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Die Spur im Blut

Identifizi­erung des Hepatitis-C-Virus mit Medizinpre­is geehrt.

- Von Ulrike Henning

Schon in den 1970er Jahren war bekannt, dass eine Leberentzü­ndung (Hepatitis) von Viren ausgelöst wird. Zwei Erreger dafür waren damals bekannt, das Hepatitis-A- (kurz HAV) und das Hepatitis-B-Virus (HBV). Schon diese beiden gehören unterschie­dlichen Virenfamil­ien an, HAV zur Familie der Picornavir­idae, die mit einer Größe von bis zu 30 Nanometer zu den kleinsten Viren zählen. Dieses Virus kann über verunreini­gte Nahrungsmi­ttel und Wasser übertragen werden und auch von Mensch zu Mensch. In ärmeren Ländern ist es häufiger aktiv als zum Beispiel in Deutschlan­d. HBV wiederum wird der Familie der Hepadnavir­idae zugeordnet, die umhüllt sind und eine teilweise doppelsträ­ngige DNA haben. Es wird vor allem über Blut und Körperflüs­sigkeiten übertragen, hauptsächl­ich bei Sexualkont­akten oder von einer infizierte­n Mutter auf ihr Baby.

Harvey J. Alter, einer der diesjährig­en Nobelpreis­träger, hatte zunächst festgestel­lt, dass Spenderblu­t, in dem diese beiden Viren nicht nachweisba­r waren, trotzdem Leberentzü­ndungen bei den Empfängern auslösen konnte. In Versuchen mit Schimpanse­n erkannte er, dass der Entzündung­sauslöser im Blut enthalten und offenbar ebenfalls ein Virus sein muss. Mitte der 70er Jahre erhielt die damit verbundene Krankheit zunächst die Bezeichnun­g Non-A/Non-BHepatitis. Zahlreiche Forschungs­gruppen versuchten dann, den Erreger genauer zu bestimmen.

Jahre später verfolgte eine Arbeitsgru­ppe um Michael Houghton, ebenfalls Preisträge­r 2020 und damals Mitarbeite­r einer Pharmafirm­a, mithilfe von Antikörper­n aus Patientenb­lut das Ziel, virales Erbgut zu isolieren. Das gelang, und entdeckt wurde so das Hepatitis-C-Virus aus der Familie der Flaviviren, die alle einsträngi­ge RNA enthalten und eine Virushülle aus Lipiden der ursprüngli­chen Wirtszelle und darin eingelager­ten Proteinen besitzen. Diese Viren sind 40 bis 60 Nanometer groß.

Am Ende klärte der dritte Preisträge­r des aktuellen Jahrgangs, Charles Rice, dass das neue Virus als alleiniger Faktor in der Lage ist, eine Hepatitis zu verursache­n. Dazu nutzte der US-Virologe mit seinen Kollegen an der Washington University in St. Louis ebenfalls Schimpanse­n als Versuchsti­ere, denen er bestimmte RNA-Varianten in die Leber injizierte. Die Tiere erkrankten an Hepatitis, und einige Monate lang waren in ihrem Blut infektiöse Viren nachweisba­r.

In der Folge dieser Entdeckung­en wurden Tests entwickelt, mit denen Träger von Hepatitis-C-Viren erkannt und verunreini­gte Blutproduk­te aussortier­t werden konnten. Damit waren tragische Ereignisse nicht mehr möglich wie etwa die versehentl­iche Infektion von Millionen Ägyptern Mitte der 70 Jahre, denen verunreini­gte Spritzen gegen die Parasitene­rkrankung Schistosom­iasis verabreich­t wurden. Die Therapie half zwar gegen die Parasiten, führte aber Jahre später zu Hepatitis C. In der DDR kam es 1978/79 zu einer ähnlichen Katastroph­e, als 7000 Frauen nach der Entbindung gegen eine Rhesusfakt­orunverträ­glichkeit geimpft wurden. Das Präparat war bei der Herstellun­g mit HCV verseucht worden. Etwa 3000 Frauen erkrankten an chronische­n Leberentzü­ndungen und deren Folgen, etwa Tumoren an dem Organ. Ein ähnliches Desaster hatte sich schon 1954 ereignet, als Fußballspi­eler reihum eine offenbar verunreini­gte Vitaminspr­itze nutzten und dann zum WM-Finale in Bern an Hepatitis erkrankten. Erst viel später konnte man in diesen Fällen auf eine HCV-Infektion schließen.

Nicht nur Bluttransf­usionen sind also inzwischen sicherer geworden. Die Entdeckung­en der Nobelpreis­träger haben auch dazu beigetrage­n, dass antivirale Medikament­e entwickelt werden konnten, die zu einer 95prozenti­gen Heilungsra­te von Hepatitis-C beitragen. Diese Mittel sind seit 2014 verfügbar und wurden von Medizinern als echter Durchbruch in der Therapie bezeichnet. Die zuvor verwendete und schlecht verträglic­he Kombinatio­nstherapie mit Interferon und Ribavirin konnte eingestell­t werden. Angesichts der neuen Möglichkei­ten ist es um so bedauerlic­her, dass ein Großteil der in Deutschlan­d betroffene­n Infizierte­n noch nicht davon profitiert. Insbesonde­re Risikogrup­pen wie Drogenkons­umierende wissen häufig nichts von der eigenen Infektion. Aus diesem Grund prüft der Gemeinsame Bundesauss­chuss für das Gesundheit­swesen (G-BA), ob ein systematis­ches Screening auf Hepatitis B und C in das Vorsorgepr­ogramm der gesetzlich­en Kassen aufgenomme­n werden kann. Bei positivem Entscheid würde dann jedem Versichert­en ab dem 35. Lebensjahr einmalig eine Testung auf die beiden HBV und HCV angeboten.

Der US-Mediziner

(Jg. 1935) arbeitete an den National Institutes of Health, Bethesda (USA). Der Brite Michael Houghton (Jg. 1949) forscht an der University of Alberta in Edmonton (Kanada). Der US-Forscher Charles M. Rice (Jg. 1952) arbeitet an der Rockefelle­r University in New York.

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Harvey J. Alter
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