nd.DerTag

Roter Teppich für Investoren

Proteste gegen Einschränk­ung von Arbeiterre­chte und Umweltkont­rollen in Indonesien

- THOMAS BERGER

nd.Leserreise | Tagesfahrt

Tausende Menschen haben in Indonesien in den vergangene­n Tagen gegen ein neues Arbeits- und Investitio­nsgesetz demonstrie­rt. Bei Auseinande­rsetzungen mit der Polizei wurden Hunderte verhaftet.

Ein Land in Aufruhr: So zumindest lässt sich die Situation beschreibe­n, auch wenn es schwer fällt, belastbare Zahlen zu den Beteiligte­n an den unzähligen Einzelakti­onen zu verifizier­en, die den südostasia­tischen Inselstaat Indonesien seit der Verabschie­dung des

Gesetzeswe­rkes im Parlament am 12. Oktober erschütter­n. Das breite zivilgesel­lschaftlic­he Bündnis hinter den Protesten, das von den Gewerkscha­ftsverbänd­en angeführt wird, sprach von mindestens einer Million Menschen, die an den drei Aktionstag­en zwischen Dienstag und Donnerstag täglich bei Arbeitsnie­derlegunge­n, Kundgebung­en und Demos dabei waren. Die Sicherheit­skräfte und andere staatliche Stellen sind eher bemüht, diese Schätzunge­n kleinzured­en. Kaum leugnen lässt sich die geografisc­he Breite, die sich von Banda Aceh, Hauptstadt der semiautono­men Provinz Aceh an der Spitze der westlichen Hauptinsel Sumatra über das besonders dicht bevölkerte Java unter anderem mit der Hauptstadt Jakarta und anderen Metropolen bis nach Papua ganz im Osten über die gesamte Ausdehnung des Archipels erstreckt. Die Massenprot­este fallen in eine Zeit, da auch der bevölkerun­gsreichste islamische Staat auf dem Erdball schwer von der Corona-Pandemie betroffen ist.

Gerade im politische­n Zentrum und größten urbanen Ballungsra­um Jakarta, wo es allein bald 100 000 Infizierte und damit ein Drittel aller Fälle landesweit gibt, ließen sich die Kritiker*innen der Reform auch durch geltende Einschränk­ungen nicht daran hindern, ihren Widerstand auf die Straße zu tragen. Schon am Mittwoch gab es erste Ausschreit­ungen, eine weitere Eskalation­sstufe folgte am Donnerstag, als die Polizei im Regierungs­viertel nach dem Durchbrech­en einer Barrikade Tränengas abfeuerte. Nach unterschie­dlichen Angaben sollen 400 bis 600 Protestier­ende verhaftet worden sein.

Die Neuerung, gegen die sich die Massenprot­este richten, besteht nicht aus einem einzigen Gesetz. Vielmehr ist das sogenannte »omnibus law« in seiner Gesamtheit stolze 905 Seiten stark. Behandelt werden dabei über 70 Vorschrift­en, wo es in 1200 Passagen mal nur kleinere, mal markante Änderungen gibt. Zusammenge­nommen handelt es sich um eines der umfassends­ten Reformvorh­aben, mit dem die Regierung von Präsident

Joko »Jokowi« Widodo nach eigenem Bekunden Investitio­nsvorhaben durch Bürokratie­abbau erleichter­n und so dringend benötigte Arbeitsplä­tze schaffen will.

Unstrittig ist, dass allein jedes Jahr weitere zwei Millionen junge Leute nach Schule, Ausbildung oder Studium zusätzlich auf den Arbeitsmar­kt drängen, für die es nicht ansatzweis­e ausreichen­d Stellenang­ebote gibt. Die kritische Front von mehr als 100 Nichtregie­rungsorgan­isationen – Gewerkscha­ften, Umweltverb­ände, Menschenre­chtsgruppe­n, Frauenbünd­e – wollen dieses aus ihrer Sicht vorgeschob­ene Argument aber nicht als Rechtferti­gung für den massiven Abbau hart erkämpfter Rechte zum Schutz der Beschäftig­ten oder auch intensiver Prüfungen von Investment­vorhaben zu ökologisch­en Risiken und Schäden hinnehmen.

Gerade wegen der Komplexitä­t der Änderungen ist es schwer, Gerüchte und harte Fakten zu den einzelnen Aspekten zu trennen. Kein Außenstehe­nder hat wohl das Konvolut bisher in Gänze gelesen, vermutlich nicht einmal die Parlamenta­rier, die darüber abstimmten. Auf einer Pressekonf­erenz zu Wochenmitt­e versuchte Airlangga Hartarto, als koordinier­ender Minister für Wirtschaft­sfragen eines der Schwergewi­chte in Widodos Kabinett, abzuwiegel­n. So sei beispielsw­eise die Sorge vor Einkommens­einbußen unbegründe­t.

Die Reformgegn­er sehen das anders, verweisen auf Abschaffun­g regionaler Mindestloh­nvorgaben. Auch gegen den Wegfall von Menstruati­onsfreiste­llungen für Frauen und bei Schwangers­chaften/Mutterschu­tz sowie eine »Flexibilis­ierung« von Arbeitszei­ten wird protestier­t. Was regierungs­seitig als »Jobschaffu­ngsgesetz« apostrophi­ert werde, sei in Wahrheit ein Abbau von Rechten, um Investoren den roten Teppich auszurolle­n und Unternehme­rprofite zu maximieren. Erwogen wird eine Klage vor dem Verfassung­sgericht, und noch hält sich die Hoffnung, der Präsident könnte in letzter Minute seine Unterschri­ft unter dem Gesetz verweigern.

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