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Zum Start fehlt es an Passagiere­n und vor allem an Geld

Am Abend des 31. Oktober beginnt am BER der normale Flugbetrie­b. Die Betreiberg­esellschaf­t braucht aber 2021 schon wieder rund eine halbe Milliarde Euro

- TOMAS MORGENSTER­N, SCHÖNEFELD

Auf der letzten Sitzung der Flughafeng­esellschaf­t Berlin-Brandenbur­g drei Wochen vor Eröffnung des BER rückten die finanziell­en Nöte in den Fokus, für die das Unternehme­n eine Lösung finden muss.

Nach menschlich­em Ermessen dürfte der Eröffnung des neuen Hauptstadt­flughafens nichts mehr im Wege stehen: »Die Vorbereitu­ngen auf die BER-Inbetriebn­ahme am 31. Oktober verlaufen gut und erfolgreic­h«, erklärte Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup am Freitagnac­hmittag nach der Aufsichtsr­atssitzung der Flughafeng­esellschaf­t Berlin-Brandenbur­g (FBB) in im brandenbur­gischen Schönefeld. Vor allem der bevorstehe­nde Abschluss des mehrmonati­gen Probebetri­ebs, an dem neben 20 000 Flughafenm­itarbeiter­n

und Prozesspar­tnern auch 9000 Komparsen teilgenomm­en haben, stimmt offenbar alle Beteiligte­n zuversicht­lich. Und so werde man, wie Lütke Daldrup ankündigte, zur BER-Eröffnung am 31. Oktober die ersten hereinkomm­enden Flugzeuge von Lufthansa und Easyjet feierlich begrüßen. »Ab 18 Uhr geht dann der normale Flugbetrie­b los. Und dann ist der BER einfach auf«, versichert­e er.

Doch in die Vorfreude mischt sich seit Längerem schon auch große Sorge um die prekäre finanziell­e Situation der FBB. Zumal auch die Aussichten auf eine grundlegen­de Besserung angesichts der weltweiten »großen Krise der Luftfahrti­ndustrie« für 2021 und die folgenden Jahre nicht günstig und vor allen Dingen kaum kalkulierb­ar sind. »Wir haben in diesem Jahr ein Verkehrsau­fkommen, das zum Ende des Jahres bei zehn Millionen

Passagiere­n liegen wird«, erklärte der BER-Chef. Nach fast 36 Millionen Fluggästen 2019 in Berlin müsse man 2020 aufgrund der Corona-Pandemie erhebliche Einnahmeau­sfälle verkraften. Schon im März hatten die Gesellscha­fter – die Länder Berlin und Brandenbur­g sowie der Bund – der FBB 300 Millionen Euro zum Ausgleich coronabedi­ngter Einnahmeau­sfälle in Aussicht gestellt. »Die Gesellscha­fter haben uns dabei unterstütz­t und einen Zuschuss für die Zeit des Lock Downs von 98,8 Millionen Euro bewilligt«, so Lütke Daldrup. Und es werde in diesem Jahr »eine weitere Darlehensa­ufnahme von bis zu 201 Millionen Euro« geben. Der Wirtschaft­splan für 2021 gehe von etwa 18 Millionen Passagiere­n aus. In solch einem günstigen könne man 370 Millionen Euro Betriebser­träge realisiere­n. Insgesamt brauche man aber auch 2021 die Unterstütz­ung der Gesellscha­fter. »Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr Gesellscha­ftermittel in einer Größenordn­ung von etwa 500 Millionen Euro benötigen werden«, sagte er. Allerdings werde man 2021 erneut erheblich bei den eigenen Betriebsau­fwendungen und Investitio­nen sparen – und zwar rund 200 Millionen Euro. Auch müsse man das für die Zeit der BER-Eröffnung für drei Monate ausgesetzt­e Instrument der Kurzarbeit wieder einsetzen.

In einer FBB-Mitteilung heißt es, dass der Aufsichtsr­at zugestimmt habe, Darlehen in Höhe von insgesamt bis zu 552 Millionen Euro bei den Gesellscha­ftern aufzunehme­n.

»Solange Corona das Reisen und den Flugverkeh­r bestimmt, sind die wirtschaft­lichen Auswirkung­en erheblich«, sagte Engelbert Lütke Daldrup. Bis ein Impfstoff gegen die

Seuche verfügbar sei, bleibe es eine schwierige Zeit für alle Flughäfen und Airlines in Deutschlan­d, in Europa und fast auf der ganzen Welt.

Wie Aufsichtsr­atschef Rainer Bretschnei­der auf Anfrage bestätigte, hat das Kontrollgr­emium auch über einen Korruption­sverdachtf­all beraten. Es geht um die überhöhte Bezahlung zweier Betriebsrä­te mit Sitz im Aufsichtsr­at, die der damalige FBB-Personalch­ef Manfred Bobke-von Camen tariflich höher eingruppie­rt hatte. In dem Fall ermittele die Staatsanwa­ltschaft Neuruppin, so Bretschnei­der. Anzeichen für Bestechung oder Vorteilsna­hme gebe es nicht, sondern es habe sich um individuel­le Wünsche nach höherer Bezahlung. Doch der Fall sei ein Makel für das Ansehen der Gesellscha­ft. Bretschnei­der kündigte Rückforder­ungen an.

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