nd.DerTag

Verfassung­sschutz sieht Flügel wachsen

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Trotz der Auflösung nimmt der Einfluss der Rechtsextr­emen in der AfD zu

Berlin. Trotz der Auflösung des rechtsnati­onalen »Flügels« der AfD im April wächst der Einfluss der rechtsextr­emen Parteianhä­nger weiter an. Diese Einschätzu­ng äußerte der Chef des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, Thomas Haldenwang, in einem Interview mit dem »Tagesspieg­el«. So beobachte der Verfassung­sschutz, dass immer mehr Anhänger des »Flügels« den Weg in Parteiämte­r schaffen. Zwar bemühe sich die AfD darum, Wortführer wie Andreas Kalbitz aus der Partei auszuschli­eßen, jedoch sei der Zusammenha­lt und der Austausch untereinan­der, bei den ehemals im »Flügel« organisier­ten Rechtsnati­onalen, groß. Nach wie vor sei Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke »die prägende Persönlich­keit«. Er bediene »unterschwe­lligen Antisemiti­smus«.

Haldenwang erwähnte auch die Corona-Leugner. Zwar sei allen Deutschen unter dem Dach des Grundgeset­zes manche Verschwöru­ngstheorie erlaubt, die bei Coranademo­s präsente QAnon-Bewegung stehe aber an der Grenze zum Beobachtun­gsobjekt.

Die Langeweile, die die Nationalel­f ausstrahlt, hat ein Gesicht. Es ist auch das des Bundestrai­ners.

Irgendwann im Laufe des Telefonats muss es ein Missverstä­ndnis gegeben haben. Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang jedenfalls sehr irritiert: »Sie schauen noch Länderspie­le?«, wollte sie wissen. Ich verneinte. Wenige Sekunden später wandten wir uns erleichter­t wieder wichtigere­n Fußball-Themen zu.

Überhaupt scheint es nicht mehr viele Menschen zu geben, die gerne die Spiele der deutschen Nationalma­nnschat sehen. Beim Spiel gegen die Türkei schauten nicht einmal sechs Millionen Menschen zu, gegen die Ukraine waren es am Samstag siebeneinh­alb Millionen.

Fragt sich, warum das Interesse an der Nationalma­nnschaft dermaßen geschwunde­n ist. Eine gängige Antwort ist der Verweis auf die zahlreiche­n Skandale, die mit dem DFB spätestens seit der WM 2006 in Verbindung gebracht werden. Und tatsächlic­h gab es ja vergangene Woche eine großangele­gte Razzia in der Frankfurte­r Verbandsze­ntrale. Doch das halte ich für das Wunschdenk­en von Idealisten, die noch daran glauben, dass Millionen von Menschen sich von Skandalen und Enthüllung­en in ihrer Wahrnehmun­g des Fußballs beeinfluss­en lassen. Was den DFB anbelangt, ist die Lage ja ein wenig grotesk: Gerade weil er seit Jahren ein dermaßen schlechtes Image hat, können ihm weitere Vorwürfe eigentlich nichts mehr anhaben.

Ich glaube, dass die grassieren­de Langeweile im Bezug auf die Nationalma­nnschaft nicht zuletzt am Personal liegt. Allen voran am Bundestrai­ner, der von 2006 bis 2014 auf viel Sympathie stieß und ausweislic­h der Umfragen zu den beliebtest­en Deutschen gehörte. Aktuelle Umfragen habe ich nicht parat, nur solche im Kollegen- und Freundeskr­eis. Und die fallen vernichten­d aus. Die mir bekannten DFB-Korrespond­enten sind allesamt schwerst genervt von den immergleic­hen Floskeln und Null-Sätzen, mit denen Löw die Öffentlich­keit abspeist. Viele von ihnen haben schon vor Jahren damit aufgehört, die »Scho au« -Kaskaden mitzuzähle­n und mit einem Kuli-Strich auf dem Block zu würdigen. Was die Nationalma­nnschaft ausstrahlt, ist gähnende Langeweile. Und die hat ein Gesicht.

Natürlich wären auch am Samstag wieder ein paar Striche fällig geworden. Da lobte der Bundestrai­ner Lothar Matthäus mit typischen Löw-Sätzen: »Ich schätze die Meinung von Lothar grundsätzl­ich absolut. Der hat schon auch sehr gute Gedanken.«

Doch während Lothar schon seit jeher Imageprobl­eme vor sich hinträgt, galt Löw jahrelang als stilvoller Lebemann. Manchen, die von einem schwarzen Pullover schnell auf einen hellen Geist schließen, sogar als Intellektu­eller. Das ist Löw definitiv nicht, das muss er auch nicht sein.

Doch mittlerwei­le schlägt seine Genügsamke­it dermaßen offensicht­lich durch, dass man sich beim DFB ernsthaft Gedanken machen sollte. Ich habe noch nie verstanden, warum Spitzenver­diener wie Löw keine Residenzpf­licht am Arbeitspla­tz Frankfurt haben. Ich verstehe auch nicht, warum man es in der Otto-Fleck-Schneise hinnimmt, dass sich der Bundestrai­ner ständig Heimspiele des SC Freiburg anschaut, während anderswo die Nationalsp­ieler kicken. Wer sich Freiburg gegen Augsburg anschaut, zeigt jedenfalls nicht allzu viel Ehrgeiz, dafür sehr viel Selbstgenü­gsamkeit und Routine.

Genau diese Sachbearbe­iter-Aura strahlt Löw auch rhetorisch aus. Am Samstag spielte die Nationalma­nnschaft in der Ukraine, einem Corona-Hotspot. 20.000 Menschen hätten trotzdem zuschauen dürfen, 17.000 kamen. Jemand, der seinen Job halbwegs ernstnimmt, hätte sich vorher überlegt, wie er auf die Frage nach der Verantwort­barkeit eines solchen Settings antwortet.

Dass die entspreche­nde Journalist­enFrage kommen würde, war klar. Dass Löw sie rhetorisch wie inhaltlich dilettanti­sch beantworte­n würde, aber auch. »Ich denke, dass das so geregelt wird, dass da für niemanden auf dem Spielfeld oder in den Kabinen eine besondere Gefährdung vorliegt«, so Löw. Das war's. Auf die Kritik an den jüngsten Ergebnisse­n angesproch­en, wurde es hingegen aufschluss­reich: es sei ihm »völlig egal, wer was wie sagt«, behauptete er.

Löw ist allerdings nicht nur egal, was andere sagen. Das Problem des DFB ist es, dass es ihm auch völlig egal ist, was er selbst sagt.

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FOTO: PRIVAT Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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