Trump hat kein Mitleid verdient
Lieber Max, Donald Trump hat sich das Coronavirus eingefangen. Welch Überraschung! Er sagt, ihm gehe es wieder gut. Sein Arzt sagt das auch. Aber was glaubt die Bevölkerung?
Trumps Fans nehmen ihm alles ab, also auch, dass er über den Berg sei. Aber die Mehrheit der Amerikaner ist skeptisch. Trump hat schon ungefähr 25 000 mal gelogen in fast vier Jahren Amtszeit. Die Leute fragen sich: Wie kann einer, der vor einer Woche mit Sauerstoff versorgt und mit hohem Fieber ins Krankenhaus eingeliefert wurde, kurz darauf so weitermachen wie bisher? Vollgepumpt mit Steroiden und Versuchsmixturen! Und was den Mediziner angeht: Der Mann ist Militärarzt und Trump sein oberster Befehlshaber. Der Arzt lässt also nichts verlautbaren, was Trump ihm nicht vorher diktiert hat.
Erkrankte oder verletzte Präsidenten im Amt profitierten oft von einem Mitleidsbonus. Trump aber nicht. Warum?
Weil er so offensichtlich ein größenwahnsinniger Narzisst ist. Man kann sich auch nicht daran erinnern, dass er selbst mal Mitleid mit jemandem gezeigt hätte. Im Gegenteil, er hat wahrscheinlich Hunderte mit Covid-19 angesteckt und läuft noch immer ohne Maske durchs Weiße Haus. Nee, der hat kein Mitleid verdient.
Trump sagt, er habe jetzt viel gelernt über Corona. Trotzdem beschwört er die Menschen, sie sollten keine Angst davor haben. Und er zieht wieder Grippevergleiche. Glauben ihm die Amerikaner? Man kann nicht von »den Amerikanern« sprechen. Sie sind kein einheitlicher Block, sondern tief gespalten. Ich fürchte aber, dass ihm am Ende manch einer glaubt, wenn Trump geheilt sein wird und sich als Bezwinger von Corona darstellt. Nach der Rückkehr ins Weiße Haus jagte Trump den Dow Jones per Tweet in den Keller, als er die Verhandlungen über ein Rettungspaket auf die Zeit nach der Wahl verschob. Millionen können ihre Miete nicht zahlen, verlieren ihre Jobs und ihre Krankenversicherung. Die brauchen staatliche Hilfen. Und er sagt einfach: Stopp. Das kann doch nicht klug sein. Ich denke, das sind Nebenwirkungen dieser Drogenmixturen. Und das ist kein Witz mehr. Zuerst beendet er die Verhandlungen abrupt. Dann bricht der Aktienmarkt ein, und ein paar Stunden später twittert er dann das Gegenteil.
In der Nacht zu Donnerstag trafen sich die Vizepräsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Mike Pence. Diese TV-Debatte ist normalerweise nur so semi-wichtig. Jetzt aber spekulieren viele, was passiert, wenn der alte weiße Mann an der Spitze stirbt? Wer konnte am besten zeigen, dass sie oder er dem Job gewachsen ist?
Beide. Sie sind ja Berufspolitiker. Pence war Gouverneur in Indiana, Harris Justizministerin von Kalifornien und nun Senatorin. Im Gegensatz zu Trump können sie auch Gedanken in normale Sätze fassen. Inhaltlich hat die Debatte aber nicht viel bewirkt, denke ich. Pence wirkte salbungsvoll, aber auch heuchlerisch. Er hatte große Mühe, Trump zu verteidigen. Harris dagegen kam als kompetent rüber, als sehr kluge Denkerin, und die Demokraten führen daher weiterhin in den Umfragen.
War das die letzte Debatte? Eigentlich sollen ja Trump und Biden noch zweimal aufeinandertreffen. Aber daran bestehen große Zweifel. Geplant ist ein weiteres Duell am 15. Oktober, und dann noch eins die Woche drauf. Biden will aber offiziell keine Debatte, solange Trump noch mit dem Virus infiziert ist. Wie lange das der Fall ist, werden wir erst in den kommenden Tagen erfahren.
Nun ja, zumindest wenn man Trump und seinem Arzt glauben will.