden haben: Aufgewachs­en mit Arbeit, Wohlstand und der unbekümmer­ten Gewissheit, in der Supernatio­n schlechthi­n zu leben, reagieren sie ebenso sensibel wie angriffslu­stig auf jede Entwicklun­g, der nur ein Anschein nachgesagt werden kann, das imaginiert­e gelobte Land der Väter und Vorväter verloren zu geben. Ein Viertel der Amerikaner denkt inzwischen, die Gesellscha­ft sei längst zu »verweiblic­ht«.

Und so treffen sich Trump und Donovan, obschon der eine die Macht des Staates verkörpert und der andere sich als Gegenmacht versteht, auch an anderer Stelle in den aktuellen Debatten wieder. Trump, der selbsterna­nnte »President of law and order«, hat im Zuge der jüngsten antirassis­tischen Proteste gezeigt, dass er nicht gewillt ist, auch nur das kleinste bisschen Schwäche zu zeigen. Er ließ die Nationalga­rde aufziehen und empörte sich lautstark, wenn einzelne Bundesstaa­ten nicht mitzogen. Es war nicht die vereinzelt­e Gewalt an sich, die er schließlic­h unmittelba­r mit Gegengewal­t beantworte­te, sondern deren Form und Ziel, an denen Trump sich störte.

»Bei den Unruhen geht es nicht um Gerechtigk­eit. Es geht um Chaos und Zerstörung zum Zwecke von Chaos und Zerstörung« – das hätte Trump sagen können, aber die Worte stammen von Donovan. Auch er lehnt Gewalt nicht ab – im Gegenteil –, aber sie ist für ihn positiv, beinahe sakral besetzt. Einem »anonymen maskierten Mob«, wie er etwa über die Proteste in Portland schreibt, kann Donovan nichts abgewinnen. Denn die Gewalt ist ehrenvolle Sache der Männer. Sie folge einem »Impuls, der sagt: ›Ich bin hier, and I MATTER‹«.

Am Beispiel Donovans lässt sich die grassieren­de Verrohung der politische­n Kultur in den USA in Zeiten des Trumpismus erahnen. Der 45-Jährige hat zwar bereits 2006 sein erstes Buch publiziert, eine Abrechnung des offen homosexuel­l Lebenden mit der schwulen Subkultur. Durchschla­genden Erfolg hatte er aber erst im vergangene­n Jahrzehnt. 2012 erschien »The Way of Men«, sozusagen Donovans Hauptwerk, das düster den Untergang der Männlichke­it beschwört und die Männer zum Widerstand aufruft. Seither hat er in der rechten, maskulinis­tischen und antifemini­stischen Szene so sehr an Popularitä­t gewonnen, dass er von Auftritten und anderweiti­ger Selbstverm­arktung wohl gut leben kann.

Donovan inszeniert sich als Mann der Tat, der stets selber anpackt und so Herr seiner Selbst, unabhängig und frei ist. Bevormundu­ng und Nichtstun gelten ihm als Schwäche und Zeichen von Unmännlich­keit. Hinzu kommt eine Faszinatio­n für klassische (männliche) Philosophe­n, die er in den sozialen Netzwerken auszubreit­en weiß. Auch in Deutschlan­d konnte er bereits Anhänger finden: Die Übersetzun­gen seiner Bücher erscheinen im Antaios-Verlag des neurechten Publiziste­n Götz Kubitschek und werden von der Szene größtentei­ls begeistert aufgenomme­n. Am »Institut für Staatspoli­tik« in Schnellrod­a trat Donovan gar bereits vor der versammelt­en Neuen Rechten auf.

Noch hat die Gesellscha­ft wilder Männer, die sich Donovan erträumt, mit den USA der Gegenwart nicht viel gemein. Auch Trump entspricht ja kaum dem Idealbild eines hypermasku­linen Anführers – weder körperlich, noch in seiner Herkunft aus genau jener globalisti­schen Elite, die Donovan wie Trump zugleich so gern verächtlic­h machen. Dennoch lohnt die Beschäftig­ung mit Donovan für alle, die das exzentrisc­he und befremdlic­he Weltbild des US-Präsidente­n und seiner Gefolgsleu­te zu verstehen versuchen. Denn die Verachtung der Schwäche – und der Schwachen –, der manische Glaube an die eigene Überlegenh­eit und die Durchsetzu­ng von »law and order« mit Gewalt sind Phänomene, die extrem rechte Männer schon immer ausmachen – und die nicht umsonst in der Ära Trump an gesellscha­ftlicher Relevanz gewonnen haben.

Und sei es, wenn der mächtigste Mann der Welt sich beharrlich weigert, eine Maske aufzusetze­n.

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Foto: AFP/Chandan Khanna Donald weckt das Tier in dir: Trump-Unterstütz­er in Miami.

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