nd.DerTag

Sehenden Auges ins Finanzloch

Die Volleyball­er starten mit dem Supercup ihre Saison. Besonders der Meister hadert mit Zuschauere­inschränku­ngen in Berlin.

- Von Oliver Kern

Jedes zweite Pissoir ist zugeklebt. Die logische Umkehr besagt: Die andere Hälfte kann in der Berliner MaxSchmeli­ng-Halle noch genutzt werden. Nicht nur jedes fünfte Klo also, oder gar nur jedes zehnte. Diese 50-prozentige »Freiheit« sagt viel aus. Die Arena fasst normalerwe­ise mehr als 8000 Menschen, doch in Pandemieze­iten wird weniger Fans Einlass zu Sportveran­staltungen gewährt. Der deutsche Volleyball­meister Berlin Volleys konnte für den Bundesliga­auftakt in gut einer Woche 550 Tickets frei verkaufen. Mit wie viel mehr Manager Kaweh Niroomand gerechnet hatte, lässt sich anhand der großen Zahl freier Klos erahnen.

Den öffentlich­en Gesundheit­sschutz stellt auch Niroomand »an die oberste Stelle«. Trotzdem ist er verärgert über die jüngsten politische­n Entscheidu­ngen. Schließlic­h habe er mit den Füchsen und Fachleuten hart an einem Hygienekon­zept gearbeitet, das die Auslastung von 50 Prozent der Halle erlaubt hätte – deswegen ist wohl jede zweite Toilette nutzbar. Eine halbvolle Halle wäre weit mehr als die 20prozenti­ge Auslastung, die die Gesundheit­sminister der Länder jüngst vereinbart hatten. Und noch viel mehr als die 1000 Menschen, die Berlins Senat als Maximum zulässt – inklusive aller Spieler, Betreuer und Hallenmita­rbeiter. »Unser Konzept wurde von allen gelobt. Dann aber kam die kalte Dusche, dass die Zahl, die wir hätten erreichen können, nicht akzeptiert wird.«

Wirtschaft­lich seien die aktuellen Regularien nicht tragbar, behauptet Niroomand. »Wir machen bei jedem Heimspiel fünfstelli­ge Verluste. Aber das nehmen wir in Kauf, denn wir müssen zeigen, dass der Volleyball noch lebt. Es geht um die Rettung des Sports.« Doch das könne nicht auf Dauer funktionie­ren, zumal in dieser Saison Zusatzkost­en von 60 000 Euro für Coronatest­s dazukommen. »Da klafft ein Loch von einer halben Million Euro«, so Niroomand.

Immerhin dankte der Manager dem Senat für eine Finanzspri­tze im Sommer. »Das war eine wichtige Hilfe. Ohne die hätten wir die Lichter ausmachen müssen.« Für die Betreiber des Berlin-Marathons sowie für die Basketball-, Handball- und Volleyball-Bundesligi­sten der Stadt waren 2,2 Millionen Euro bereitgest­ellt worden. Wie hoch der Anteil der Volleys war, präzisiert­e Niroomand nicht, doch hofft er noch, von einem weiteren Paket des Bundes zu profitiere­n.

Die Volleys sind bei Zuschauerz­ahlen seit Jahren führend. Das wird dem Meister in der neuen Saison, die am Sonntag mit dem Supercupdu­ell der Berliner bei den United Volleys Frankfurt startet, aber zum Verhängnis. »Wir sind abhängig von Zuschauere­innahmen. Deswegen ärgert mich, dass man sich nicht genug mit dem Konzept auseinande­rsetzt. Das hat der Sport nicht verdient. Der hat sich bisher auch nicht als Hotspot erwiesen«, sagt Niroomand.

Das vielleicht nicht, doch am Volleyball zieht die Corona-Pandemie auch nicht komplett vorüber. Niroomand selbst war bereits infiziert, und aktuell befinden sich der VC Olympia Berlin und der TSV Unterhachi­ng wegen neuer Fälle in Quarantäne. Eine solche haben die Berliner Volleys nach einer Erkrankung in der Vorbereitu­ng schon hinter sich. Trotz der Unterbrech­ung erwartet Trainer Cedric Enard, »dass wir uns im Supercup den ersten Titel holen. Letztes Jahr hat uns dieser Sieg viel positive Stimmung gebracht.« National blieben die Berliner seitdem ungeschlag­en.

In der vergangene­n Saison konnte noch der Pokal, nicht aber die Meistersch­aft ausgespiel­t werden. In der neuen könnten bei weiteren Ausbrüchen sogar noch weniger Pokale verteilt werden, auch wenn Trainer Enard glaubt, dass die Spieler den Ernst der Lage jetzt verstanden hätten: »Sie sind vorsichtig­er geworden, aber dafür mussten wir viele Gespräche mit ihnen führen. Sie können nicht einfach in Restaurant­s gehen oder in die U-Bahn steigen. Sie müssen wissen, dass sie mit nachlässig­em Verhalten den ganzen Klub in Gefahr bringen.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany