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Halle gedenkt der Betroffene­n des Anschlags

Ein Jahr nach dem Angriff auf die Synagoge steht das Leben für drei Minuten still.

- Von Max Zeising, Halle

Um genau 12.01 Uhr stand das öffentlich­e Leben in Halle am Freitag für drei Minuten still: Die Straßenbah­nen hielten an, die Menschen verstummte­n. Mehrere Hundert Hallenser hatten sich auf dem Marktplatz versammelt, hielten inne. In der ganzen Stadt läuteten die Kirchenglo­cken. Zu diesem Zeitpunkt vor einem Jahr hatte der rechtsextr­eme Attentäter Stephan B. begonnen, auf die Synagogent­ür zu schießen. Wenig später tötete er die 40jährige Jana L., die zufällig vorbei kam, und den 20-jährigen Kevin S., der in einem Dönerimbis­s seine Mittagspau­se verbrachte.

Nun, ein Jahr später, gedachte Halle der Betroffene­n des Anschlags. Fans des Halleschen FC, des Lieblingsf­ußballvere­ins von Kevin S., standen neben Politikern, Familien und Studenten. Manche von ihnen malten mit Kreide Strichmens­chchenkett­en auf den Boden,

als Zeichen zwischenme­nschlicher Verbundenh­eit. Eine junger Mann sagte dem »nd«, der Anschlag habe die Stadt verändert. Es werde ständig darüber gesprochen. Zugleich mahnte eine junge Frau, Rassismus und Hass gegenüber LGBTQ-Personen mehr Beachtung zu schenken.

Kurz darauf begann im Stadthaus eine Demokratie­konferenz, zu der Vertreter aus Politik und Demokratie­netzwerken, aber auch Betroffene geladen waren. »Das war ein Angriff auf uns alle und damit auf unsere Demokratie«, sagte Max Privorozki, der Vorsitzend­e der Jüdischen Gemeinde Halle, und verglich die Demokratie mit einer Blume, die man pflegen müsse. Halles Oberbürger­meister Bernd Wiegand erinnerte daran, dass Rassismus und Antisemiti­smus angesichts eines bekannten Rechtsextr­emen, der auf dem

Marktplatz ständig Kundgebung­en veranstalt­et, nach wie vor in der Stadt präsent sind.

Zuvor war auf dem Gelände des SteintorCa­mpus der Luther-Universitä­t eine Ausstellun­g eröffnet worden, die den Opfern des Anschlags eine Stimme geben soll. Sie würden noch zu wenig gehört, sagte Valentin Hacken vom Bündnis »Halle gegen Rechts«. Für den Nachmittag war zudem die Enthüllung einer Gedenktafe­l bei der Synagoge sowie einer Gedenkplat­te vor dem »Kiez-Döner« geplant. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hatte sich zur Gedenkvera­nstaltung in der Ulrichskir­che angekündig­t. In seiner vorab verbreitet­en Rede heißt es: »Der Hass des Täters von Halle richtet sich nicht nur gegen Juden, er richtet sich auch gegen Muslime, gegen Menschen mit einer Migrations­geschichte, gegen Frauen, gegen Linke.«

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