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Weiterhin kein Recht auf Schutz vor Armut

Der Bundestag stimmte nur für einen Teil der revidierte­n Europäisch­en Sozialchar­ta

- LISA ECKE

Am Donnerstag­abend stimmte der Bundestag über den Gesetzesen­twurf der Bundesregi­erung zur Revision der Europäisch­en Sozialchar­ta ab. Mit den Stimmen der Fraktionen von Union, SPD, FDP und den Grünen wurde der Entwurf angenommen. Die AfD stimmte dagegen, während sich die Linksparte­i enthielt.

Die Europäisch­e Sozialchar­ta (ESC) ist ein völkerrech­tlich verbindlic­hes Abkommen von Mitglieder­n des Europarate­s, das dazu dienen soll, soziale, wirtschaft­liche und kulturelle Grundrecht­e zu gewährleis­ten. Schon 1965 ist die ESC in Kraft getreten. Sie beinhaltet­e insgesamt 19 soziale Rechte, beispielsw­eise das Recht auf Arbeit, auf soziale Sicherheit, das soziale Fürsorgere­cht sowie das Recht auf besonderen gesetzlich­en, wirtschaft­lichen und sozialen Schutz der Familie.

Seit 1996 gibt es auch eine revidierte ESC. Mit ihr haben die Mitglieder des Europarate­s auf die veränderte­n gesellscha­ftlichen und politische­n Gegebenhei­ten reagiert. Die Rechte der Charta wurden aktualisie­rt und ergänzt. So wurden etwa Gleichbeha­ndlungsrec­hte deutlich stärker formuliert, insgesamt wurden zwölf Rechte neu aufgenomme­n. Dazu zählt das Recht auf Arbeitslos­enunterstü­tzung, der Schutz vor sexueller Belästigun­g, der Schutz gegen Armut und vor sozialer Ausgrenzun­g sowie ein Recht auf Wohnen. Deutschlan­d hatte diese revidierte ESC bisher nur unterzeich­net, nicht aber ratifizier­t. Erst mit einer Ratifizier­ung ist die Bundesrepu­blik jedoch auch zur Umsetzung verpflicht­et. Insgesamt haben von 47 Mitglieder­n des Europarate­s 34 die revidierte Sozialchar­ta ratifizier­t, inklusive Deutschlan­d lediglich 13 nicht.

»Diese Verzögerun­g ist völlig inakzeptab­ler«, sagte Andrej Hunko von der Linksfrakt­ion während der Abstimmung zur revidierte­n ESC am Donnerstag im Bundestag. Auch die im Entwurf der Bundesregi­erung formuliert­en 16 Ausnahmen der revidierte­n ESC lehne seine Fraktion ab. Ausgeschlo­ssen wird etwa das Recht auf Wohnung, das Recht auf Beteiligun­g an den Arbeitsbed­ingungen sowie das Recht auf Schutz vor Armut. »Es ist ja keine linksradik­ale Forderung, die Sozialchar­ta ohne Wenn und Aber (...) zu ratifizier­en«, kommentier­te Hunko.

Die Linke hatte zwei Anträge gestellt, in einem forderte sie, die Ausnahmen bei der Ratifizier­ung wegzulasse­n und in dem Anderen, außerdem noch ein Zusatzprot­okoll zu ratifizier­en. Dieses würde etwa Gewerkscha­ften ermögliche­n, bei Verletzung von sozialen Rechten Beschwerde­n beim Ausschuss einzureich­en. Doch die Anträge wurden von der Mehrheit des Bundestage­s abgelehnt. Lediglich die Grünen stimmten zu. Der Bundesrats­ausschuss hatte bereits im Mai in seiner Empfehlung zum Gesetzentw­urf festgestel­lt, dass die Bundesregi­erung weder zu dem nicht ratifizier­ten ESC Artikel für das Recht auf Schutz vor Armut, noch zu dem Artikel für das Recht auf Wohnung eine »tatsächlic­h bestehende fehlende Kompatibil­ität zu nationalem Recht dargelegt« habe.

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