nd.DerTag

Storno beim neuen Sturmgeweh­r

Streit um das Patentrech­t

- RENÉ HEILIG

Trotz Corona – die Ausgaben für Rüstung steigen kontinuier­lich, doch die Beschaffun­gspannen werden nicht weniger. Nun steht der gerade erteilte Auftrag für Sturmgeweh­re in der Kritik. So fragwürdig die meisten Rüstungsen­tscheidung­en unter ihrer Vorgängeri­n Ursula von der Leyen auch gewesen sein mögen – unter Führung von Annegret Kramp-Karrenbaue­r (beide CDU) gelingt es dem Verteidigu­ngsministe­rium, noch eins drauf zu setzen.

Nun wurde der Mitte September erteilte Auftrag zur Fertigung eines neuen Standard-Sturmgeweh­res gestoppt. Gewinner der Ausschreib­ung war die Firma C.G. Haenel. Sie sollte zunächst 120 000 MK 556-Gewehre liefern. Volumen alles in allem: Gut 600 Millionen Euro. Obgleich Haenel versichert­e, die Waffen würden in der traditione­llen Suhler Waffenschm­iede gefertigt, besteht nicht nur daran erhebliche­r Zweifel. Haenel gehört einer Holding aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Damit wäre es wohl so gut wie unmöglich, Exporte in die Golf-Krisenregi­on zu unterbinde­n.

Das jetzt abgebroche­ne Vergabever­fahren hatte bereits 2017 begonnen, nachdem Klagen zur Treffsiche­rheit des bisherigen Standard-Sturmgeweh­rs G36 laut wurden. Obgleich Hersteller Heckler&Koch das heftig bestritt, wurde 2017 ein Vergabever­fahren in Gang gesetzt, bei dem der schwäbisch­e Waffenprod­uzent mit seinem neuen HK 416 leer ausging. H&K, seit über 60 Jahren Profiteur von Bundeswehr-Aufträgen, protestier­te. Offenbar erfolgreic­h, denn das Bundesamt für Ausrüstung, Informatio­nstechnik und Nutzung der Bundeswehr hob die Entscheidu­ng zugunsten von C.G. Haenel auf. Das übergeordn­ete Verteidigu­ngsministe­rium teilte mit, man habe »erstmalig nachprüfba­r von einer möglichen Patentrech­tsverletzu­ng durch die Firma C.G. Haenel Kenntnis erlangt«. Nun werde es eine »Neubewertu­ng der Angebote unter Berücksich­tigung aller Aspekte« geben. Es wäre höchst verwunderl­ich, wenn Heckler&Koch nicht Hofliefera­nt der Bundeswehr bleibt.

In den Regierungs­fraktionen CDU, CSU und SPD herrscht Entsetzen. Der GrünenVert­eidigungsu­nd Haushaltsp­olitiker Tobias Lindner spricht von einer »gigantisch­en Blamage« und fordert, dass das Verteidigu­ngsministe­rium »nun unverzügli­ch transparen­t macht, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist und wo die Verantwort­ung liegt« – und dazu personelle Konsequenz­en.

Die Sturmgeweh­r-Stornierun­g ist nur ein Problem von vielen. Ende September wurde die Beschaffun­g eines schweren Transporth­ubschraube­rs »geerdet«, nachdem die US-Konzerne Boeing und Sikorsky sich ein jahrelange­s Anbieterge­fecht geliefert hatten. Ungeklärt ist der Ersatz für die Tornado-Jagdbomber, nicht aufgearbei­tet die Schlampere­i rund um die Reparatur des Segelschul­schiffes »Gorch Fock«. Neue Fregatten werden ebenso unpünktlic­h, dafür aber mit vermindert­en Fähigkeite­n ausgeliefe­rt und das Heer muss sich – weil der hochgelobt­e neue Schützenpa­nzer »Puma« nicht die verlangte Leistung bringt – mit Provisorie­n beim Vorgängert­yp »Marder« herumschla­gen. Schließlic­h will man demnächst die Führung der neuen Nato-Speerspitz­e in Osteuropa übernehmen.

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